PURPURUMHANG. Tartana Baqué. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Tartana Baqué
Издательство: Readbox publishing GmbH
Серия:
Жанр произведения: Контркультура
Год издания: 0
isbn: 9783347164758
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sie mir geholfen, wenn ich mich in irgendwelche Phantasien verrannte.

      Der Signalton ihres Handys ertönt. Jetzt das achte Mal.

      „Julia? Weißt du, wie spät es ist?“

      „Sorry, ich habe gar nicht auf die Uhr geschaut. Tut mir wirklich leid. Aber ich brauche dringend deine Hilfe.“

      „Was ist passiert? Du hörst dich schrecklich an.“

      „Peter betrügt mich.“

      Endlich habe ich es ausgesprochen.

      „Ich habe ihn heute Nacht mit Linh, seiner Arzthelferin, in unserem Schlafzimmer erwischt.“

      „Das ist ja furchtbar. Soll ich zu dir kommen?“

      „Nein, lass mal. Ich bin einfach nur müde, ganz, ganz müde. Zu kaputt, um jetzt irgendwelche Gespräche zu führen. Ich wollte nur deine Stimme hören. Eine Stimme, der ich vertraue.“

      Meine Tränen kann ich nicht mehr zurückhalten.

      „Beruhige dich, Julia. Wir werden schon einen Ausweg finden. Ich komme morgen früh. Gleich um 8: 00 Uhr zum Frühstück. Okay?“

      „Danke, das ist lieb von dir.“ Ich schnaube in mein Taschentuch. „Danke, Lisa. Ich bin froh, dass ich dich habe.“ „Schlaf gut, Julia. Morgen sieht die Welt schon anders aus.“

      „Ich versuche es. Bis morgen.“

      Ich sitze auf der schwarzen Designercouch. Trage immer noch mein rotes Kostüm. Ins Schlafzimmer will ich nicht gehen. Achtlos werfe ich die Jacke und den Rock auf den Sessel. Nur mit Unterwäsche bekleidet, strecke ich mich auf dem Sofa aus. Im Fernseher läuft irgendwas. Ich lasse ihn an; höre Stimmen, die Leben bedeuten. Sie helfen mir, nicht nachzudenken. Traumfetzen quälen mich im Halbschlaf.

      … mehrere Männer und Frauen sitzen nackt um einen Roulette-Tisch. Wer kein Geld mehr hat, muss aufstehen. Beim nächsten Run trifft die Kugel den Kopf des Spielers, der dann zerplatzt. Der Croupier fordert mit breitem Grinsen zum nächsten Spiel auf: „Faites vos jeux.“ Ich stehe auf …

      Der Haustürgong ertönt. Ich schrecke hoch. Einige Sekunden brauche ich, um mich zu orientieren.

      „Ich bin so froh, dass du da bist“, begrüße ich Lisa. Es ist bescheuert, doch als sie mich in ihre Arme nimmt, muss ich losheulen.

      „Alles wird gut, Julia. Beruhige dich.“

      Mein lautes Weinen wird leiser, bis ich verstumme.

      „Geh erst einmal ins Bad und dusche dich“, fordert sie mich auf, „glaub mir, du fühlst dich danach viel besser.“ Vorsichtig löst sie unsere Umarmung. „Ich mache uns schon mal einen Kaffee und Frühstück.“

      Ohne Widerspruch folge ich ihrer Anweisung. So ist sie nun mal, immer sieht sie sofort das Wesentliche.

      Nach der Dusche fühle ich mich tatsächlich besser. Der Kaffeeduft weckt meine Lebensgeister. Im Wohnzimmer hat Lisa den Frühstückstisch gedeckt. Sie hat sogar eine Vase mit gelben Rosen auf den Tisch gestellt.

      „Oh, wie schön“, bedanke ich mich, und endlich kann ich wieder lächeln, wenn auch zaghaft. Mein Magen knurrt laut, und wir lachen darüber.

      „Du siehst“, sagt sie und zwinkert mir mit ihren blaugrauen Augen zu. „Das Leben fordert seinen Tribut.“

      Nachdem wir etwas von dem Kaffee getrunken und zwei Bissen vom frischen Brötchen mit Honig gegessen haben, ergreift Lisa meine Hand.

      „Und? Jetzt erzähl mir genau, was geschehen ist.“

      „Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.“

      „Am besten von Anfang an.“

      „Okay.“

      Ich schlucke, lasse ihre Hand los und bedecke meine Augen.

      „Ach Lisa, ich weiß, ich hätte mit dem Spielen aufhören müssen.“

      Ich rutsche auf die Stuhlkante, als wäre ich bereit zum Sprung.

      „Ich weiß nicht, was mit mir los war, Lisa. Irgendwie hat mich der Teufel geritten. Glaub‘ mir, ich hatte alles genau geplant. Und eigentlich hätte ich gewinnen müssen.“ Ich nehme die Hände herunter, schaue auf den Tisch. „Jetzt habe ich alles verloren. Keinen Cent habe ich mehr.“

      Mir laufen die Tränen über die Wange.

      „Lisa, … ich … ich kann dir dein Geld nicht wie versprochen zurückzahlen.“

      Lisa richtet sich auf und schaut mich mit ihrem typischen Röntgenblick an, dem meistens nichts verborgen bleibt.

      „Das Geld ist mir jetzt nicht wichtig. Ich mache mir Sorgen um dich, Julia. Ich denke, du brauchst professionelle Hilfe. Als Psychotherapeutin weißt du doch am besten, wie man mit einer Sucht umzugehen hat.“

      „Ich werde kein Spielcasino mehr betreten“, beteuere ich sofort. „Das verspreche ich dir … und dein Geld werde ich dir zurückzahlen. Sobald ich kann.“

      Lisa setzt ihre Kaffeetasse ab und schaut mich ernst an. Ihre Stimme klingt traurig.

      „Du weißt, dass du mit Versprechungen dein Problem nicht lösen kannst. Hast du schon mal daran gedacht, in eine Klinik zu gehen?“

      Entsetzt fahre ich von meinem Stuhl auf.

      „Bist du verrückt? Das werde ich bestimmt nicht machen. Ich bin doch nicht irre! Was soll ich denn als Psychotherapeutin dort?“ Ich stehe auf, muss mich bewegen, und mir ist der Appetit vergangen.

      „Lass dir den Vorschlag durch den Kopf gehen, Julia. Du weißt selbst, dass es so nicht weitergehen kann“, beruhigt sie mich mit sanfter Stimme.

      Meinen inneren Tumult besänftigt das nicht. Ich öffne die Terrassentüre.

      „Lass uns nach draußen gehen. Das Wetter ist so schön warm.“

      Wir legen die roten Polsterauflagen auf die grauen Rohrstühle. Die Sonne scheint uns ins Gesicht. Einen kleinen Moment sitzen wir still nebeneinander. Die Natur ist zauberhaft. Eigentlich möchte ich das hier nur genießen: die Sonne, die Luft und die gelben, roten und weißen Rosen, die ich vor Jahren als Begrenzung entlang der Terrasse gepflanzt habe. Doch wirklich gelingen will es nicht.

      Immerhin: Langsam verschwindet meine Wut, und ich fühle mich ein bisschen ruhiger.

      „Weißt du, Lisa. Die Spielerei ist gar nicht mal das Schlimmste.“

      Ich hole tief Luft und stelle mein Wasserglas mit einem lauten Knall auf den Gartentisch.

      „Mein Leben ist kaputt. Peter hat mich betrogen. Vierundzwanzig Jahre sind wir verheiratet.“ Ich stehe auf und laufe hin und her. „Und … und ich weiß noch nicht mal, wie lange er mit dieser Linh schon rummacht.“

      „Die MTA in seiner Praxis, ja?“

      „Genau die. Da mache ich für ihn die Abrechnungen, damit er Golf spielen kann, währen er …“ Ich schnappe nach Luft und verkrampfe die Hände ineinander.

      „Wie kann ich nur so blöd sein!“ Tränen laufen mir über das Gesicht. „Ich hasse ihn. Ich hasse dieses blöde Arschloch!“

      „Komm, Julia.“

      Lisa steht auf und nimmt mich in ihre Arme. Ihre Wärme beruhigt mich.

      Zusammengeknülltes Haushaltspapier liegt überall herum. Die Rolle ist leer.

      „Weißt du, er will mich sogar beim WDR anschwärzen. Ausgerechnet jetzt, wo meine Einschaltquote als beratende Psychologin gestiegen ist. Wie soll ich denn meine Schulden bezahlen können, wenn mir dieser Job verloren geht.“

      „Mach dich nicht verrückt. Er wird ganz bestimmt nicht den WDR anrufen. Er ist nicht so dumm. Er will schließlich nicht für deinen Lebensunterhalt aufkommen müssen.“

      Lisa streichelt mir beruhigend über den Rücken.