Der Kaiser. Geoffrey Parker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806240108
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des Apostolischen Stuhls und Verwirrung der Christenheit«, denn die Anhänger des Kaisers »würden Seiner Heiligkeit den Krieg erklären, nicht nur mit Waffen, sondern auch durch alle anderen Mittel, die zu einer Reformation in der Kirche führen könnten«. Schamlos nutzten sie Clemens’ größte Angst aus: »Wir erinnerten ihn auch an die lutherische Häresie und an die Stimmen aus Deutschland, die ein allgemeines Konzil fordern.« Was die Vorstellung betraf, Karl seinerseits könnte durch Drohungen dazu gebracht werden, seine Forderungen abzuschwächen, so behaupteten die Gesandten, der Kaiser wolle lieber »all seine Territorien und Königreiche verlieren, eines nach dem anderen, und dabei das Blut seiner Untertanen und Verbündeten vergießen, als klein beizugeben«. Bei ihrer letzten, stürmischen Audienz beim Papst »verabschiedeten« sich die beiden spanischen Diplomaten »von Seiner Heiligkeit und baten ihn um Vergebung, falls wir zur Verteidigung des Besitzes Eurer Majestät Krieg gegen ihn führen sollten, aber wir werden dazu ja gezwungen und gedrängt«. Karl ließen sie wissen, dass »es uns nach all diesen Unterredungen scheinen will, als müsste Eure Majestät den Papst als einen Feind betrachten, genauso wie die Könige von England und Frankreich und die Venezianer, die allesamt darauf aus sind, den Ruhm Eurer Majestät zu untergraben und zu ruinieren«.52

      Anderenorts gaben sich Karls Amtsträger ähnlich kämpferisch. Im Juni 1526 meinte etwa der kaiserliche Botschafter in Savoyen: »Da der Papst die Christenheit in Brand setzen will, sollte Euer Majestät allenthalben Feuer entfachen, um jene zu bestrafen, die gegen Euer Heer zu den Waffen gegriffen haben.« Auch nach Ansicht des Botschafters Lope de Soria in Genua »würde jeglicher Schaden, den Euer Majestät Seiner Heiligkeit zufügen könnte, absolut gerechtfertigt erscheinen, bedenkt man die Undankbarkeit [des Papstes] sowie das offenbar geringe Interesse, das er daran hat, Gott und allen guten Christen zu dienen. Zudem kann einzig Eure Majestät den Papst dafür bestrafen, dass er seiner Pflicht nicht nachkommt.«53

      Karl nahm diese Aufforderungen, »den Papst zu bestrafen«, sehr ernst. Seinen Beichtvater, García de Loaysa, fragte er, »ob er dem Papst seinen Gehorsam aufkündigen könne, wenn dafür ein angemessener Grund bestehe«. Vielleicht zum ersten Mal brachte er eine Strategie zum Einsatz, die später zum Standardverfahren werden sollte, wann immer die spanischen Habsburger vor einem moralischen Dilemma standen: Er »berief einige Theologen in seinen Rat«, um diese entscheiden zu lassen, ob er »zum Schutz und Schirm unserer Territorien … ein Heer aufstellen [sollte], um gegen wen auch immer auf dieser Welt zu kämpfen, und sei es der Papst«.54 Offenbar hatten die Theologen keine Einwände, denn im Juni 1526 wies der Kaiser Moncada an, falls der Papst »Unmögliches von Euch verlangen oder versuchen sollte, Euch mit Verstellung und Verzögerungen hinzuhalten, um Zeit zu gewinnen und Bündnisse mit anderen zu schließen und nicht mit uns, so denkt immer daran, dass es besser ist, selbst zuvorzukommen, als wenn einem zuvorgekommen wird«. Außerdem verriet Karl, dass der Kardinal Pompeo Colonna, ein langjähriger Verbündeter Spaniens, der bei der letzten Papstwahl die Opposition gegen Clemens angeführt hatte, kürzlich angedeutet hatte, »dass er in einer guten Position sei, den Papst aus Rom hinauszuwerfen«. Der Kaiser befahl Moncada deshalb, »mit dem besagten Kardinal Colonna zu verhandeln, damit er seine Pläne in die Tat umsetzt, und zwar so, als handelte er allein; und gebt Ihr ihm im Geheimen alle Unterstützung, die Euch möglich ist«.55 Zusätzlich entsandte er eine kleine Flotte, die den Herzog von Bourbon und ein paar Hundert Soldaten in Richtung Lombardei befördern sollte.

      Diese bescheidenen Schritte blieben weit hinter dem stolzen Auftreten des Kaisers zu Beginn desselben Jahres zurück, als dieser getönt hatte, er selbst wolle an der Spitze eines großen Heeres nach Italien ziehen, und Clemens spottete in aller Öffentlichkeit über die Maßnahmen des Kaisers. Karls Botschafter in Rom zufolge »macht man sich keine großen Gedanken über das Kommen des Monsieur de Bourbon, da er ja keine Truppen mit sich führt. Ich habe sogar sagen hören, der Papst habe darüber gelacht und gesagt, Eure Majestät habe ihn [Bourbon] lediglich nach Italien geschickt, um ihn loszuwerden.« Das Lachen sollte Clemens schon bald vergehen.56

      Karl nahm nun eine bedeutende Planänderung vor. »Nichts würde ich lieber tun, als nach Italien zu ziehen«, erklärte er seinem Bruder in einem langen Brief, »nicht etwa, weil ich mich selbst erheben will, sondern einzig und allein, um der Verantwortung gerecht zu werden, die ich von Gott empfangen habe, und um die Früchte zu ernten, die eine solche Reise zum Wohl der Christenheit wohl bringen könnte – einen allgemeinen Frieden meine ich, sodass wir beide, Ihr und ich, mit vereinten Kräften gegen die Heiden kämpfen und die häretische Irrlehre Luthers ausmerzen können«, Letzteres vielleicht mittels eines »allgemeinen Konzils zur Reformation der Kirche«. Es ging Karl auch darum, seine Truppen in der Lombardei neu zu organisieren, denn, »wenn mein Heer verloren ist oder zur Demobilisierung gezwungen wird, so werde ich bald auch Neapel und Sizilien verlieren, die sich hinterher nur schwerlich zurückgewinnen ließen«. Sollte es ihm dagegen möglich sein, »in Italien die Oberhand zu gewinnen und mich zum Kaiser krönen zu lassen«, so Karl, »dann wäre ich in der Lage, allen meinen Willen aufzuzwingen, und wäre der unangefochtene Herrscher über alle« (so viel zum Thema »sich nicht selbst erheben wollen«!). Jedoch »ist es das, was der Papst und die anderen Herrscher am meisten fürchten«, fuhr er fort, und »ich bin überzeugt, dass dies der Beweggrund für ihre gegenwärtigen Bündnisse gegen mich ist«. Noch einmal äußerte der Kaiser sein Bedauern darüber, dass ihm, würde er gleich jetzt nach Italien segeln, die Truppen, die Schiffe und das Geld fehlen würden, »wie sie für meine Sicherheit, meine Ehre und meinen Profit zureichend wären«, ganz abgesehen davon, dass er den König von Ungarn nicht würde »unterstützen und fördern können, wie ich es wünsche«. »Sollte uns ein Friedensschluss gelingen, so seid versichert, dass ich all meine Kräfte in Ungarn aufbieten würde; aber falls die Kriege, die um meinen eigenen Besitz toben, noch weiter anhalten – und ich bin mir sicher, das werden sie –, so will ich Euch zum Richter machen: Sollte ich dann nicht um meine eigene Verteidigung besorgt sein und all meine Ressourcen dafür aufwenden?« Der Kaiser schlug deshalb eine neue, radikal andere »Deutschlandstrategie« vor: Er übersandte Ferdinand den Entwurf für ein Edikt, das die Strafen, die er nach dem Wormser Reichstag gegen die Lutheraner verhängt hatte, aussetzte, weil »einige meiner Ratgeber der Meinung sind, dass wir durch eine solche Aussetzung beträchtliche Mengen an Fußvolk und Reiterei gewinnen können, die Ihr dann einsetzen könntet, wo es Euch beliebt, etwa als Verstärkungen in Ungarn«. Außerdem könnte ein Toleranzangebot an die Anhänger Luthers – selbst wenn es nur ein zeitweiliges war – dazu führen, wie Gattinara scharfsinnig anmerkte, »dass der Papst durch dieses Druckmittel zur Räson gebracht wird«.57

      Diese noch vor Kurzem völlig undenkbare Idee – den Anhängern Luthers ihre Duldung gegen die Aushebung von Truppen zur Verteidigung Ungarns gleichsam zu verkaufen – war die Konsequenz aus den zutiefst beunruhigenden Nachrichten, die zuletzt am Kaiserhof eingetroffen waren. Im April 1526 hatte Sultan Süleyman Istanbul verlassen, an der Spitze eines riesigen Heeres samt Belagerungsgerät und dem notwendigen Tross. Im Juli überschritt er erstmals die Grenze zu Ungarn. Ferdinand flehte um den dringend benötigten Beistand, aber Karl gab ihm zur Antwort: »Ich habe bereits einen lästigen Türken, mit dem ich mich herumschlagen muss: den König von Frankreich.«58 Dann errang der Sultan im August bei Mohács einen überwältigenden Sieg; die Mehrheit der ungarischen Adligen und auch König Ludwig blieben tot auf dem Schlachtfeld zurück. Nach osmanischer Auffassung wurde Süleyman durch diesen Sieg zum Herrscher über Ungarn. Zwei Wochen später zog er in Buda ein und übertrug das Königreich einem seiner Gefolgsleute.

      Dank seiner Heirat mit Ludwigs Schwester konnte Ferdinand beinahe sofort sicherstellen, dass er selbst zum böhmischen König gewählt wurde (schon Ludwig hatte neben Ungarn auch über Böhmen geherrscht). Mit der tatkräftigen Unterstützung seiner Schwester Maria, der Witwe Ludwigs, stellte er sich sodann gegen den Sultan und erhob seinerseits Anspruch auf die ungarische Königskrone. Jedoch stießen seine Appelle an die anderen Herrscher Europas, mit ihm gegen den »gemeinsamen Feind der Christenheit« ins Feld zu ziehen, weitgehend auf taube Ohren: Obwohl alle wussten, wie groß und wie unmittelbar die »Türkengefahr« tatsächlich war, zog doch weiterhin der Kampf um Oberitalien den Großteil ihrer Aufmerksamkeit und Ressourcen auf sich. Selbst Papst Clemens, der 5000 Söldner in Ungarn finanzierte, gab wesentlich mehr für den Krieg in der Lombardei aus. Als im September 1526 die