Als Gattinara sich dem kaiserlichen Befehl widersetzte, wusste er nicht, dass Franz am 13. Januar 1526 wiederum einen Notar zu sich bestellt und eine weitere geheime »Protestation« abgegeben hatte des Inhalts, dass er keinerlei Zugeständnisse einhalten werde, die er unter Zwang gemacht habe und die der territorialen Unversehrtheit Frankreichs zuwiderliefen.28 Einige Stunden, nachdem er diese Erklärung abgegeben hatte, setzte er seine Unterschrift unter den Vertrag von Madrid, worin er alles zugestand, was Karl verlangt hatte: Franz sollte sämtliche Gebietsansprüche in Italien sowie alle strittigen Gebiete in den Niederlanden aufgeben; den Herzog von Bourbon und seine Gefolgsleute sollte er begnadigen und ihnen ihren Besitz zurückgeben (oder sie angemessen entschädigen); die französische Präsenz in Burgund sollte binnen sechs Monaten nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft enden; und obendrein sollte Franz ein Verteidigungs- und Offensivbündnis mit Karl schließen und sich ihm dann im Kampf gegen Türken und Lutheraner anschließen. Nachdem er den Vertrag »als Fürst und Allerchristlichster König« unterzeichnet hatte, gelobte Franz und »gab sein königliches Wort und Versprechen, dass er, sollte er sich nicht an die Bestimmungen des Vertrages halten, innerhalb von sechs Wochen nach Spanien zurückkehren und sich erneut in Gefangenschaft begeben werde«. Auch gab er Lannoy »bei seiner ritterlichen Ehre« sein persönliches Versprechen, dass er »eher sterben werde«, als irgendeine der gerade gemachten Zusagen nicht einzuhalten. Einige Tage darauf begab sich Lannoy als Stellvertreter Eleonores in Franz’ Schlafgemach und erklärte dort, sie und der König seien nun Mann und Frau.29
Daraufhin suchte Karl seinen neu gewonnenen Schwager auf und stellte ihm Eleonore vor. Er entsandte offizielle Vertreter, die Burgund für ihn in Besitz nehmen sollten. Und er beauftragte Lannoy damit, sicherzustellen, dass Franz Spanien erst verlassen durfte, wenn seine Söhne das Land als Geiseln betraten – und auf keinen Fall früher. Bis dahin musste der französische König weiter unter ständiger Bewachung bleiben. Einen einzigen kleinen Sieg vermochte Gattinara zu erringen: Karl entschied, dass Eleonore nicht mit Franz zusammenkommen durfte, bevor der König nicht öffentlich »bestätigt und geschworen« hatte, »dass er die Verträge und alle anderen zwischen ihm und mir getroffenen Vereinbarungen halten wird«.30 In der festen Überzeugung, nun habe er all seine Ziele erreicht, brach der Kaiser am 21. Februar 1526 in Richtung Süden auf, um seinerseits die Ehe zu schließen und zu vollziehen.
Die Hochzeit
Karl war nun wirklich schon oft verlobt gewesen – zuletzt mit seiner Cousine Mary Tudor, die er hatte heiraten sollen, sobald sie zwölf Jahre alt wäre. Die englische Gesandtschaft, die nach Spanien geschickt worden war, um Glückwünsche zum Sieg von Pavia zu überbringen, brachte dem Kaiser auch einen Smaragdring mit, ein Geschenk der Prinzessin als »Unterpfand weiterer Nachricht davon – wenn Gott in seiner Gnade sie endlich zusammenführen würde –, ob Seine Majestät sich genauso keusch und züchtig halte, wie sie selbst mit Gottes Gnade es beabsichtige« (vielleicht ein nicht gerade subtiler Seitenhieb auf den außerehelichen Nachwuchs, den der Kaiser bereits gezeugt hatte). Karl nahm den Ring »überaus dankbar an, steckte ihn an seinen kleinen Finger und erklärte, er wolle ihn um ihrer willen tragen«. Zugleich verlangte er freilich, dass Mary – die zu diesem Zeitpunkt erst neun Jahre alt war – unverzüglich zu ihm nach Spanien kommen solle. Seine Untertanen, erklärte er, wollten nicht, dass er »sein Reich verlasse, bevor er nicht seine Braut, die Frau Prinzessin, hier bei sich in Spanien hätte, damit ein Rat, den sie [dann] um sich haben würde, die Angelegenheiten des Königreiches lenken und einen solchen Aufruhr verhindern möge, wie er in der Zeit seiner vorherigen Abwesenheit ausgebrochen war« (gemeint ist der Comuneros-Aufstand). Die Gesandten erwiderten, dass Mary noch »in einem solch zarten Alter« sei, dass »es wohl zu ihrem großen Schaden ausgehen würde, wenn man sie über das Meer fahren ließe, vom ungünstigen Einfluss des heißen spanischen Klimas ganz abgesehen« – dies solle »der Kaiser doch bedenken, wie wir meinen, wenn er sich von ihr Leibesfrucht erwartet«. Karls Bruder Ferdinand stimmte dieser Einschätzung prinzipiell zu, zog jedoch andere Schlüsse daraus: »In Anbetracht des Alters Eurer Majestät und aller Eurer Verpflichtungen sowie des Alters der englischen Prinzessin und der Tatsache, dass wir nur zwei [Brüder] sind«, schrieb er an Karl, solle der Kaiser doch lieber ihrer beider Cousine, die Infantin Isabella von Portugal, heiraten, »damit Ihr mit Gottes Gnade Nachkommen zeugen werdet, welche die Frucht Eures Ehebundes sein werden« (ein weiterer wenig subtiler Verweis auf Karls illegitime Nachkommenschaft). Karl stimmte zu. »Sollte diese Heirat stattfinden«, grübelte er, »dann könnte ich die hiesigen Regierungsgeschäfte in der Hand der besagten Infantin zurücklassen« und würde noch dazu nicht nur deren stattliche Mitgift einstreichen, sondern auch noch die zusätzlichen Steuermittel, welche die Cortes von Kastilien ihm für den Fall einer »portugiesischen Heirat« in Aussicht gestellt hatten. Er stellte den Engländern daher ein Ultimatum: Sofern Mary Tudor nicht umgehend zu ihm nach Spanien käme und dabei nicht zumindest eine erste Rate der vereinbarten Mitgift mitbrächte, werde er die Verlobung auf der Stelle lösen.31
Karl wartete noch nicht einmal Heinrichs Antwort ab: Schon im Oktober 1525 konnten seine Emissäre den Heiratsvertrag mit der portugiesischen Krone in seine endgültige Form bringen. Nur der Papst zögerte noch, Karl den nötigen Dispens für die Heirat seiner Cousine zu erteilen, da er Heinrich nicht vor den Kopf stoßen wollte. Gegenüber seinem Botschafter in Rom klagte der Kaiser: »Obwohl wir vom Papst einen Generaldispens erhalten haben, der es uns erlaubt, jegliche Frau eines beliebigen Verwandtschaftsgrades (außer dem ersten) zu heiraten – und diesen Dispens haben wir sowohl mit Blick auf die englische Heirat als auch auf diese hier erlangt –, behaupten sie nun, dass dieser Generaldispens nicht ausreiche angesichts unserer mehrfachen Verwandtschaft mit der illustren Infantin.« Die notwendigen Dokumente gingen schließlich erst im Februar 1526 in Spanien ein, was Karl zum Einsatz hässlicher Winkelzüge brachte, um die Hochzeit möglichst lange aufzuschieben.32 Zuerst ließ er sich viel Zeit bei der Auswahl der Höflinge, die seine Braut an der portugiesischen Grenze in Empfang nehmen sollten; dann wies er sie an, Isabella nicht nach Madrid, sondern in das weit entfernte Sevilla zu bringen – und zwar so langsam wie möglich. Erst am 3. März 1526 zog Isabella, die auf ihrer langen Reise ein Medaillon mit der Aufschrift »Aut Caesar aut nullum« getragen hatte – den Kaiser wollte sie oder keinen, sollte das heißen –, endlich in Sevilla ein. Und selbst dann musste sie noch eine ganze Woche auf die Ankunft ihres künftigen Ehemannes warten.33
Schließlich traf auch der Kaiser zum ersten Mal in der geschäftigen Metropole im Süden seines Reiches ein, wobei ihn »zahllose Schaulustige in Empfang nahmen, die aus dem ganzen Umland nach Sevilla geströmt waren, um Seine Majestät zu sehen: Manche sagen, mehr als 100 000 Menschen hätten an jenem Tag seinen Weg gesäumt«. Noch im Reisehabit und vom Staub der Straße bedeckt, eilte Karl, sobald er im Innenhof des Alcázars von Sevilla vom Pferd gestiegen war, gleich in das Gemach, in dem Isabella ihn erwartete. Er machte eine Viertelstunde lang mit seiner Verlobten Konversation, legte dann festliche Kleidung an, ließ die Brautmesse halten und lud anschließend zum Tanz. Zu guter Letzt »entfernte das Brautpaar sich«, wie ein italienischer Zeuge unverblümt berichtete, »um beieinander zu schlafen«.34
Allerdings wurde das junge Eheglück von zwei dunklen Wolken überschattet. Am Tag nach der Hochzeit erhielt der Kaiser die Nachricht von der Folter und Erdrosselung des Bischofs von Zamora, der die Comuneros unterstützt hatte. Sofort gab Karl sein Vorhaben auf, die Karwoche wie gewohnt in einem nahe gelegenen Kloster zu verbringen. Außerdem bat er den Papst um Absolution und verwies dabei auf die schrecklichen Taten, die der Bischof »während des kürzlich geschehenen Aufruhrs in diesem Königreich begangen und angeordnet hatte«. Bis zum Eintreffen des päpstlichen Sündenerlasses »besuchte er keine Gottesdienste mehr, denn er betrachtete sich selbst als exkommuniziert«.35 Reue empfand der Kaiser jedoch keine. Francisco de Los Cobos, der die Anordnung zur Folter und Hinrichtung des Bischofs erteilt hatte, versicherte dem Alkalden Ronquillo (der beides vollstreckt hatte), dass »Seine Majestät