Anfangs bemühte Franz sich, jegliche Zugeständnisse zu vermeiden. Stattdessen versuchte er, Eleonore zu verführen. Zu diesem Zwecke schrieb er ihr einen Liebesbrief, wobei er fraglos das Vorgehen des Pfalzgrafen Friedrich acht Jahre zuvor im Gedächtnis hatte. Eleonore jedoch ließ ihn höflich, aber bestimmt wissen, dass sie in Heiratsfragen – wie auch in allem anderen – stets den Anweisungen ihres Bruders folge. Auch Bestechung setzte Franz ein, bis es »im Haushalt des Kaisers kaum jemanden gab, von den höchsten Herren bis hinunter zu den Kammerdienern, den der französische König nicht bestochen hat«. Mehrmals versuchte der Gefangene zu fliehen, einmal bizarrerweise sogar, indem er sich das Gesicht schwärzte und sich als der afrikanische Sklave ausgab, der in seiner Zelle das Feuer entzündete.20 Nachdem all dies fehlgeschlagen war, verlangte Franz nach einem Notar und gab die folgende geheime Erklärung ab, die er mit seiner Unterschrift bestätigte: Falls er »wegen seiner Gefangenschaft und langen Haftzeit gezwungen sein sollte, dem Kaiser die Besitzrechte an dem besagten Herzogtum Burgund – oder irgendwelche anderen Anrechte der französischen Krone – abzutreten, so sei und bleibe dies null und nichtig, da er zu diesem Schritt mit Gewalt gezwungen worden sei«.21 Kaum hatte er dies zu Protokoll gegeben, erkrankte der König schwer.
Der Kaiser befand sich gerade bei Segovia auf der Jagd, als er einen eiligen Brief von Franz’ Ärzten erhielt, die drängten, dass, »wenn Euer Majestät ihn noch lebend antreffen will, er sich sehr beeilen« müsse. Unverzüglich ritt Karl in Richtung Madrid los, legte die rund fünfzig Kilometer in etwa zweieinhalb Stunden zurück (eine beachtliche reiterische Leistung) und eilte mit großen Schritten in die Kammer, in der Franz halb bewusstlos vor sich hin dämmerte. Der König »umfing ihn mit offenen Armen und so saßen sie wortlos für eine ganze Weile«. Schließlich sagte Karl zu Franz: »›Was ich am sehnlichsten wünsche, Herr, ist, dass Ihr gesund werdet, und wir werden uns darum kümmern; alles andere aber soll genau so geschehen, wie Ihr es wünscht.‹ Und der König antwortete: ›Nein: Ich stehe Euch zu Diensten.‹ Und dann fügte er noch hinzu: ›Was ich von Euch erbitte, Herr, ist, dass keine dritte Partei mehr zwischen uns tritt.‹« Die beiden Herrscher verbrachten etwa eine Stunde im vertraulichen Gespräch, indem sie sich bei den Händen hielten. Am Ende »sagte der König: ›Tod all denen, die jenen Streit zwischen uns getragen haben! Soll dies etwa der hässliche, geistlose Stotterer sein [von dem man mir erzählt hat]?« Und dann pries er die Klugheit und die Redegewandtheit des Kaisers.22
Franz erwartete wohl, dass dieser Austausch von Nettigkeiten geradewegs zu direkten Verhandlungen mit Karl führen würde. Sobald er jedoch wieder genesen war, begannen die Verhandlungen durch Vermittlung einer »dritten Partei« von Neuem. Als Vorbedingung für Franz’ Freilassung verlangte der Kaiser nicht nur die »Restitution« Burgunds sowie die Gründung von vier Klöstern, um »für die Seele Herzog Johanns von Burgund zu beten, der von den Franzosen ermordet wurde, obwohl ihm freies Geleit versprochen war«, sondern auch das Versprechen, Franz werde
»von all seinen Freunden und Verbündeten lassen und nur noch Bündnisse eingehen, die der Kaiser genehmigt hat. Von diesen Bedingungen abgesehen, sagen viele, der König müsse 4 Millionen in Gold zahlen und den Kaiser persönlich zu dessen Krönung begleiten; er müsse das Herzogtum Mailand dem Herzog von Bourbon überlassen, der dann nicht mehr der Krone Frankreich, sondern allein dem Kaiser Gefolgschaft schuldig sei; und er müsse den Dauphin so lange als Geisel in die Hand des Kaisers geben, bis er all seine gegebenen Versprechen erfüllt hat.«23
Karls panische Reaktion auf die Nachricht von Franz’ Erkrankung ließ aber dennoch eine entscheidende Schwachstelle erkennen, die der französische König in der Folge weidlich ausnutzte, um die an ihn gerichteten Forderungen zu reduzieren. Im November 1525 sandten die Ärzte, die Franz auch weiterhin betreuten, in aller Eile einen Kollegen zu Karl, der dem Kaiser mitteilte, Franz werde »wohl nicht mehr lange leben« – aber wie der scharfsinnige venezianische Gesandte Andrea Navagero (ganz richtig) vermutete, hatte dieses Mal »der König die Ärzte dazu gebracht, seinen Zustand viel schlimmer darzustellen, als er tatsächlich war, weil er den Kaiser dazu bringen wollte, schneller eine Vereinbarung zu treffen, indem er betonen ließ, dass er [Karl] alles verlieren würde, falls der König stürbe«.24 Schließlich beugte sich Franz den rigorosen Bedingungen, die man ihm stellte, einschließlich der Herausgabe Burgunds, aber nur unter zwei Bedingungen: Erstens verlangte er die sofortige Erlaubnis, nach Frankreich zurückkehren zu dürfen, da – wie er behauptete – nur seine persönliche Anwesenheit seine Untertanen dazu bringen konnte, die gefordeten Gebietsabtretungen zu akzeptieren; und zweitens bestand er darauf, Eleonore zur Frau zu nehmen.
Anfänglich lehnte der Kaiser beide Bedingungen ab, indem er erklärte, seine Bevollmächtigten müssten zuerst Burgund in Besitz nehmen, bevor er Franz freilassen könne – und Eleonore habe er bereits dem Herzog von Burgund versprochen. Daraufhin wiederholte Franz in einer wahren Flut von eigenhändigen Briefen an den Kaiser seine Einwände, manchmal mit Sarkasmus (»einige dieser Bedingungen sind von der Art, wie sie zu Schreiberlingen und Geldverleihern passt, aber doch nicht zu Edelleuten«), manchmal auch mit Vorwürfen (»die schönen Worte, die Ihr während meiner Krankheit zu mir spracht, haben zu nichts geführt«). Er stellte Karl indes auch ein Ultimatum: »Wenn Ihr vorhabt, mich ewig gefangen zu halten, und wenn Ihr Unmögliches verlangt«, warnte Franz, »so will ich die Kerkerhaft gelassen ertragen, weil ich gewiss sein kann, dass Gott (der weiß, dass ich dies nicht verdient habe, denn ich bin ja ein rechtmäßiger Kriegsgefangener) mir die Kraft verleihen wird, auch dies geduldig durchzustehen.« Also unterzeichnete Franz offene Briefe, die zur Proklamation seines ältesten Sohnes zum König von Frankreich ermächtigten, und ließ Karl eine Liste mit den Namen von sechzig Bediensteten zukommen, die sein ständiges Gefolge bilden sollten, solange er sich noch in Haft befand.25 Eine derartige Entschlossenheit überzeugte den Kaiser, dass er Franz unverzüglich freilassen musste; als einzige Bedingung sollte dieser seine beiden älteren Söhne als Geiseln an Karl überstellen, bis Burgund tatsächlich in habsburgischer Hand war. Auch musste Karl feststellen, dass seine Schwester durchaus lieber Königin von Frankreich als Herzogin von Bourbon werden wollte – und das, obwohl »jedermann [wusste], dass der König von Frankreich sich eine Geschlechtskrankheit zugezogen hat«. Also nahm der Kaiser es auf sich, in einem unangenehmen persönlichen Gespräch den Herzog davon zu überzeugen, dass er von seinem Anspruch auf Eleonores Hand zurücktrat.26
Gattinara sprach sich vehement gegen alle diese Zugeständnisse aus, indem er seinen Herrn daran erinnerte, dass »die Könige von Frankreich dem Haus Burgund gegenüber noch niemals ihre Versprechen gehalten haben«. Er prophezeite, dass auch Franz »keines seiner Versprechen halten, sondern vielmehr behaupten werde, als Gefangener zu seinem Handeln gezwungen worden zu sein«. Auch wies der Kanzler darauf hin, dass Eleonore – da weder Karl noch Ferdinand bislang legitime Nachkommen gezeugt hatten – ihrer beider Erbin sei und Franz daher »wegen solch einer Frau« unter Umständen das gesamte Habsburgerreich erwerben könnte (ganz ähnlich, wie Karls Vater Philipp iure uxoris, nämlich durch