Der Kaiser. Geoffrey Parker. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Geoffrey Parker
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806240108
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er zu, um Gott Lob und Dank zu sagen und für die Toten zu beten, da der Sieg ja gegen andere Christen errungen worden war«; und am Tag darauf »begab er sich, nachdem er die Beichte abgelegt und die heilige Kommunion empfangen hatte, in die Kirche Unserer Lieben Frau von Atocha, wo er verkündete, dass dieser Sieg von Gott gekommen sei, nicht von ihm selbst, damit jedermann noch geneigter wäre, dafür Dank zu sagen.« Gegenüber dem englischen Gesandten Richard Sampson äußerte der Kaiser, dass

      »er die Gnade, die Gott erwiesen hatte, für umso größer erachte, als sie nicht durch irgendein Verdienst seiner selbst erworben, sondern unmittelbar der göttlichen Güte entsprungen sei. Er schätze sie aus drei Gründen so hoch: erstens, weil ihm dadurch gewiss geworden sei, dass die Gnade Gottes auf ihm ruhe; zweitens, weil ihm nun die Möglichkeit gegeben sei, endlich sein beständiges Verlangen nach einer Befriedung der ganzen Christenheit unter Beweis zu stellen; und drittens, weil er nun seinen Feinden Gnade erweisen und jenen eine zweite Chance gewähren könne, die ihm Schaden zugefügt hatten, und weil er seine Freunde und Getreuen belohnen könne, die ihm gut gedient hatten.«

      Sampson leitete diese Äußerung von Mäßigung und Bescheidenheit in einem langen Brief an Kardinal Wolsey weiter – zweifellos, um in Erfahrung zu bringen, ob sein Herr und Meister bei seiner kürzlich getroffenen Entscheidung bleiben wollte, sich vom Kaiser abzuwenden und stattdessen ein Bündnis mit Frankreich zu schließen. Hoffnungsfroh fügte er die Worte Karls hinzu, dass

      »dieser Sieg eher seinen Freunden zum Vorteil gereichen solle als ihm selbst … Und mit demütigen Worten dankte er Gott und sagte, er bete täglich darum, dass Gott ihm die nötige Gnade gewähren möge, um gut zu regieren und seinen bestehenden Besitz wohl zu verwalten. Und was seine Feinde betreffe, so sollten diese deutlich sehen, dass … ihm daran gelegen sei, sich derart maßvoll zu betragen, dass auch nicht die geringste Absicht zur Grausamkeit, nicht das leiseste Sinnen auf Rache bei ihm gefunden werden könne.«3

      Diese Demut war reine Maskerade. Niemals vergaß oder vergab Karl eine erlittene Schmach, wie Jean Glapion ja schon festgestellt hatte; und was das »Sinnen auf Rache« betraf, so hatte der Kaiser bereits detaillierte Pläne geschmiedet. Bereits nach den ersten militärischen Erfolgen des Jahres 1521 hatte Karl seine Diplomaten angewiesen, gleich zu Beginn von Gesprächen mit der französischen Seite »die Einzelheiten unserer Ansprüche aufzuführen, die sich aus allen alten Streitigkeiten im Reich ergeben, und dazu auch jene, die Kastilien, Aragón, Navarra, Sizilien und Burgund betreffen« – mit anderen Worten wollte der Kaiser also sämtliche Territorien wieder unter seine Herrschaft bringen, über die einst seine Vorfahren geherrscht hatten.4 Diese Ziele hatten sich nicht geändert. Im Februar 1525, als Karl gerade erfahren hatte, dass der Papst und die Venezianer sich mit dem französischen König gegen ihn verbündet hatten, beschied er einigen Höflingen:

      »Ich rechne mit Hiobsbotschaften aus Mailand und Neapel, aber es schert mich nicht im Geringsten. Ich werde nach Italien ziehen, und dort werde ich bessere Gelegenheit haben, mein Eigen zu verteidigen und an denen Rache zu nehmen, die sich mir in den Weg gestellt haben – vor allem an diesem Schuft (villaco), dem Papst. Wer weiß, vielleicht wird sich eines Tages herausstellen, dass Martin Luther doch das Richtige getan hat.«

      »Das waren bemerkenswerte Worte«, hielt ein Botschafter fest, »denn sie kamen aus dem Mund des Kaisers, dessen Rede üblicherweise sehr zurückhaltend ist«.5 Eine ähnlich unbeherrschte Bemerkung machte Karl gegenüber seinem eigenen Botschafter beim Heiligen Stuhl, dem Herzog von Sessa. Diesem erklärte er, dass trotz der Entscheidung der Venezianer und des Papstes, sich mit Frankreich zu verbünden,

      »wir die nötige Unterstützung für unsere Truppen weder jetzt vernachlässigen noch je vernachlässigen werden, und mit Gottes Hilfe werden wir, um dieses Vorhaben endlich zu einem guten Ende zu bringen, die Mittel und Ressourcen aller unserer Königreiche und Territorien darauf verwenden, ja wir werden sogar die Sicherheit unserer eigenen Person nicht schonen, wenn es nötig ist, sodass die Franzosen zwar versuchen werden, uns mit ihren üblichen Listen in die Irre zu führen; unsere Freunde und Verbündeten jedoch werden feststellen, dass unsere Stärke keineswegs geschmälert sein wird. Nein, im Gegenteil: Wir werden ein harter Gegner sein, ganz wie zuvor.«

      Dann versicherte er noch einmal – zweifellos, um den Papst ein wenig einzuschüchtern –, dass »angesichts der Manier, in der Seine Heiligkeit uns behandelt, nun nicht der Zeitpunkt ist, sich mit der Lutherfrage auseinanderzusetzen«.6

      Die Siegesnachricht aus Pavia stärkte Karls Selbstbewusstsein in hohem Maße. In den ersten Briefen, die er unmittelbar darauf an seine führenden Minister richtete, um ihnen die frohe Kunde mitzuteilen, führte er den Sieg noch ganz auf das Walten der göttlichen Vorsehung zurück – aber bald bemerkte er, dass dieser Sieg ja zugleich an seinem eigenen Geburtstag errungen worden war, als ob auch dies ein Werk der Vorsehung gewesen wäre. In einer offiziellen Darstellung der Geschehnisse, die Gattinaras Sekretär Alfonso de Valdés verfasste und die auf Anweisung von Karls Kronrat gedruckt wurde, heißt es, der Ausgang der Schlacht bei Pavia – geschlagen zu einem Zeitpunkt, als »all die Freunde und Verbündeten, auf die [Karl] sich immer verlassen hatte, untätig blieben, ja einige sich sogar gegen ihn stellten« – zeige ganz deutlich, dass Gott »ihm den Sieg verliehen hat, wie er es mit Gideon in seinem Kampf gegen die Midianiter tat«. Insbesondere, schrieb Valdés voller Begeisterung, »hat Gott dem Kaiser diesen Sieg auf wundersame Weise gewährt, nicht nur, damit dieser die Christenheit verteidigen und sich der Türkenmacht entgegenstellen könne«, sondern auch,

      »damit er nach dem Ende dieser Bürgerkriege (und so sollten wir sie nennen, da sie ja unter Christen wüten) … die Türken und Muselmanen in ihren eigenen Ländern aufsuche und – indem er unseren heiligen katholischen Glauben verherrlicht, wie es schon seine Vorfahren taten – das Reich von Konstantinopel und die Heilige Stadt Jerusalem zurückerobere, die unserer Sünden wegen besetzt sind, auf dass (wie viele schon geweissagt haben) unter diesem allerchristlichsten Herrscher jedermann unseren heiligen katholischen Glauben annehme und die Worte unseres Erlösers erfüllt werden mögen: ›Nur eine Herde und einen Hirten soll es geben!‹ [vgl. Joh 10,16]«7

      Um die »Bürgerkriege« zu beenden und damit den Auftakt zu jenen anderen hochgesteckten Zielen zu geben, sahen Karls Minister zwei Optionen: Entweder konnte der Kaiser in Absprache mit Heinrich VIII. die Eroberung und Aufteilung Frankreichs in Angriff nehmen, so wie sie es in ihrem »Großen Vorhaben« anvisiert hatten, oder er konnte Franz im Alleingang dazu zwingen, seine Freiheit mit erheblichen territorialen Zugeständnissen zu erkaufen. Der Herzog von Bourbon favorisierte die erste Option und versprach Heinrich, dass er ihm »die Krone von Frankreich auf das Haupt setzen werde, und zwar schon bald; und dass inzwischen schon mit 100 000 Kronen mehr zu deren Erlangung getan werden könne, als zuvor mit 500 000 Kronen möglich gewesen wäre, weil eben der König [Franz] und die meisten seiner adligen Gefolgsleute und Heerführer entweder gefangen oder gefallen waren«.8 Andere sprachen sich für die zweite Option aus. Als er von dem überraschenden Sieg bei Pavia erfahren hatte, mahnte Karls Botschafter in Rom seinen Herrn (ganz ähnlich, wie es auch Lannoy getan hatte): »Ihr habt nun keine Zeit zu verlieren: Ordnet alles Nötige an«, um den Franzosen größere Zugeständnisse abzuzwingen. Ferdinand pflichtete bei: Sein Bruder solle »sein Glück nun nutzen und sicherstellen, dass weder der jetzige König von Frankreich noch seine Nachfolger jemals die Stärke haben werden, Euch oder Euren Nachfolgern gefährlich zu werden«. Insbesondere solle Karl »das Schicksal des Hannibal vermeiden, das jener erlitt, nachdem er die Römer bei Cannae vernichtend geschlagen hatte«, – und die beste Art, dies zu tun, fuhr Ferdinand fort, war es, dem König von Frankreich »einige Federn aus seinen Schwingen zu rupfen, sodass er nicht mehr fliegen kann, wie sehr er sich auch anstrengt, und dann können der Kaiser und seine Nachfolger sicher sein, sich eines ewigen Friedens zu erfreuen«.9

      Gattinara stimmte zu und berief sich dabei auf denselben antiken Präzedenzfall, wie Ferdinand es getan hatte: »Man wird von Euch sagen, was man über Hannibal gesagt hat: Ihr wisst Schlachten zu gewinnen, aber Ihr wisst Eure Siege nicht auszunutzen.«10 Deshalb unterbreitete der Kanzler Karl und seinem Rat zwanzig konkrete Vorschläge dazu, wie man dem gallischen Hahn »einige Federn aus seinen Schwingen rupfen« konnte. Zunächst sei es absolut notwendig, Franz weiterhin