„Seite 8 sprechen Sie den Entschluß aus, die Regierung zur Aktion zu veranlassen. Das überschreitet an sich Ihren verfassungsmäßigen Beruf. Aber Sie fügen ausdrücklich hinzu: zu einer Aktion nicht nach dem Ermessen der Exekutivgewalt, sondern zu einer von Ihnen bestimmten Aktion, deren Ziele klar von Ihnen vorgeschrieben werden. Nun, wenn es irgendeinen Anspruch gibt, der Krone die ihr verfassungsmäßig zustehenden Rechte der Exekutive aus den Händen zu winden, so ist er in diesen Worten so klar ausgesprochen, wie es irgend sein kann.“ …
… „Sie fordern auf Seite 15, daß der König auf Ihr Geheiß einen Eroberungskrieg führe, um Schleswig für den Herzog von Augustenburg zu gewinnen. Mit einem Worte, meine Herren, wenn man Ihr Vertrauen erwerben soll, so muß man sich Ihnen in einer Weise hingeben, wie es für die Minister des Königs von Preußen nicht möglich ist. Wir würden dann nicht königliche Minister, wir würden Parlamentsminister, wir würden Ihre Minister sein, und dazu, das hoffe ich zu Gott, werden wir nicht kommen.“
… „Meine Herren! Sie widersprechen durch Ihr Verhalten nicht nur der Verfassung, sondern auch den Traditionen und der Geschichte, Sie widersprechen dem Volksgeist Preußens. Der Volksgeist Preußens ist durch und durch monarchisch, Gott sei Dank! Und dabei wird es auch trotz Ihrer Aufklärung, die ich Verwirrung der Begriffe nenne, bleiben. Sie widersprechen den ruhmvollen Traditionen unserer Vergangenheit, indem Sie die Stellung, die Großmachtsstellung Preußens, welche durch schwere Opfer an Gut und Blut des Volkes erkämpft wurde, desavouieren und damit der glorreichen Vergangenheit des Landes, indem Sie in einer Machtfrage zwischen der Demokratie und den kleinen Staaten auf der einen und dem preußischen Thron auf der andern Seite, für die erstgenannte Seite Partei nehmen. Indem Sie auf diese Weise dahin streben, Preußen unter eine Bundesmajorität zu mediatisieren, thun Sie, was Sie uns toto die vorwerfen. Sie setzen den Parteistandpunkt über die Interessen des Landes; Sie sagen: ‚Preußen mag bestehen, wie wir es wollen, oder, wenn nicht, so mag es zu Grunde gehen.‘ Sie fühlen – und gerade diese Resolution19 beweist es mir mehr als jedes andere – Sie fühlen und denken nicht wie das preußische Volk.“ …
… „Meine Herren! Fühlte das preußische Volk, wie Sie, so müßte man einfach sagen, der preußische Staat habe sich überlebt und die Zeit sei gekommen, wo er anderen historischen Gebilden Platz zu machen habe. So weit sind wir aber noch nicht. Ich erinnere Sie an eine Anekdote, die in früheren Zeiten bei der Grundsteuerverhandlung in diesen Räumen häufig citiert wurde. Es ist das Schreiben König Friedrich Wilhelms I. an ein Mitglied der ostpreußischen Stände bei Einführung der Grundsteuer. Er sagt darin, wenn ich mich der Worte richtig erinnere:
„Was ich ruiniere, das ist das nie pozwalam20 der Junker; Ich etabliere die souveraineté comme un rocher de bronze.“
Meine Herren! Der rocher de bronze steht noch heute fest; er bildet das Fundament der preußischen Geschichte, des preußischen Ruhms, der preußischen Großmacht und des verfassungsmäßigen Königtums. Diesen ehernen Felsen werden Sie nicht zu erschüttern vermögen durch Ihren Nationalverein, durch Ihre Resolution und durch Ihr liberum Veto!“
Die Ablehnung der Anleihe wurde mit 275 gegen 51 Stimmen beschlossen, die Resolution Schulze aber angenommen.
Das vom Kriegsminister vorgelegte Wehrdienstgesetz zogen die Abgeordneten gar nicht in Beratung und strichen, ebenso wie das frühere Haus im Jahre 1862, die durch die Heeresreform verursachten Kosten im Etat.
Infolgedessen wurde das Etatsgesetz vom Herrenhause wieder verworfen und der Landtag am 25. Januar geschlossen.
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Einen Aufschub der Feindseligkeiten zu erreichen, bemühten sich die Westmächte vergeblich. Kaiser Napoleon verhielt sich ablehnend gegenüber wiederholten Anträgen Englands auf gemeinschaftliche materielle Unterstützung Dänemarks. Infolgedessen ging auch England über die Linie moralischen Beistandes nicht hinaus.
Am 1. Februar überschritten die verbündeten Truppen die Eider. Nach mehreren Gefechten mit den tapferen, aber an Zahl schwächeren und militärisch weniger durchgebildeten Feinden, Gefechten, bei denen die österreichischen Truppen sich vorzüglich zu bewähren Gelegenheit hatten, kam man bis an die Grenze Jütlands. Hier aber wurde durch den König Halt geboten, weil man in Oesterreich besorgte, durch Ueberschreiten der schleswigschen Grenze die Westmächte zu thätigem Eingreifen zu reizen. General Edwin Manteuffel ging, von Bismarck mit ausführlichen Instruktionen versehen, in königlicher Spezialmission nach Wien. In mehrtägigen Verhandlungen gelang es ihm, die obwaltenden Bedenken abzuschwächen. Er vermochte der Ansicht Geltung zu verschaffen, daß es zu schneller Beendigung des Krieges unerläßlich sei, dem Feinde die aus dem weiten jütländischen Gebiete fließenden Hilfsquellen zu verschließen.
Demnach wurde im März trotz tapferster Gegenwehr der Dänen der größte Teil Jütlands besetzt, im April aber die an der Ostküste Schleswigs belegene stark befestigte Stellung von Düppel nach mehrwöchentlicher Belagerung erstürmt.
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Der König fuhr am 21. April nach Flensburg, um die siegreichen Truppen zu begrüßen. Bismarck folgte ihm wegen eines eiligen Vortrages am 22. und nahm mich mit.
Heller Sonnenschein lag auf der bräunlichen Heide, über welche der Zug von Schleswig nach Flensburg fuhr. Bismarck ließ während der ganzen Fahrt die Cigarre nicht ausgehen und sprach im Ganzen wenig. Einmal aber sagte er halblaut:
„Es ist nicht leicht zu begreifen, weshalb eigentlich die Oesterreicher mit uns hierhergekommen sind, wo sie doch nicht bleiben können. Diplomatisch waren sie allerdings seit Jahren gegen Dänemark engagiert; sie haben es mehrere Male nachdrücklich aufgefordert, den Londoner Vertrag zu erfüllen. Aber das militärische Zwangsverfahren hätten sie uns allein überlassen können. Vielleicht ist es dem Kaiser ganz erwünscht gewesen, einem Teil seiner Truppen eine gute Gelegenheit zu geben, sich in einem Winterfeldzug als kriegstüchtig zu bewähren. Vielleicht hat der hohe Herr auch Vertrauen zu unsrer konservativen Politik; ich kann mir nicht denken, daß das parlamentarische Getreide der Mittelstaaten ihm sympathisch ist. Das Hauptmotiv aber des österreichischen Mitgehens wird wohl die Besorgnis gewesen sein, daß wir in Deutschland zu mächtig werden würden, wenn wir allein die dänische Sache zum Austrage brächten. Unsere Stellung den Mächten gegenüber wäre freilich schwierig geworden, wenn wir allein die Campagne übernahmen. Zur Vermeidung von Interventionsversuchen war es von großem Wert, daß österreichische Truppen mit den unsern marschierten. Aber es war schwer zu erreichen, daß sie nach Jütland hineingehen durften – Edwin hat sich da mit Ruhm bedeckt – und solche Schwierigkeiten können bei jedem weiteren Schritte wiederkommen. Bis jetzt haben wir unsere Bundesgenossen wie an einem dünnen Faden mit uns gezogen; aber der Faden kann auch einmal reißen.“
In Flensburg wurde übernachtet bei einem liebenswürdigen Rechtsanwalt Namens Schulz, der dem Minister sehr gut gefiel.
Am andern Morgen besuchten wir die Schanzen auf der Höhe von Düppel, deren Böschungen im Süden nach einer breiten Meeresbucht, im Osten nach dem Alsensund sanft abfallen. Bekannte Offiziere berichteten über die in drei Stunden vollbrachte Erstürmung aller Festungswerke.
Zwei Thaten Einzelner schienen dem Minister besonders denkwürdig.
Der Pionier Klincke hatte, um in dem Palissadenwalle eine Oeffnung zu schaffen, durch Anzünden eines Pulversackes sich selbst mit einigen Palissaden in die Luft gesprengt.
Hauptmann Stöphasius vom Magdeburgischen Artillerieregiment war so schnell in eine große Mine eingedrungen, daß er dem dänischen Feuerwerker, der gerade das Pulver entzünden wollte, die Lunte entreißen konnte.
Alle Eindrücke, die Bismarck bei Flensburg aus militärischen Kreisen erhielt, erfrischten ihn und bestärken seinen Glauben, daß die seit 1860 in der Armee eingeführten Verbesserungen schon in diesen wenigen Jahren die Leistungsfähigkeit der organisierten Truppenkörper wie des einzelnen Mannes bedeutend erhöht hätten.
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