Die melodiöse letzte Sonate (in B) war ihm an mehreren Abenden in Versailles angenehm und nervenberuhigend, doch bemerkte er, der letzte Satz stände nicht auf der Höhe der drei anderen.
Mendelssohn hörte er immer gern, wenn auch nicht so gern wie Beethoven und Schubert. Nach dem Präludium in e-Moll (36, Nr. 1) sagte er einmal (1867): „Dem Manne geht es aber wirklich sehr schlecht.“
Beim Hören des Capriccio in E (33, Nr. 2) sagte er (1855): „Stellenweise klingt das wie eine vergnügte Rheinfahrt; an anderen Stellen aber glaube ich einen im Walde vorsichtig trabenden Fuchs zu sehen.“
Von Schumann spielte ich die populäre Hälfte der „Symphonischen Etüden“ und mehrere andere Stücke; er hörte alle gern, ohne jedoch darüber mehr zu sagen als mitunter: „sehr hübsch.“
Von Chopin hörte er lieber die leidenschaftlich bewegten als die träumerischen Stücke. Nach dem Präludium in cis-Moll (ohne Opuszahl), welches viele unerwartete Modulationen bringt, sagte er (1855): „Das klingt ja oft so, als ob ich einem Raucher sagen wollte: Befehlen Sie vielleicht eine Ci- … trone muß man zum Lachs haben.“
Ueber die im Baß donnernde Etüde in c-Moll (10, Nr. 12) sagte er 1853: „Wirklich magnifique.“
Brahmssche Klaviermusik spielte ich vor 1872 noch nicht; vermutlich hat er diesen Meister nicht kennengelernt.
Auch mit Wagners Musik war ich damals leider noch nicht vertraut. Daß Bismarck die ersten Werke des Meisters – vermutlich in der Frankfurter Zeit – kennengelernt hat, erfuhr ich erst durch die „Bayreuther Blätter“, welche im Juli d. J. folgenden an denselben gerichteten Brief brachten:
Versailles, 21. Februar 1871.
„Hochgeehrter Herr!
Ich danke Ihnen, daß Sie dem deutschen Heere ein Gedicht gewidmet und daß Sie mir dasselbe haben überreichen lassen. So sehr ich mich geehrt fühle, daß Sie dieses vaterländische Gedicht, wie mir gesagt wird, für mich allein bestimmen, so sehr würde ich mich freuen, es veröffentlicht zu sehen.
„Auch Ihre Werke, denen ich von jeher mein lebhaftes, wenn auch zuweilen mit Neigung zur Opposition gemischtes Interesse zugewandt, haben nach hartem Kampfe den Widerstand der Pariser überwunden, und ich glaube und wünsche, daß denselben noch viele Siege, daheim und draußen, beschieden sein werden.
„Genehmigen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung. v. Bismarck.“
In Berlin hat Bismarck als Minister das Opernhaus meines Wissens nie besucht, Wagners spätere Schöpfungen daher vermutlich nicht kennengelernt.
Diese Erinnerungen darf ich mit der Bemerkung abschließen, daß, wenn der Reichskanzler musikempfänglich geblieben wäre, wie er es als Gesandter, Minister und Bundeskanzler war, ich 1872 nicht ins Ausland gegangen sein, sondern als eine wichtige Lebensaufgabe betrachtet haben würde, zur gemütlichen Erfrischung des großen Mannes dauernd beizutragen, wie es mir eine Reihe von Jahren vergönnt gewesen ist.
IV.
Petersburg.
1859 bis 1862.
Im Januar 1859 wurde Bismarcks Versetzung nach Petersburg entschieden. Ohne von den Intrigen etwas zu wissen, welche bezweckten, Usedom nach Frankfurt zu bringen, schrieb ich an Frau von Bismarck, daß ich diese Versetzung als ein sehr glückliches Ereignis begrüße. Es schiene mir, ihr Gemahl wäre lange genug in Frankfurt gewesen, um die deutschen Verhältnisse so gründlich als nur möglich kennenzulernen; in Petersburg würde er engere Fühlung gewinnen als irgendjemand vor ihm und das könne gerade für unsre deutsche Politik sehr nützlich werden.
Frau von Bismarck antwortete (26. Februar):
… „Bismarck ist zuerst in Berlin vor Aerger krank geworden, weil man alles so hinterrücks abgemacht hatte, aber er denkt jetzt auch, daß er sowohl hier wie in Berlin gar nichts nützen kann und in Petersburg sowohl politisch wie persönlich beim Kaiser eine sehr angenehme Stellung haben wird. Das ist sein und mein Trost! Und was Sie darüber denken, ist ihm natürlich wieder aus der Seele gesprochen.“
Frankfurt, 30. März 1859.
… „Uebermorgen werden Sie mit vieler Herzenstreue und Liebe an meinen allerbesten Schatz denken und an mich, die zum ersten Male seit 12 Jahren diesen Tag ohne ihn verleben muß – zwölf Jahre haben wir in unaussprechlichem Glück zusammen verlebt – die kleinen Wolken, die sich ’mal hin und wieder erhoben, sind gar nicht zu rechnen, wenn ich all’ die Freude, all’ denSegen, all die Liebe darüberlege, mit der der Herr uns so überreich erquickt – wirklicher Schmerz ist nur gewesen wenn wir getrennt waren …
„Am 25ten hat Bismarck von Kowno gesund und heiter so geschrieben: 11 Uhr abends. Von Königsberg Schneegestöber bis hier, Alles weiß, 2‒7° – Eis. Auf 32 Meilen 28 Stunden mit Courrier-Pferden gefahren, in Preußen und Rußland gleich schlecht. Eben bei schöner klarer Winternacht über Riemen gesetzt. Alte Stadt, Flußufer bergig, hübsch beleuchtet von Sternen, Schnee und Hauslichtern; schwarzes rauschendes Wasser, breit wie Elbe. Russen sehr liebenswürdig, aber schlechte Pferde, manchmal gar keine. Hier wollen wir 4 Stunden schlafen, dann weiter nach Dünaburg.
Diesen Strudelwitz-Prudelwitz-Zettel bekam ich eben“.
Frankfurt, 5. April.
… „Nach 108 Stunden ununterbrochener Reise von Königsberg ist Bismarck den 29. morgens glücklich in Petersburg angelangt – viel Abenteuer erlebt mit stürzenden Pferden, Flußübersetzungen, Schneesteckenbleiben, 12° Kälte, Russisch-Lernen, u. s. w. – aber es ist doch alles sehr gut überstanden, Gott sei Dank, und er nun für’s Erste im Hotel Demuth etabliert“ …
Frankfurt, 5. Mai.
… „Von Bismarck hatte ich gestern einen herzlieben Brief. Er hat ein wundervolles Quartier gemiethet unweit der Newa, mit Aussicht auf Schiffsverkehr und Stadt und fernhin einen Schatten von Wald und Hügel … Er ist: zufrieden, ich also auch – er arbeitet Tag und Nacht und wird geliebt von Kaiser und Kaiserin wie ein verwandtes Wesen. Gott segne sein Thun und Denken.“ …
Wiesbaden, 12. August 1859.
… „Bismarck hatte mir von Petersburg geschrieben, er wäre an rheumatischen Leiden erkrankt und wiederhergestellt. Es war aber dabei vieles liebevoll verschwiegen. Man hat ihn in Petersburg ärztlich schändlich mißhandelt mit Kuren (inneren und äußeren), von denen kein vernünftiger Mensch eine Idee hat. Die Berliner Aerzte konnten sich gar nicht beruhigen über solch’ förmlich wahnsinniges Verfahren und nannten es Gottes Wunder, daß er dabei am Leben geblieben! – Er reiste ganz elend ab, nachdem das verrückte Doktor-Volk ihn so weit gebracht, daß sie dringend Luftveränderung anempfahlen. Durch die Reise wurde er natürlich viel schlimmer und war in Berlin jämmerlich elend, ganz gebrochen, lahm, nervös bis zum Aeußersten, Fieber bis zu 115 Schlägen in der Minute, völlig theilnahm- und gedankenlos, matt und schwach zum Umsinken. Von Reinfeld war ich ganz lustig abgefahren (telegraphisch von ihm bestellt), weil ich glaubte, ich wäre ihm wegen Besorgungen nützlich und nun fand ich ihn in dem jammervollen Zustande! – Die Doktors sprachen dringend von Wiesbaden sobald als möglich – ich konnte nicht mehr zurück, meine geliebten Kinder zu sehen, und mußte mit meinem armen lieben Otto hierher in’s alte heiße Bad – worüber er so niedergeschlagen war, daß ich alle meine Kinder-Sehnsucht verbiß und nur fröhlich sein wollte, um zu scheuchen, was ihn trüb machte.
„In Berlin hat er 14 Tage ausdauern müssen, lag fest im Bett ohne Rücken und Rühren, dann einige Stunden auf dem Sofa, dann ein bisschen Ausfahren und dann gleich hierher …
„Die Bäder und Brunnen stärken ihn täglich mehr, so daß er jetzt schon einmal um den Teich herum riskieren kann, freilich am Stock und ziemlich steif, aber es geht doch und wir finden Wunder was für Vergnügen an diesem Spaziergang! Unser