Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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aus Oesterreich die ganze Armee mobilgemacht; in Olmütz aber (28. November) verzichtete Manteuffel, Schwarzenberg gegenüber, sowohl auf den Schutz von Kurhessen als auf die Unionsverfassung.

      Die dort in Aussicht genommenen Dresdener Konferenzen führten, wie zu erwarten gewesen, zur Herstellung des Bundestages in Frankfurt.

      Man hat Radowitz mitunter verdächtigt, das Endziel seiner Politik sei gewesen, das schlecht gerüstete Preußen von Oesterreichs damals weit überlegenen Streitkräften überwinden zu lassen, um den Machtbereich der katholischen Kirche zu erweitern. Er war aber doch nur ein Träger der Politik des Königs, des Prinzen von Preußen und eines Teiles der Staatsminister. Die große Mehrheit der Abgeordneten ersehnte die Unionsverfassung, und Vincke würde ebendahin gesteuert haben, wenn der König ihn zur Leitung der bezüglichen Verhandlungen berufen hätte.

      Ich würde jene Verdächtigung unerwähnt lassen, wenn nicht Fürst Bismarck in seinen „Gedanken und Erinnerungen“ (Band I S. 64) eine solche Möglichkeit, allerdings nur hypothetisch, angedeutet hätte.

      Was diesen Zweifel an Radowitz’ Patriotismus veranlaßt hat, ist mir nicht bekannt geworden; dagegen kann ich bekunden, daß Bismarck in Petersburg, im März 1862, über dessen Bestrebungen mit Anerkennung geurteilt hat. Bei einem kleinen Diner sagte er, in Gegenwart des Gesandtschaftspersonals und einiger Gäste, daß, wenn er im Jahre 1849 die jetzt, seit 13 Jahren, gewonnene politische Erfahrung gehabt hätte, er Radowitz unterstützt haben würde. Denn ein Parlament wäre geeignet, die Sonderbestrebungen der kleinen Fürsten einzuschränken. Allerdings hätte die unerläßliche Voraussetzung dieser Politik der Nachweis eines befriedigenden Zustandes unserer Armee sein müssen. Die Annahme, daß Oesterreich sich ohne Kampf aus Deutschland würde verdrängen lassen, sei ein unbegreiflicher Irrtum gewesen, welchen indes auch Personen leitender Kreise sowie die große Mehrzahl der Abgeordneten geteilt hätten.

      Bismarck war demnach schon im Frühjahr 1862 mit dem Zukunftsbilde des deutschen Reichstages vertraut.

      Anfangs Dezember 1850 erhielt ich die Nachricht von der Olmützer Verständigung in einem Dorfe an der sächsischen Grenze, wohin ich mit einem Landwehr-Kavallerie-Regiment marschiert war. Das Regiment erschien mir trotz besten Willens der Leute keineswegs kriegstüchtig, und ich war daher zufrieden, daß es nicht zum Schlagen kam.

      Einige Tage später schrieb mir ein Berliner Freund, Bismarck habe am 3. Dezember in meisterhafter Weise die undankbare Aufgabe gelöst, die Olmützer Abmachungen zu verteidigen, ohne unsere militärische Schwäche einzugestehen.

      Nach Neujahr schrieb Frau von Bismarck mir aus Reinfeld, daß ihr Gemahl – wie durch die „Gedanken und Erinnerungen“ jetzt allgemein bekannt geworden ist –, nachdem er vom Kriegsminister über den völlig ungenügenden Stand unserer Streitkräfte unterrichtet worden war, unablässig für Verständigung mit Oesterreich gearbeitet habe. Das Weihnachtsfest hätten sie dann im Familienkreise „in seligem Jubel“ verlebt.

      * * *

      Ich wurde erst im Frühjahr 1851 vom Regiment entlassen und bald darauf als Assessor bei der Regierung in Potsdam angestellt. Bismarck vor seiner Ernennung nach Frankfurt persönlich zu begrüßen, fand ich keine Gelegenheit. Die Familie war wegen Krankheiten der Kinder den ganzen Winter in Reinfeld geblieben.

      Im Mai 1852 kam Kaiser Nikolaus nach Potsdam. Die Offiziere seines Brandenburgischen Kürassier-Regiments, zu dem ich damals auf 4 Wochen kommandiert war, wurden eines Abends in Sanssouci vorgestellt. Auch Bismarck kam dorthin, aber etwas später als das Offizierkorps, und stand zufällig kurze Zeit hinter mir, ohne mich zu erkennen. Beim Vortreten sagte er: „Der starke Haarwuchs Ihres Hinterkopfs hat mich einige Minuten lang beschäftigt. Ich sagte mir, da ist nichts vom Garde-Pli zu erkennen. Das ist ein Mann, den der Kommißdienst langweilt. Er widmet sich ernsten Studien und wird wohl einmal im Generalstabe endigen. Nun ich Sie erkenne, muß ich wohl sagen: in einem Ministerium.“

      Allerdings langweilten mich meine Geschäfte bei der Bezirksregierung, weil ich sie vernachlässigte. Meine Studien aber waren damals nur auf die Musik gerichtet. Sehr viele Zeit verwendete ich auf Vorbereitung und Leitung von Chor- und Orchesteraufführungen; Hochgenüsse, zu welchen ein Dilettant nur in einer kleineren Stadt Gelegenheit finden kann.

      Im folgenden Jahre beschloß ich, Paris und Rom zu besuchen mit dem Vorsatz, zu prüfen, ob der Dienst bei den Gesandtschaften weniger langweilig wäre als bei der inneren Verwaltung. Herr von Usedom, damals Gesandter in Rom, hatte mir gelegentlich in Berlin versprochen, er würde mich alle seine Berichte über die italienischen Ereignisse von 1846 ab lesen lassen. In Paris hoffte ich durch einen mir bekannten Sekretär einige Kenntnis der dortigen Geschäfte zu erhalten. An Frankfurt dachte ich für diese Untersuchung nicht; dort wollte ich nur auf der Durchreise einen Tag verweilen. Ich schrieb an Frau von Bismarck nach Reinfeld, um zu erfahren, ob sie und ihr Gemahl Anfangs November in Frankfurt sein würden. Die Antwort lautete:

      „Sie gedenken also, im Spätherbst eine größere Reise zu unternehmen und beider Gelegenheit auch uns zu besuchen? Dazu freuen wir uns recht von Herzen und bitten, daß Sie jedenfalls bei uns wohnen, wenn Sie kommen. Wir haben zwar kein sehr schönes, aber ein recht geräumiges Haus, ganz nahe an den Bahnhöfen, und Sie können völlig ungeniert mit und bei uns leben. Bitte, nehmen Sie dies Anerbieten gewiß an.

      „Sie fragen nach meiner Musik. Meine Liebe dazu hat nicht im Mindesten abgenommen, wie wäre das wohl je möglich! Die Gebrüder Müller haben mich mit ihren zauberischen, überirdischen Melodien so unbegrenzt entzückt, daß ich fast kindisch wurde in maßloser Freude. Kann es denn aber auch etwas Schöneres geben als Schuberts G-Dur-Quartett mit dem ganz einzigen Trio und Mendelssohns Es-Dur-Quartett mit der träumerischen Canzonetta und dem tieftraurigen Adagio? Ich war, was man so nennt, völlig hingerissen. Kurz, ich liebe die Musik unendlich, aber selbst betheilige ich mich sehr wenig, fast gar nicht mehr daran, habe auch starke Rückschritte gemacht.“

      1Die Vermählung des Herrn von Blanckenburg mit Fräulein Maria von Thadden wurde am 4. Oktober 1844 in Trieglaff gefeiert, nicht, wie Poschinger (Neue Tischgespräche, Bd II, S. 1) angibt, im April 1846.

      II.

       Frankfurt. November 1853 bis Januar 1859.

      Am 2. November kam ich nach Frankfurt. In einem Hause der Gallusstraße, mit einem kleinen Garten dahinter, wohnte die Familie Bismarck in behaglichen Räumen, welche gelegentlich zu Ballfesten dienen und einige Wohngäste aufnehmen konnten. Ein Zimmer mit Gartenaussicht wurde mir angewiesen.

      Frau von Bismarck und Frau von Puttkamer, ihre Mutter, empfingen mich mit anmutiger Herzlichkeit. Der Hausherr kam am folgenden Morgen von Berlin zurück.

      Er schien von der Fahrt gar nicht ermüdet. Beim Frühstück sprach er von der Möglichkeit eines Konflikts der Westmächte mit Rußland, wegen türkischer Fragen, „die uns gar nichts angingen“, und sagte, daß es unverantwortlich sein würde, aus Liebedienerei gegen die Westmächte unsere Beziehungen zu Rußland zu verschlechtern. „Die Leute, die das befürworten, sind Phantasten, die nichts von Politik verstehen.“ Damit stand er auf, um in einer Sitzung des Bundestages, der ersten nach den Ferien, nicht zu fehlen.

      Abends war eine Gesellschaft im Hause des damals mit der Oberleitung der Thurn- und Taxisschen Postverwaltung betrauten Freiherrn von Dörnberg. Die Honneurs machte Baronin Vrints, eine Schwester des österreichischen Ministers Grafen Buol-Schauenstein. Bundestag und Frankfurter Patriziat füllten die behaglichen Räume. Auffallend war mir die Entfaltung ungewöhnlich reichen Brillantschmucks bei den Damen.

      Baron Prokesch-Osten, der österreichische Gesandte, beehrte mich mit einem würdevollen Vortrag über Paris und das südliche Frankreich, meine nächsten Reiseziele. Das Fest war kurz; man kam gegen halb zehn und ging gegen elf Uhr. Bei jeder Wagenfahrt beanspruchte Bismarck den Rücksitz für sich; ich mußte neben seiner Gemahlin Platz nehmen.

      Zu Hause angelangt, blieb man noch bei einem Glase Punsch zusammen. Er sagte: „Ich bin von Damen öfters nach Ihnen gefragt worden und pflegte dann zu antworten: das ist ein schmählich reicher