2Eine befreundete Dame, die bisweilen nach Frankfurt kam, um im Hauswesen behülflich zu sein.
3Frau von Bismarck folgte in ihren Briefen der um die Mitte des vorigen Jahrhunderts noch in Pommern verbreiteten Gewohnheit, den Gemahl mit dem Familiennamen zu bezeichnen; im mündlichen Verkehr aber pflegte sie den Vornamen zu gebrauchen.
4Damals, während der Belagerung von Sebastopol, wurde in Wien verhandelt, um zum Frieden zu gelangen, aber ohne Erfolg.
5Gustav von Diest, damals Oberpräsidialrat in Koblenz, war schon in den Ostertagen in Frankfurt gewesen und mit mir eingeladen worden, um Pfingsten wiederzukommen.
6S. Fürst Bismarcks Briefe an seine Braut und Gattin, S. 382.
III.
Aeußerungen über Musik. 1853 bis 1871.
Hier möchte ich zusammenstellen, was mir über Bismarcks Verhältnis zur Musik und einzelnen Musikstücken bekannt geworden ist.
Er war mit gutem Gehör und wohlklingender Baritonstimme begabt, an deren Ausbildung er jedoch niemals gedacht hat. Die Kreise, in denen er als Jüngling verkehrte, waren vielfach anregend, aber nicht eigentlich musikalisch. Wenn er in späteren Jahren mitunter eine Melodie mitsummte oder für sich allein wiederholte, waren die Töne immer von unanfechtbarer Reinheit.
Er hatte ein feines Gefühl für ernste Musik und oft große Freude daran. In seinem Zuhören erlebte ich drei Abstufungen.
Als Abgeordneter und in Frankfurt hörte er, gewöhnlich rauchend, mit ungeteilter Aufmerksamkeit; so auch an vielen Winterabenden in Versailles (1870/71) nach dem Diner. In Petersburg pflegte er beim Zuhören zu lesen. Als Minister und Bundeskanzler las er ebenfalls beim Hören, wenn er im Musikzimmer war, öffnete mitunter die Thüre seines nur durch ein offenes Kabinett davon getrennten Arbeitszimmers, um sich beim Schreiben durch Töne anregen zu lassen. Als Reichskanzler aber lehnte er ab, Musik zu hören, weil die Melodien ihn nachts verfolgten und zu schlafen hinderten.
In den ersten Jahren seiner Ehe hat Frau von Bismarck ihm viel vorgespielt. Ein Lieblingsstück, welches er sie noch in Frankfurt (1853) in meiner Gegenwart zweimal zu spielen bat, war ein kurzer feuriger Satz von Ludwig Berger (Opus 12, Nr. 3). „Diese Musik“, sagte er, „gibt mir das Bild eines cromwellschen Reiters, der mit verhängten Zügeln in die Schlacht sprengt und denkt: jetzt muß gestorben sein.“
In den letzten Frankfurter Jahren, wie in Petersburg, haben die heranwachsenden Kinder Frau von Bismarck so viel zu thun gegeben, daß mitunter längere Zeit ohne Berührung des Klaviers verging. Zu leichter Erwerbung neuer Stücke fehlte ihr eine bequem gehorchende Technik. Dennoch hat sie später in Berlin manches Neue, auch aus Liederheften und Opern sich angeeignet. Volksmelodien und schöne Walzer haben ihr jederzeit zur Verfügung gestanden.
In Frankfurt äußerte Bismarck mehrmals, daß er nie in ein Konzert gehen möge. Das bezahlte Billet und der eingezwängte Platz verleideten ihm den möglichen Genuß. Schon der Gedanke, für Musik Geld zu zahlen, sei ihm zuwider. Musik müsse frei geschenkt werden wie Liebe. Diese Worte hörte ich von ihm in verschiedenen Jahren (1853, 1855, 1857). In Petersburg sagte er gelegentlich (1860), gute Musik rege ihn oft nach einer von zwei entgegengesetzten Richtungen an: zu Vorgefühlen des Krieges oder der Idylle.
Vierhändig spielen zu hören, liebte er nicht. „Die sichtliche Gebundenheit der Spieler an das Notenheft,“ sagte er, „schließt eine freiere Bewegung aus. Nur wenn der Spieler ohne Vermittelung eines Blattes Papier zu seinem Instrument spricht, beginnt für mich der Genuß.“
Damit gerade konnte ich ihm dienen. Ein ungewöhnliches Gedächtnis setzte mich in den Stand, ganze Tage lang immer Neues zu bringen. Ohne Virtuose zu sein, verfügte ich über eine hinreichende Technik, um Werke der Meister von Bach bis auf Chopin und Schumann verständlich darzustellen. Als Student hatte ich ein Berliner Wintersemester (1841/42) ausschließlich auf musikalische Studien verwendet, nämlich auf kontrapunktische Uebungen und beethovensche Klaviersonaten. In den letzten Lebensjahren der 1847 verstorbenen Schwester Mendelssohns, Frau Fanny Hensel, durfte ich in ihrem Hause viel verkehren und einen Schatz von Ueberlieferungen erwerben. Damals wurde ich von Musikern als Fachgenosse begrüßt. Später, in kleinen Städten, war ich unter dem Beifall vieler Freunde bemüht, meinen Vorrat guter Hausmusik zu erhalten und stetig zu vermehren. So fanden Bismarcks Wünsche mich gut vorbereitet.
Er war sehr zufrieden, neben neuen Sachen auch bekannte Stücke, namentlich beethovensche Sonaten, wieder zu hören, die er, wie schon einmal erwähnt, als Student durch Graf Alexander Keyserling kennengelernt hatte.
Ueber eine Fuge von Bach in E (Wohltemperiertes Klavier, Band II, Nr. 9) sagte er (1853):
„Der Mann hat von Anfang mancherlei Zweifel, ringt sich aber allmählich durch zu einem festen frohen Bekenntnis.“
Ueber andere Stücke von Bach hat er nie etwas gesagt. Ueberhaupt pflegte er nach dem Schluß der Musikstücke zu schweigen, wie um die Töne innerlich nachklingen zu lassen; nur ganz ausnahmsweise fiel mitunter eine Bemerkung.
Von Mozarts Instrumentalstücken, deren ich übrigens nur wenige spielte, hat ihm keines einen besonderen Eindruck gemacht, auch nicht das Konzert in d-Moll, dessen, etwas gekürzten, ersten Satz Frau von Bismarck nicht oft genug hören konnte. Er sagte danach nur: „Beethchen (Beethoven) ist mir lieber“ (1862). Mehrmals hat er im Laufe der Jahre geäußert: „Beethoven sagt meinen Nerven am besten zu.“
Ueber den ersten Teil der Sonate in Es (27, Nr. 1) sagte er (1853): „Das ist, als wenn man gegen Abend in etwas angeheitertem Zustande langsam durch die Straßen schlendert. Man sieht sehr vergnügt ins Abendrot und denkt: Ob’s wohl morgen wieder so hübsch wird wie heute?“
Ueber das erste Stück der großen Sonate in f-Moll (57) sagte er (1864): „Wenn ich diese Musik oft hörte, würde ich immer sehr tapfer sein.“ Das war eine scherzhafte Wendung zum Lobe der Musik auf Kosten seiner Person; denn nie hat er musikalischer Anregung bedurft, um tapfer zu sein. So weit meine Wahrnehmungen reichen, ist ihm niemals, selbst nicht im Gedränge großer Schwierigkeiten, die Tapferkeit auch nur für einen Augenblick abhandengekommen. Der ihm angeborene Mut hing wohl zusammen mit dem Gefühle physischer, und noch mehr geistiger, Ueberlegenheit über andre Menschen und wurde verstärkt durch die Erkenntnis, daß man bei tapferem Verhalten in allen Fällen am besten wegkommt.
Der erste Satz der F-Moll-Sonate gehörte also zu den ihn kriegerisch anregenden Stücken. Ueber den letzten Satz derselben sagte er (1868), wie ich schon einmal erwähnte: „Das ist wie das Ringen und Schluchzen eines ganzen Menschenlebens.“ Als ich dieselbe Sonate in Versailles auf einem schlechten Klavier zum ersten Mal spielte (30. Oktober 1870), sagte er: „Warum das nicht öfter?“
In Bezug auf die vielen andern, von ihm leidenschaftlich geliebten Sonaten hat er in meiner Gegenwart nie ein Wort gesagt.
1853 spielte ich zum ersten Mal das Andante des Konzerts in G (58). Frau von Bismarck fragte: „Klingt das nicht wie das Gemüt unsres Freundes Hippolyt?“ Er antwortete: „Ja, aber wie Hippolyt aus dem Irdischen ins Himmlische übersetzt.“
Später (1867) sagte er nach dem ersten Satze desselben Konzertes: „Wirklich sehr hübsch.“
Beethovens 32 Variationen fand er nur technisch bewunderungswürdig (1865), aber nicht zum Herzen gehend, während Frau von Bismarck sie sehr liebte.
Variationen waren ihm überhaupt unerfreulich. Sogar nach dem Andante des schubertschen D-Moll-Quartetts, das er leidenschaftlich liebte, sagte er einmal, das Thema ohne die Variationen ginge ihm eigentlich doch tiefer als das ganze ausgeführte Stück (1869).
Nächst, ja neben Beethoven liebte er Schubert. Von dessen oben genanntem Quartett, das ich für Klavier bearbeitet hatte und oft spielen mußte, sagte er mehrmals: „Das ist mir wie Beethoven.“ Auch die Menuett des A-Moll-Quartetts liebte er sehr und vom Andante die erste Melodie. Dazu bemerkte