Begegnungen mit Bismarck. Robert von Keudell. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Robert von Keudell
Издательство: Автор
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Жанр произведения: Историческая литература
Год издания: 0
isbn: 9783806242683
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in solchen Kämpfen unterliegen müßte, das wurde nur von wenigen kühlen Beobachtern ausgesprochen; so zufällig mir gegenüber in gleicher Weise von zwei politischen Antipoden: dem Oberburggrafen von Brünneck und dem Professor Dirichlet.

      Der König lehnte die ihm angetragene Kaiserkrone ab, stellte aber Verhandlungen mit den deutschen Fürsten in Bezug auf die Reichsverfassung in Aussicht.

      Das Abgeordnetenhaus machte mehrere Versuche, nachträglich auf eine wenigstens bedingte Annahme der Reichsverfassung durch den König hinzuwirken. Als der Gegenstand zum letzten Mal verhandelt wurde (am 21. April), war ich unter den Zuhörern. Bismarck hatte den Antrag auf einfache Tagesordnung gestellt und befürwortete denselben ungefähr in folgender Weise.

      Die Frankfurter Verfassung bringe das Geschenk der Volkssouveränität in dem Suspensivveto des Kaisers; wenn die Volksvertreter es dreimal beschlössen, so würde der Kaiser aufgehört haben zu regieren. Die Reichsverfassung bringe ferner das allgemeine Wahlrecht, welches nur der Linken zu Gute käme, und das uneingeschränkte Budgetrecht der Volksvertretung, welches dieser die Macht geben würde, die Staatsmaschine auf gesetzlichem Wege zum Stillstand zu bringen.

      Die Frankfurter Verfassung verlange auch von dem künftigen Kaiser, daß er das ganze Deutschland schaffe, also die Fürsten, welche sich nicht unterwerfen wollten, als Rebellen behandle. Demnach könne der Kaiser beispielsweise in die Lage kommen, die Bayern und Hannoveraner zu Kämpfen gegen ihre Könige aufzurufen.

      „Das ist es wohl, wohin die Herren von der Umsturzpartei uns haben wollen? (Heiterkeit.) Ich habe niemand in diesem Saale bezeichnen wollen; es gibt außerhalb genug.“ (Heiterkeit.)

      Bismarck fuhr fort: bekannte demokratische Wortführer verlangten stürmisch, daß der Kaiser ihnen das ganze Deutschland schaffe; aber unser König dürfe nicht zum Vasallen dieser Herren herabsinken. Preußen solle Preußen bleiben. Die Frankfurter Krone möge sehr glänzend sein, aber das Gold, welches dem Glanze Wahrheit verleihe, könne erst durch Einschmelzen der preußischen Krone gewonnen werden und der Umguß werde mit der Form dieser Verfassung nicht gelingen.

      Die ruhig und klar vorgetragene Rede machte auf die leidenschaftlich erregte Mehrheit keinen Eindruck.

      Die Kommission wollte dem König die Annahme der Reichsverfassung für Preußen und die freiwillig beitretenden Staaten empfehlen. Ihr Berichterstatter, Freiherr Georg Vincke, verstieg sich dahin, die Anschauungen Bismarcks als antediluvianische zu bezeichnen.

      Die Majorität aber ging weit über den Kommissionsvorschlag hinaus durch den Beschluß, daß die von der deutschen Nationalversammlung vollendete Verfassung als rechtsgültig anzuerkennen sei.

      In einer persönlichen Bemerkung erinnerte mit Bezug auf den Ausdruck „antediluvianisch“ Bismarck an den noch vor etwa vier Wochen von Vincke eingenommenen Standpunkt und sagte dann: „Mag er eine innere Sündflut erlebt haben, die seine bisherigen Anschauungen weggespült hat, ich bin mir treu geblieben und mein antediluvianischer Standpunkt ist mir noch eben so lieb, wie das Asyl in der Arche Noah, in welcher der verehrte Abgeordnete seine Anschauungen jetzt unterzubringen sucht.“

      Diese Bemerkung wurde von Vincke nicht abgelehnt und mag daher durch frühere private Aeußerungen desselben begründet gewesen sein.

      In den bezüglichen Kammerreden ist eine Veränderung seines Standpunktes nicht nachzuweisen. Dies zu untersuchen, war aber das Publikum nicht in der Lage. Ueberall, auch in liberalen Kreisen, wurde Bismarcks geschickter Ausfall gegen den berühmten Vincke beifällig begrüßt.

      Das Abgeordnetenhaus wurde infolge des Beschlusses über die Rechtsverbindlichkeit der Frankfurter Reichsverfassung natürlich aufgelöst und die Familie Bismarck verließ anfangs Mai Berlin.

      * * *

      Um diese Zeit begann der politische Einfluß des Generals von Radowitz. Ich bin diesem merkwürdigen Manne nur einmal im Hause des Oberpräsidenten Flottwell begegnet, werde aber nie den Eindruck seines prachtvollen Kopfes vergessen. Eine breite hochgewölbte Stirn unter kurzem grauen Haar, sprechende dunkle Augen, sanft gebogene Nase, fest geschlossene Lippen, volltönende, weiche Stimme; eine imponierende und zugleich gewinnende Erscheinung.

      Radowitz hatte in der Frankfurter Paulskirche auf der äußersten Rechten gesessen, war aber von den dort hoch auflodernden Flammen nationaler Einheitsbegeisterung durchglüht worden. Er brachte nach Berlin die Ueberzeugung zurück, daß „die Revolution zu schließen“ nur gelingen könne, wenn man den berechtigten Kern der Volkswünsche zur Entwicklung brächte durch Bildung eines Bundesstaates auf Grundlage der zu modifizierenden Frankfurter Reichsverfassung, mit Zustimmung der Fürsten; daß aber einfache Herstellung des seit 1815 bestandenen deutschen Staatenbundes „die Revolution verewigen“ würde.

      Diese Anschauungen kamen dem leidenschaftlichen Wunsche des Königs entgegen, in Deutschland auf legalem Wege etwas Haltbares zustande zu bringen. Durch den Ministerpräsidenten Grafen Brandenburg wurde Radowitz zur Leitung der in der deutschen Verfassungsfrage mit den Regierungen angebahnten Verhandlungen berufen.

      Bei dem Dresdener Aufstand (anfangs Mai) bewährten sich die sächsischen Truppen als zuverlässig, bedurften aber doch der Hilfe eines Berliner Regiments, um zu siegen. In Hannover wurden Unruhen befürchtet.

      Unter solchen Zeitumständen kam am 26. Mai auf Grundlage des modifizierten Frankfurter Verfassungsentwurfs das sogenannte Dreikönigsbündnis zustande, welchem beizutreten den andern deutschen Staaten freigestellt wurde.

      An demselben Tage übersandten jedoch Sachsen und Hannover ausführlich motivierte Erklärungen, welche den Rücktritt für den Fall vorbehielten, daß nicht alle deutschen Staaten sich dem Bündnisse anschließen würden. Die Fassung dieser Erklärungen ließ die Abneigung beider Staaten gegen dauernde Unterordnung unter Preußen deutlich erkennen. Die Schriftstücke wurden jedoch, wie es in einem amtlichen Berichte heißt, „im Vertrauen zu der Loyalität der Bundesgenossen entgegengenommen“ und bei den weiteren Verhandlungen nicht beachtet.

      Den Grafen Brandenburg hatte Radowitz für seine Politik vollständig eingenommen; der Minister Manteuffel aber stand ihr ungläubig, General von Gerlach feindlich gegenüber. Dieser höchst ausgezeichnete Mann hatte sich auch in seiner Stellung als Generaladjutant des Königs eine seltene Geistesfrische und Charakterunabhängigkeit bewahrt. Er kannte die deutschen wie auch die im Osten benachbarten großen Höfe zu genau, um nicht ein trauriges Ende aller damaligen Verhandlungen über einen deutschen Bundesstaat voraussehen zu müssen.

      Im Sommer brachen Aufstände aus in der bayerischen Pfalz und in Baden, wo die Truppen mehrfach zu den Aufständischen übergingen. Diese wurden überall von preußischen Regimentern geschlagen und zerstreut.

      Bayern blieb jedoch wie auch Württemberg dem Dreikönigsbündnis fern.

      Als im August der preußische Landtag wieder zusammentrat, machte die Staatsregierung eingehende Mitteilungen über die Ergebnisse ihrer Verhandlungen mit den deutschen Staaten.

      Der ausführliche Bericht, welchen Radowitz (am 25. August) dem Abgeordnetenhause über seine Thätigkeit mündlich erstattete, machte einen großen Eindruck. Gelesen erschien diese Rede nur als ein formvollendetes Meisterstück; von Ohrenzeugen wurde mir aber erzählt, daß der wunderbare Mann durch die Töne seines Vortrags viele Abgeordnete bis zu Thränen gerührt hätte sowie daß die große Mehrheit der Versammlung seine Politik vollständig zu billigen schiene.

      Dem Bündnisse beigetreten waren damals 18 Staaten; vorläufige Bereitwilligkeit zum Beitritt hatten 7 erklärt, während andere 7 noch im Schweigen verharrten.

      Am 6. September eilte ich ins Abgeordnetenhaus, um Bismarck zu hören, über dessen Stellung zu Radowitz, dem notorischen Lieblinge des Königs, ich noch nicht im Klaren war.

      Die Abgeordneten waren neu gewählt, nach dem Dreiklassenwahlgesetz. Die demokratische Partei hatte nicht mitgewählt und war daher nicht vertreten. Aber auch in diesem aus gemäßigten Elementen zusammengesetzten Hause war die große Mehrheit von dem leidenschaftlichen Wunsche erfüllt, den deutschen Bundesstaat verwirklicht zu sehen.

      Die Sitzung begann mit einem durch den Abgeordneten von