Charlotte Corday
* 1768 in Champeaux/Orne
† 1793 in Paris
Attentäterin
»Das Ziel heiligt die Mittel.«
(Charlotte Corday)
Das heute in Brüssel in den Musées Royaux des Beaux-Arts hängende Gemälde »Der Tod Marats« thematisiert eines der berühmtesten Attentate der Geschichte. Der Maler Jacques-Louis David, ein aktiver Jakobiner, der seine Kunst fast uneingeschränkt in den Dienst der Französischen Revolution und ihrer wichtigen Ereignisse gestellt hatte, schuf das Gemälde noch im Jahr der Ermordung des Revolutionärs Marat 1793 und übergab das Bild dem Nationalkonvent. Das Gemälde, das zugleich Historienbild, realistisches Porträt und Heldenmonument ist, zeigt die Leiche des von Charlotte Corday erstochenen Jean-Paul Marat in der Badewanne. Sehr bewusst übernahm der Maler David dabei Pose und Lichtgestaltung von Pietà-Darstellungen in der christlichen Kunst. Der ermordete radikale Führer der Jakobiner wird auf diese Weise zu einem Märtyrer der Revolution stilisiert.
Marie Anne Charlotte de Corday d’Armont wurde am 27. August 1768 als Tochter des verarmten Kleinadeligen Jacques-François de Corday d’Armont und der Charlotte-Marie Gautier des Authieux in dem Dorf Champeaux in der Normandie geboren und einen Tag später in der Kirche von Saint-Saturnin-des-Ligneries getauft. Zu den Vorfahren des neugeborenen Kindes gehörte der berühmte französische Dramatiker Pierre Corneille. Als Charlotte Corday im Alter von vierzehn Jahren ihre Mutter verlor, gab sie ihr Vater zusammen mit ihrer Schwester Eléonore zur Erziehung in das Benediktinerinnenkloster Abbayeaux-Dames in Caen. Bereits früh machte sie Bekanntschaft mit den Ideen der Aufklärung und las die Werke von Abbé Raynal und Jean-Jacques Rousseau. Besonders begeisterte sie sich für den antiken Schriftsteller Plutarch, der ihre Vorstellungen von Heroismus und Bürgertugenden prägte. Nach dem Ende ihrer Schulausbildung blieb Charlotte Corday als Privatsekretärin der Äbtissin im Kloster. Als die Abtei im Zuge der Französischen Revolution 1790 aufgehoben wurde, kam sie zu einer Verwandten in Caen, Madame Le Coustellier de Bretteville-Bouville. Während ihre beiden Brüder 1792 Frankreich verließen, um sich dem Heer des Herzogs von Condé anzuschließen, befürwortete Charlotte Corday eine republikanische Verfassung.
Innerhalb des Nationalkonvents kristallisierten sich zunehmend Fraktionen heraus. Charlotte Corday begeisterte sich für die gemäßigten Girondisten, die im Mai und Juni 1793 aus dem Konvent ausgeschlossen wurden. Die Girondisten sammelten sich in Caen, das sich zu einem Zentrum des Widerstands gegen die radikaleren Kräfte der Jakobiner entwickelte. Der in der Schweiz geborene Jakobiner Jean-Paul Marat war Arzt gewesen, bevor er sich als Herausgeber der Zeitung »L’Ami du peuple« für die Revolution engagierte und sich als Mitglied des Jakobinerklubs im Nationalkonvent durch besonders radikale Anschauungen hervortat. Charlotte Corday besuchte die Versammlungen der Girondisten und gelangte immer mehr zu der Auffassung, dass in erster Linie Marat für die wachsende Radikalisierung verantwortlich war. Durch die sich ausweitenden Gewaltexzesse der Revolution sah sie ihre aufklärerischen Ideale verraten. Schließlich war sie davon überzeugt, dass sie Marat töten müsse, um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten. Sie erkannte nicht, dass nicht der bereits todkranke Marat, sondern Maximilien de Robespierre die treibende Kraft hinter der Terrorherrschaft war, die sich gegen die sogenannten »Feinde der Revolution« wandte.
Ganz erfüllt von ihrem Sendungsbewusstsein nahm sie am 9. Juli 1793 die Postkutsche nach Paris, wo sie am 11. Juli eintraf. In der französischen Hauptstadt kaufte sie sich ein Küchenmesser mit einer zwanzig Zentimeter langen Klinge. Da Marat wegen einer Erkrankung nicht im Konvent erschien, änderte Charlotte Corday ihren ursprünglichen Plan, Marat am 14. Juli, dem Jahrestag der Revolution, vor dem versammelten Konvent zu töten, sondern entschied sich dafür, ihn in seiner Wohnung zu ermorden.
Nach zwei gescheiterten Versuchen gelang es ihr, am 13. Juli bei Marat vorzusprechen. Wegen seines Hautleidens, der juckenden Skrofulose, die ihm sehr zusetzte, saß er mit einem nassen Lappen über dem Kopf und einem feuchten Handtuch über den Schultern in der Badewanne. Nachdem Charlotte Corday ihm die versprochenen Namen von Girondisten genannt hatte, die in Caen Zuflucht gesucht hatten, stieß sie Marat das Messer in die Brust. Der tödlich Getroffene verstarb innerhalb kürzester Zeit. Die zusammengelaufenen Nachbarn konnten nur noch seinen Tod konstatieren und die Polizei alarmieren.
Charlotte Corday, die am Tatort geblieben war, setzte ihrer Verhaftung keinerlei Widerstand entgegen. »Ich habe meine Pflicht getan«, meinte sie nur, »nun sollen sie die ihrige tun.« Bei ihren Verhören versicherte die außerordentlich gefasste Corday nachdrücklich, dass sie allein gehandelt habe, um mit Marat einen Hauptverantwortlichen für den Terror zu vernichten. Mit ihrer Äußerung, dass sie einen Mann getötet habe, um »hunderttausend Menschen zu retten«, spielte sie auf eine Äußerung Robespierres vor der Hinrichtung des französischen Königs Ludwig XVI. an. Die Bemühungen ihres Verteidigers Claude François Chauveau-Lagarde, der später auch Marie Antoinette vertreten sollte, waren völlig aussichtslos.
Während sie in der Conciergerie, dem Pariser Staatsgefängnis, auf ihre Hinrichtung wartete, verfasste Charlotte Corday mehrere Briefe. In dem Abschiedsbrief an ihren Vater bat sie um Verzeihung für ihr eigenmächtiges Handeln: »Vergeben Sie mir, mein lieber Papa, dass ich, ohne Sie zu fragen, über mein Leben verfügte, und dass ich Sie hinterging, indem ich, unter dem Vorwand, nach London zu reisen, den ruchlosen Marat ermordete. Ich habe mein Vaterland von diesem Ungeheuer befreit. Sie wissen, dass nur das Verbrechen, nicht aber das Schafott beschimpft.« Ihr letzter Wunsch war, dass ein Maler ihr Porträt als Abschiedsgeschenk für ihre Familie malen sollte. Am 17. Juli 1793 wurde Charlotte Corday, die sich äußerst gefasst zeigte, in Paris auf der Place de la Révolution, der heutigen Place de la Concorde, mit der Guillotine hingerichtet.
Mit ihrer Tat erreichte Charlotte Corday aber nicht, dass Unschuldige vor der Guillotine gerettet wurden, sondern sie stachelte im Gegenteil den Fanatismus der Revolutionäre nur weiter an. Jean-Paul Marat wurde als Märtyrer verehrt. Die Errichtung der Schreckensherrschaft wurde beschleunigt. Für ihre Geschlechtsgenossinnen zeitigte ihre Tat die negative Wirkung, dass die Nationalversammlung die politischen Aktivitäten von Frauen mit dem Argument unterband, dass es »eine Frau war, die das Unglück Frankreichs verursachte.« Charlotte Corday selbst erlangte allerdings den Status einer Märtyrerin der Konterrevolution.
Wilhelmine Reichard
* 1788 in Braunschweig
† 1848 in Dresden
Ballonfahrerin und Fabrikbesitzergattin
»Wenn gleich die allgemeine Theilnahme, welche das Publikum für mein Unternehmen zu beweisen so gütig gewesen ist, sicherlich mehr meinem Geschlecht als meiner Person gilt.«