Als ihr zwölf Jahre älterer Lieblingsbruder Friedrich Wilhelm Herschel, der als Organist, Konzertleiter und Komponist im eleganten britischen Badeort Bath tätig war, sie aufforderte, zu ihm nach England zu kommen, ergriff sie nur zu gerne die Gelegenheit, sich der häuslichen Enge zu entziehen. Ihr Bruder brauchte sie zwar auch als Haushälterin, aber er bot ihr zugleich die Möglichkeit, sich musikalisch weiterzubilden und als Solistin in seinen Konzerten aufzutreten. Im August 1772 übersiedelte Caroline Herschel nach England, dessen Landessprache sie allerdings erst erlernen musste. Schon bald stieg sie zur ersten Sängerin bei den von ihrem Bruder geleiteten Oratorien auf und übernahm Leitungsfunktionen im Chor: »Dass meine Stimme keine schlechte war, schließe ich daraus, daß der Eigentümer des Theaters in Bath mir sagte, sie würde eine Zierde der Bühne sein.« Das Angebot eines Engagements beim Birmingham Festival lehnte sie aber ab, da sie nur unter der Leitung ihres Bruders auftreten wollte.
Neben der musikalischen Begabung teilte sie mit ihrem Bruder Wilhelm Herschel die Passion für die Astronomie. Sie half ihm beim Anfertigen von Spiegelteleskopen. Vor allem übernahm sie die Aufgabe, die Spiegel zu polieren und zu schleifen, was eine absolute Genauigkeit erforderte. Daneben beschäftigte sie sich auch mit astronomischer Theorie.
Am 13. März 1781 entdeckte ihr Bruder den Planeten Uranus, was ihn über Großbritannien hinaus bekannt machte. Er erhielt eine Stelle als eine Art königlicher Privatastronom in Windsor. Caroline Herschel musste sich entscheiden, ob sie ihre Karriere als Sängerin in Bath vorsetzen oder für ihren Bruder als wissenschaftliche Assistentin tätig sein wollte. Sie entschied sich für Letzteres. Bei ihrem Entschluss spielte sicher auch die Überlegung eine Rolle, dass es für eine allein stehende Frau damals äußerst schwierig war, in der englischen Gesellschaft zu bestehen: »Ich besaß nicht Muth genug, vor das Publikum zu treten, wenn ich seinen Schutz entbehrte.« Zunächst bezog sie mit ihrem Bruder ein Haus in Datchet, danach lebten die Geschwister in Slough. Als astronomische Assistentin blieb sie mit ihrem Bruder nächtelang auf Beobachtungsposten, notierte Sternpositionen, wertete die nächtlichen Aufzeichnungen aus und rechnete sie nach. Sie begann, auch selbst den Sternenhimmel zu erforschen. Sie entdeckte vierzehn bemerkenswerte Nebel und zwischen 1786 und 1797 acht Kometen, darunter den Enckeschen Kometen. Sie überarbeitete den Sternenkatalog des britischen Astronomen John Flamsteed, dem Begründer des Royal Greenwich Observatory. Sie nahm neue Sterne auf, korrigierte Fehler und legte ein Gesamtregister an. 1787 erhielt sie als Anerkennung für ihre Arbeit vom englischen Hof eine Anstellung als Gehilfin ihres Bruders, wofür sie auf Lebenszeit ein Gehalt von 50 Pfund im Jahr beziehen sollte. Sie war damit die erste Frau, die für eine wissenschaftliche Tätigkeit ein Gehalt bekam, was für sie eine große Genugtuung gewesen sein muss: »Ich empfing im October die erste Vierteljahres-Rate, das erste Geld, das ich in meinem ganzen Leben für mich besaß und nach meinem Belieben verwenden konnte. Damit wurde mir ein sehr unbehagliches Gefühl von der Seele genommen.«
Obwohl ihr höchste Anerkennung gezollt wurde, blieb Caroline Herschel lebenslang die bescheidene Frau im Hintergrund, die ihre Leistungen nur als Verdienst des berühmten Bruders verstanden wissen wollte. Sie bekannte selbst: »Ich weiß zu gut, wie gefährlich es für eine Frau ist, die Aufmerksamkeit zu sehr auf sich zu ziehen.«
Die Heirat ihres Bruders Wilhelm Herschel im Mai 1788 empfand sie als Tiefschlag, da sie wohl befürchtete überflüssig zu werden. Die Geburt des Neffen John 1792 trug dazu bei, dass das Verhältnis zur neuen Schwägerin Mary Herschel entspannter wurde. Nach dem Tod des Bruders 1822 kehrte sie aber wieder nach Hannover zurück, obwohl ihr ihre Heimatstadt inzwischen fremd geworden war. Als »gelehrte Frau« erregte sie großes Aufsehen: »Man betrachtet mich nicht nur als solche, man starrt mich sogar hier als solche an.« Sie setzte ihre astronomischen Studien fort und ordnete das umfangreiche Material, das ihr Bruder hinterlassen hatte. Sie ermöglichte es so ihrem Neffen John Herschel, der ebenfalls ein bedeutender Astronom werden sollte, die väterliche Arbeit und die seiner Tante fortzusetzen. Weiterhin suchten bedeutende Wissenschaftler Caroline Herschel auf, die auch in Hannover Kontakt zum Hof hatte. Zahlreiche Auszeichnungen wurden ihr noch verliehen. 1828 erhielt sie die Goldmedaille der Royal Astronomical Society, zu deren Ehrenmitglied sie 1835 zeitgleich mit der Mathematikerin und Physikerin Mary Somerville ernannt wurde. Die beiden Wissenschaftlerinnen waren die ersten weiblichen Mitglieder der Society. 1838 wurde Caroline Herschel auch noch zum Mitglied der Royal Irish Academy berufen. Als 96-Jähriger wurde ihr 1846 die Goldene Medaille der Preußischen Akademie der Wissenschaften verliehen. Hochbetagt starb sie am 9. Januar 1848 in Hannover. Der Planetoid (281) Lucretia wurde ebenso nach ihr benannt wie ein Mondkrater im Sinus Iridium (Regenbogenbucht).
Elisabeth Louise Vigée-Lebrun
* 1755 in Paris
† 1842 in Paris
Malerin
»Ich verstehe nichts von Malerei,
aber Sie lehren mich diese Kunst lieben.«
(Ludwig XVI. von Frankreich)
Die französische Malerin Elisabeth Louise Vigée-Lebrun war eine der am meisten geschätzten und gesuchten Porträtistinnen des europäischen Adels in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Am 16. April 1755 wurde sie in Paris als Tochter des Pastellmalers Louis Vigée und der Friseurin Jeanne Maissin geboren. Da sie schon als Kind Talent und Liebe zur Malerei erkennen ließ, erteilte ihr der Vater den ersten Kunstunterricht. Nach dem frühen Tod des Vaters 1767 bildete sie sich bei den Malern Gabriel-François Doyen, Paul Davesne und Gabriel Briard weiter. Lehrer im eigentlichen Sinne hatte sie jedoch nie. Auf Anregung des bekannten Malers Joseph Vernet studierte sie die Werke der alten Meister und fertigte Naturstudien an. Um Geld für den Unterhalt von Mutter und Bruder zu verdienen, spezialisierte sich Elisabeth Louise Vigée auf das Porträtieren, den finanziell lukrativsten Zweig der Malerei. Schon im Alter von fünfzehn Jahren galt sie als professionelle Porträtmalerin. 1776 heiratete die Zwanzigjährige den Maler und einflussreichen Kunsthändler Jean-Baptiste Pierre Lebrun. Der 1794 geschiedenen Ehe entstammte ihre einzige 1780 geborene Tochter Julie.
Ihre große künstlerische Karriere begann, als sie 1779 erstmals an den französischen Hof gerufen wurde, um Königin Marie Antoinette zu malen. »Die Ehrfurcht gebietende Miene der Königin schüchterte mich zu Anfang bei der ersten Sitzung ganz außerordentlich ein; aber Ihre Majestät sprach zu mir mit großer Güte, und ihre wohlwollende Gnade zerstreute bald den Eindruck. Damals machte ich das Bild, das sie mit einem großen Reifrock in einer Atlasrobe und eine Rose in der Hand haltend darstellt. Es war für ihren Bruder, den Kaiser Joseph II. bestimmt, (…). Ich machte dann nach und nach zu verschiedenen Zeiten noch mehrere andere Porträts von der Königin.« Zwischen Vigée-Lebrun und der Königin, deren Lieblingsmalerin die Künstlerin wurde, entwickelte sich eine freundschaftliche Beziehung. In der Folgezeit erhielt die Malerin vor allem von den weiblichen Mitgliedern des Königshauses und des Adels Porträtaufträge.
Die von Vigée-Lebrun in ihren Bildnissen gewählten Ausdrucksmittel entsprachen den Wünschen der Bestellerinnen: »So viel es mir nur immer möglich war, versuchte ich, den Frauen, die ich malte, die ihrem Charakter entsprechende Stellung und geeigneten Gesichtsausdruck zu geben, diejenigen aber, die keine ausgeprägten Züge hatten (…) malte ich träumerisch und in nachlässiger Weise aufgestützt.« Die gelungene Verbindung von Ähnlichkeit und gleichzeitiger Idealisierung sowie die meisterliche Erfassung der zarten Halbtöne des Inkarnats (Hautfarbe) und die gekonnte Wiedergabe der kostbaren Stoffe brachten Vigée-Lebrun die Wertschätzung der Aristokratie und der führenden Gesellschaftskreise ein. Die Künstlerin wurde mit Aufträgen derart überhäuft, dass man – wie sie rückblickend sagte – Mühe hatte, »sich in meine Liste aufnehmen zu lassen; mit einem Worte, es schien, als ob alles sich vereinigte, mich in Mode zu bringen.«
Auf die Fürsprache