Elisabeth Louise Vigée-Lebrun flüchtete Anfang Oktober 1789 mit ihrer Tochter Julie und deren Gouvernante nach Italien. In Bologna wurde sie am 14. November zum Mitglied der Accademia Clementina ernannt. In Florenz forderte man sie auf, ihr Bildnis für die Sammlung der Künstlerporträts in den Uffizien zu malen. Für das »Selbstporträt vor der Staffelei« wählte die Künstlerin ein schwarzes Taftkleid mit einem Spitzenkragen à la Van Dyck. Mit diesem Rückgriff auf die flämische Malerei des 17. Jahrhunderts verwies Vigée-Lebrun, die 1781 eine Künstlerreise nach Flandern und in die Niederlande unternommen hatte, auf einen der sie prägenden Einflüsse. Das auf der Staffelei stehende Porträt Marie Antoinettes unterstrich dagegen ihren Rang als Malerin der Königin und stellte ihre politische Loyalität heraus. Zeitweise lebte und arbeitete die Malerin in Rom und Neapel. Über Zwischenstationen in Parma, wo sie 1792 zum Mitglied der Akademie ernannt wurde, Venedig, Verona und Mailand reiste sie nach Wien. Nach einem zweieinhalbjährigen Aufenthalt in Wien, wo ihre historisierenden Rollenporträts auf begeisterte Aufnahme stießen, brach Elisabeth Louise Vigée-Lebrun 1795 nach St. Petersburg auf. Wie überall wurde sie auch dort glänzend aufgenommen und erhielt zahlreiche Aufträge der kaiserlichen Familie und des russischen Adels, was ihr ein beträchtliches Vermögen einbrachte. 1800 wurde sie Ehrenmitglied der St. Petersburger Akademie.
Nach ihrer Amnestie in Frankreich verließ sie 1801 St. Petersburg und kehrte über Berlin, wo sie ebenfalls in die Akademie aufgenommen wurde, und Dresden im Januar 1802 nach Paris zurück. Im nachrevolutionären Frankreich Napoleons musste sie jedoch erleben, dass man sie als eine künstlerisch deklassierte Überlebende des Ancien régime betrachtete. Die neue Machtelite blieb ihr fremd, und sie fand keinen Einstieg mehr in den inzwischen von jüngeren Porträtisten besetzten Kunstmarkt. Im April 1802 reiste sie deshalb nach England, wo sie fast drei Jahre blieb. 1808 und 1809 zog es sie in die Schweiz. Hier entstand ihr bekanntes Porträt der berühmten Schriftstellerin Madame de Staël als Corinna. Nach ihrer Rückkehr aus der Schweiz erwarb Vigée-Lebrun ein Landgut in Louveciennes, wo sie ihren Lebensabend verbrachte.
1835/37 erschienen ihre »Souvenirs«, die bis heute immer wieder neu aufgelegt und in mehrere Sprachen übersetzt wurden. Die Erinnerungen der Malerin werden zu den wichtigen Quellen über die höfische Gesellschaft des ausgehenden 18. Jahrhunderts gezählt. Am 30. März 1842 starb Vigée-Lebrun in Paris. Laut einer eigenhändigen Aufstellung hinterließ sie 662 Porträts und etwa 200 Landschaften.
Marie Antoinette von Frankreich
* 1755 in Wien
† 1793 in Paris
Königin von Frankreich und Navarra
»Eine Königin, die nur dafür gekrönt wird,
dass sie ihren Zerstreuungen nachgeht, ist eine verhängnisvolle Errungenschaft für die Völker,
welche die Kosten zu tragen haben.«
(Abbé Desnoyers)
Ihr tragisches Schicksal, das sie vom Königsthron auf das Schafott führte, ließ sie zur berühmtesten Königin Frankreichs werden. In der Geschichtsschreibung immer noch umstritten, genießt sie dank ihrer Schönheit und ihrer dramatischen Biographie, die sie zum Spielball politischer Mächte machte, in der Populärkultur bis heute viel Aufmerksamkeit. Ihre Neigung, Bedürfnisse ohne Rücksicht auf die mit ihrem »Beruf Königin« zwangsläufig einhergehende Etikette ausleben zu wollen, lässt sie wie die Vorläuferin eines anderen berühmten Mitglieds des Hauses Habsburg, der Kaiserin Sisi, erscheinen. Welchen Eindruck ihre vielgerühmte Schönheit bei den Zeitgenossen hinterließ, wird in den Memoiren des Grafen Alexandre de Tilly deutlich: »Ich habe viel von ihrer Schönheit gehört und gebe zu, dass ich diese Meinung niemals geteilt habe. Aber sie hatte das, was auf dem Thron wichtiger ist als vollkommene Schönheit: die Haltung einer Königin von Frankreich, und dies selbst noch in jenen Augenblicken, in denen sie nur als hübsche Frau erscheinen wollte.«
Erzherzogin Maria Antonia Josepha Johanna kam als fünfzehntes Kind von Kaiser Franz I. Stefan und Kaiserin Maria Theresia am 2. November 1755 in Wien zur Welt. Früh stand fest, dass sie dereinst Königin von Frankreich werden sollte. Zweck dieser anvisierten Vermählung mit dem französischen Kronprinzen war eine Festigung des neuen Bündnisses von Österreich mit Frankreich. Der Vertrag von 1756 sollte so seine familiäre Konsolidierung erfahren. Das von Kindesbeinen an als reizend geschilderte Mädchen verstand es, sich häufig dem von der Kaiserin aufgestellten strengen Schulungsprogramm zu entziehen. Die charmante, aber vergnügungssüchtige Prinzessin neigte zu Oberflächlichkeit und Hochmut. Erst im Vorfeld der Heirat fielen offenbar die empfindlichen Mängel in der Allgemeinbildung und in der Beherrschung der französischen Sprache bei der Erzherzogin auf, die daraufhin im Eilverfahren auf ihr künftiges Amt als französische Königin vorbereitet wurde. Im Alter von vierzehn Jahren und fünf Monaten wurde sie 1770 mit dem ein Jahr älteren französischen Thronfolger Louis Auguste, Enkel von König Ludwig XV., verheiratet. Die blutjunge Habsburgerin kam dadurch an einen der prächtigsten, aber auch intrigantesten Höfe Europas, worauf sie ihre Mutter hingewiesen hatte: »Hier gibt es nur Kindereien und Eifersüchteleien um nichts, andernorts ist es sehr viel ernster.«
Die Ehe von Marie Antoinette gestaltete sich wider Erwarten schwierig. Der Dauphin war schwermütig, schüchtern und bedauerlicherweise auch impotent. Erst nach einem Besuch seines Schwagers, Kaiser Joseph II., ließ er sich 1777 operieren, so dass die Ehe endlich vollzogen werden konnte. Von den danach geborenen vier Kindern des Königspaares sollte nur die Tochter »Madame Royale«, Prinzessin Marie Thérèse, die Französische Revolution überleben.
Nach dem Tod von König Ludwig XV. am 10. Mai 1774 bestieg sein Enkel als Ludwig XVI. den Thron. Weder er noch seine Ehefrau besaßen dafür die nötige Reife. Kaiserin Maria Theresia machte sich zu Recht Sorgen: »Das Schicksal meiner Tochter (…) kann nur sehr groß oder unglücklich sein. (…) Ich rechne damit, dass ihr schönes Leben vorüber ist.« Schon nach kurzer Zeit wurde Marie Antoinette als leichtsinnige und verschwenderische Königin kritisiert. Ihr Hauptinteresse galt Modefragen, ausgefallenen Frisuren und kostbarem Schmuck, wofür sie sich hoch verschuldete. Die enormen Ausgaben für ihr Schloss Le Petit Trianon erregten die Gemüter ebenso wie ihre Leidenschaft für Glücksspiele. Ihr nachlässiger Umgang mit der Hofetikette rief bei vielen Höflingen Empörung hervor. Man munkelte über allerlei Romanzen der Königin. Auch ihre Einmischung in politische Angelegenheiten stieß auf Missfallen. Nach Maria Theresias Tod im November 1780 wünschte Kaiser Joseph II., dass seine Schwester die österreichischen Interessen vertreten solle. Marie Antoinette geriet dadurch in Konflikt mit dem französischen Außenminister Graf Vergennes, der unter keinen Umständen einen Ausbau der Vormachtstellung Österreichs wünschte. Wie gering ihr Einfluss in Wirklichkeit war, bekannte sie selbst in einem Brief vom September 1784 an ihren Bruder: »Ich täusche mich nicht über meinen Einfluss, ich weiß, dass ich vor allem in der Politik keinen großen Einfluss auf die Entscheide des Königs habe. Wäre es klug von mir, wenn ich mit seinem Minister über Dinge stritte, bei welchen es so gut wie sicher ist, dass der König mich nicht unterstützen wird? Ohne damit großzutun oder zu lügen, bemühe ich mich, nach außen den Anschein zu erwecken, dass ich größeren Einfluss habe, als ich tatsächlich besitze. Denn wenn man dies nicht glauben würde, wäre mein Einfluss noch geringer.« Dessen ungeachtet wurde sie trotzdem als »l’Autrichienne« (die Österreicherin) in Schmähschriften verunglimpft und von ihren Untertanen verabscheut. Ihre Versuche, eine die Missstände in Frankreich beseitigende Reformpolitik zu hintertreiben, trugen ebenso zu ihrer Unbeliebtheit bei wie die »Halsbandaffäre« von 1785, obwohl sie nichts mit dem Skandal zu tun hatte.
Durch die Versammlung der Generalstände 1789 erfuhr die politische Krise eine Steigerung, da sich der König nicht zu einer konsequenten Haltung durchringen konnte. Er lehnte die Revolution ab und duldete sie zugleich. Die Ratschläge seiner Gemahlin trugen dagegen zu einer Radikalisierung bei. Nachdem die Königin am 10. Juli