Meist geschmückt mit Fotos von Arbeiten des Nazi-Bildhauers Arno Breker, muskulösen Menschenfiguren aus dunkler Bronze, richteten sich Jordans Artikel und Flugschriften über den Nationalsozialismus an eine gebildete Leserschaft. Neben den pompösen und pathetischen Darbringungen seiner amerikanischen Sinnesbrüder vom New Order wirken die Bekenntnisse des Briten echt und ehrlich. In A Train of Thought (»Gedankengänge«), erschienen 1989, formuliert Jordan seine frühere Idee neu, die soziale Ordnung mithilfe einer »Task force« zu zerstören – eine Idee, deren Verwirklichung er nun vom Untergrund-BNSM erhoffte. 1993 versuchte er gar etwas Fiktionales: Merrie England 2000, eine Satire. »Das gute alte England 2000« – so könnte man den Titel verdeutschen. »Merry England« – wörtlich: »fröhliches England« – ist eine stereotype Redensart, mit der die Briten die eigene Nation halb stolz, halb selbstironisch charakterisieren. In letzterem Falle wird oft die altertümliche Schreibweise merrie verwendet. Jordans Titel beinhaltet freilich krassen Sarkasmus: Was er für die nähere Zukunft, die Jahrtausendwende, imaginiert, hat wenig Fröhliches, jedenfalls vom Standpunkt eines national denkenden und rassenbewussten weißen Briten her gesehen. Es geht nicht um das gute Alte, sondern um das schlechte Neue. Dies macht seine Erzählung zu einer sog. Dystopie, einer negativen Utopie, ähnlich wie Orwells 1984. Düster und bizarr geht es Ende des 20. Jahrhunderts in Großbritannien zu, fabuliert Jordan. Eine fanatische Gutmenschenregierung benachteiligt systematisch die Einheimischen. Über allem herrscht die Antidiskriminierungspolizei. Die Mächtigen beschließen: Umerziehung für die älteren »Bigotten«, jene also, die sich dem Zeitgeist nicht fügen mögen; Steuererleichterungen für gemischtrassige Paare; Zwang zur Teilnahme an Demutsritualen für die a priori für schuldig befundene weiße Bevölkerung. Der Londoner Trafalgarplatz heißt jetzt Harmonieplatz, und auf der Säule steht nicht mehr Admiral Horatio Nelson in Granit, sondern Nelson Mandela. Neben dieser Satire erschien 1993 auch noch ein Sammelband der Schriften Jordans. Die europäische Sektion der WUNS hatte die Edition publiziert: Eine Art Dankesgeschenk für sein Wirken als »Pate« der internationalen Nazi-Bewegung über drei Jahrzehnte hinweg – veröffentlicht vorsichtshalber in Dänemark.
Ein anderer Versuch, Jordans Visionen eines militanten Nazi-Untergrunds in die Tat umzusetzen, war die Guerillagruppe Combat 18, kurz C 18 genannt. Gegründet in den frühen 90er-Jahren, ist sie bis heute aktiv. Vom BNSM hat sie teilweise das Personal, gänzlich aber die Methoden übernommen, die sie sogar noch verschärfte. Der C 18 versammelt Rowdys, Skinheads und Hooligans, um politische Gegner und »Rassenfeinde« mit körperlicher Gewalt, Bomben und Brandstiftung zu bekämpfen. Die Ziffern 1 und 8 im Namen stehen für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets, sind also eine Kodierung der Initialen Adolf Hitlers. Die Hauptstrategie des C 18 besteht darin, den Gegner durch wiederholte brutale Angriffe einzuschüchtern und zu zermürben. Nach den Attacken empfangen die Opfer gewöhnlich hämische Telefonanrufe, in denen der C 18 seine Urheberschaft bekennt. Plumpe Aufkleber mit dem Symbol der Gruppe, einem schwarzen Totenkopf, und der Schriftzeile »Combat 18 ist nicht weit« sollen Furcht einflößen. Dem gleichen Ziel dienen Flugblätter, die einen finsteren Krieger zeigen, der eine Gasmaske trägt und eine moderne großkalibrige Pistole hochhält; darunter, in ausgeschnittenen Buchstaben, die Worte: »C 18 bereit zur ethnischen Säuberung«. Der konspirative und bewaffnete Trupp sammelt sorgfältig Erkenntnisse über die Zielpersonen, bevor er seine bewaffneten Kommandos gegen sie lossendet. Meist werden Politiker der Labour Party aufs Korn genommen, Abgeordnete zumal, ferner Ökologie-Aktivisten und Mitglieder jüdischer Organisationen. Der C 18 lässt offen Listen mit den Privatadressen und den Telefonnummern seiner Feinde kursieren, um ihnen Angst zu machen: Er will ihnen bedeuten, dass jederzeit ein Überraschungsangriff erfolgen kann.
C 18 formierte sich 1991 aus den Resten des BNSM, Skinheads der Blood-and-Honour-Bewegung und bestimmten bekanntermaßen rassistischen Fußballclubs; solche waren seinerzeit vor allem im mittelenglischen Leeds zu finden, daneben in den Londoner Bezirken West Ham, Charlton, Millwall und Chelsea (Heimat der einschlägig besonders profilierten Chelsea Headhunters, der »Kopfjäger von Chelsea«). Ein amerikanischer Obernazi, der sich Winter 1991/92 in London aufhielt, scheint Starthilfe geleistet zu haben: Harold A. Covington. Er reiste gerade durch Europa; um die nationalsozialistische Weltbewegung zu fördern, betreute er in mehreren Staaten neue rechtsradikale Projekte, so in Schweden, in Deutschland und eben in Großbritannien, wo das Projekt bald den Namen Combat 18 erhielt. Bei dieser Aufbauarbeit benutzte er moderne Kommunikationstechnologie. Im Strategischen empfahl er den frisch gegründeten Gruppen die terroristischen Kampfmethoden der US-Nazis.27 Ferner kam dem Combat 18 zugute, dass die extreme Rechte gerade dringend eine Schutztruppe brauchte; so schirmte er denn sowohl die Parteitreffen der BNP als auch – im November 1991 – die Vortragstournee des revisionistischen Historikers David Irving ab. Getreu seinem Image hatte der C 18 keine Hemmungen, Gewalt anzuwenden; so vollführte er im Februar 1992 im vorwiegend von Farbigen bewohnten Londoner Stadtteil Tower Hamlets eine brutale, ja blutige Attacke gegen antinazistische Flugblattverteiler. Alte BNSM-Leute und wohlbekannte Fußball-Hooligans bewachten die BNP, als sie vor den Präsidentschaftswahlen im April 1992 in den Straßen Londons mit diversen Propagandaveranstaltungen um Stimmen warb. Wegen ihrer Illegalität wäre für den Combat 18 eine Adresse in Großbritannien zu riskant gewesen; deshalb nannte sie eine exterritoriale, nämlich die von Covingtons Firma Dixie Press in Raleigh/North Carolina. Covington sandte die eintreffende Post dann weiter an das C-18-Mitglied Steve Sargent in Barnet/Hertfordshire (nördlich von London). Sargent, schon zu Blood-and-Honour-Zeiten eifrig dabei, besaß inzwischen selbst einen Verlag, Resurgam Books. Als Geschäftsmann übrigens kannte Sargent keine Parteien; wenn gute Verkaufszahlen winkten, veröffentlichte er sogar Antifaschistisches, so den Sonderdruck eines Artikels aus dem antifaschistischen Magazin Searchlight über Covingtons subversive Tätigkeit in England.28
Ungleich prominenter in der rechten Szene war sein Bruder Paul David Sargent, geboren 1960, besser bekannt als Charlie Sargent, Spitzname »Ginger Pig« (etwa: »Rothaarschwein«; wegen der rotblonden Haare und der ungeschlachten Figur). Ein Rowdy aus der Arbeiterklasse, der zu den Nazis fand – nicht eben ein seltener Fall. Von Mitte der 70er- bis Anfang der 80er-Jahre erwarb sich Charlie Sargent in den Reihen des British Movement ein stolzes Strafregister. 1978 wurde er wegen Nötigung und wegen Besitzes und Benutzung verbotener Stich- und Schlagwaffen in Tateinheit mit Störung der öffentlichen Ordnung verurteilt. Sein Ziel war der »Rassenkrieg«, den er entfachen wollte, indem er Moslems und Schwarze drangsalierte; deren gewaltsame Gegenreaktion, so seine Hoffnung, würde dann die erwünschte Eskalation bewirken. Hörte er Bedenken, äußerte er: Wenn sie den Rassenkrieg fürchte, dann sei »unsere Rasse zu schwach zum Überleben und verdient es zu sterben«.29 Sein älterer Bruder William engagierte sich in der National Front und organisierte illegal Hundekämpfe; sein jüngerer Bruder Stephen, genannt Steve, betrieb daheim in Barnet den erwähnten Verlag Resurgam Books und gab als Hausmagazin des C 18 die Zeitschrift Thorwould heraus, deren neuheidnische Ausrichtung schon der Titel mit seinem Bezug auf den germanischen Donnergott verrät: Thor walt heißt im Altnordischen »Thor herrscht«. Eine andere profilierte Führungsfigur des C 18 war Eddy Whicker. Ursprünglich Müllmann im Londoner Süden, galt er während der 70er-Jahre als härtester Straßenkämpfer der National Front. Später unterstützte er, wie auch Charlie Sargent, die nordirische UDA; dann organisierte er den Saalschutz für die BNP. Zwei weitere ältere Mitglieder der C-18-Spitze, John Merritt und Paul Ballard, gehörten zuvor lange Jahre dem BNP-Ortsverband im Südlondoner Stadtteil Croydon an, einst eine Hochburg der NF. Aus dem Nordlondoner Bezirk Stamford Hill wiederum kam der leitende C-18-Aktivist Steve Martin; auch er war zunächst eine Weile in der BNP gewesen und pflegte enge Verbindungen nach Ulster. Erst hatte er Waffen für die UVF geschmuggelt; später wurde er Vollmitglied der UDA.30
Die