Dass der C 18 Zielpersonenlisten führte, Instruktionen zum Bombenbau gab und in Wort und Tat zur Eskalation von Rassenkonflikten beitrug, verrät eine starke Beeinflussung durch Ideologie und Methoden der US-Nazis. In The Order, dem nach der amerikanischen Terrorgruppe benannten C-18-Magazin, rühmte John Cato 1994 den zehn Jahre zuvor bei einer Schießerei mit FBI-Agenten getöteten Order-Führer Robert Jay Mathews als Märtyrer. Lobend zitiert Cato Mathews’ »Kriegserklärung« an eine »jüdisch kontrollierte Bastardgesellschaft, die weiße Arier um Heimat und Brot bringt«. Die gleiche Ausgabe widmet sich ferner eingehend Louis Beams Strategiekonzept des »führerlosen Widerstandes« gegen das ZOG.37 In Putsch wiederum glorifiziert Cato Pierces Befürwortung individueller Gewaltakte gegen Schwarze und Juden. Bald wurde dem Schreiber in Kent der Boden zu heiß, und er floh nach Spalding/Lincolnshire (Ostmittelengland). Dort startete Cato ein neues Magazin namens The Oak (»Die Eiche«), die viele Artikel William Pierces nachdruckte. C-18-Mann Paul Jeffries gründete in Leeds den Verlag Life Rune Books (»Verlag Die Lebensrune«); Hauptzweck: Vertrieb der Schriften des nazistischen Obergurus Pierce und der Seinen in Großbritannien. Im Juni 1994 formierten Cato und Jeffries eine neue Bewegung, genannt National Socialist Alliance, kurz NSA; sie war gedacht als englische Version des Pierce’schen Megaprojekts National Alliance. Die NSA bestand aus dem C 18, ein paar abtrünnigen BNSM-Sektionen, die ihre Magazine Sigrun und Europe Awake (»Europa erwache«) mitbrachten, und den Blood-and-Honour-Aktivisten. Während des folgenden Jahres traten diverse rechte Kleingruppen der NSA bei, so David Myatts National-Socialist Movement (»Nationalsozialistische Bewegung«), Adrian Blundells White Aryan Resistance (»Weißer Arischer Widerstand«) und die in Yorkshire beheimatete Patriotic Women’s League (»Liga patriotischer Frauen«).38
Die NSA war mit der National Alliance nicht nur organisatorisch verbunden. Sie übernahm auch einige ihrer Konzeptionen, etwa die terroristischen Kampfmethoden und das Prinzip des »führerlosen Widerstandes«. Nicht minder aber elektrisierte großbritannische Jungnazis die Idee eines eigenen Siedlungsgebiets, einer »arisch-weißen Kolonie«, wie man sie aus den Turner Diaries und den Doktrinen der Christian Identity kennt. Zuerst wurde eine Insel an der schottischen Küste in Erwägung gezogen. Schließlich aber entschied man sich für ein Gebiet nordöstlich Londons. Seine Vorteile: Es war nur spärlich besiedelt, und zwar ausschließlich von Weißen; aber dennoch lagen die großen Städte nicht allzu weit entfernt, in die man den Krieg gegen die multiethnische Gesellschaft hineintragen wollte. Die Rassenkolonie sollte in der Grafschaft Essex entstehen, zwischen Chelmsford und der Küste, nahe dem Kernkraftwerk Bradwell. Erfahrene neuvölkische Aktivisten unterstützten den Plan, so Wulstram Tedder, Colin Jordans rechte Hand in NSM-Zeiten, der bereits eine kleine Nazi-Kommune im Grenzland zu Wales führte, und David Myatt, früher gewalttätiger BM-Kämpfer, später Nazi-Satanist. Er gab dem Projekt die raunende Bezeichnung East Saxon Kindred (»Ostsächsischer Blutsbund«), womit er auf die Geschichte der gewählten Gegend Bezug nahm: Ostsachsen war während des frühen Mittelalters, als die Angelsachsen die britische Insel besiedelten, ein Kleinkönigreich, gelegen etwa an der Stelle der heutigen Grafschaft Essex, in deren Namen es fortlebt. Man erstrebte dort »eine rein weiße Gemeinschaft, in der, wer dort wohnt, gewiss sein darf, dass auch alle Nachbarn ringsum Weiße sind«, eine »arische Republik […], wo Arier unter ihresgleichen leben können«, ein autonomes Territorium, »beherrscht und kontrolliert von Ariern nationalsozialistischer Gesinnung«.39
Die Gründung der NSA geschah zu einer Zeit, da sich die extreme Rechte in Großbritannien gerade beträchtlich radikalisierte. Dies hatte einiges mit Frustration im politischen Tagesgeschäft zu tun. So gewann die BNP zwar im September 1993 einen Sitz im Stadtbezirksrat von Tower Hamlets, aber im Mai 1994 verlor sie ihn schon wieder. Derlei Enttäuschungen lösten Debatten um die richtige Strategie aus, besonders unter jungen Anhängern: Führte der parlamentarische Weg wirklich weiter? Musste man nicht zu »handfesteren« Mitteln greifen? Man schien mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Das Modell der multiethnischen Gesellschaft erntete inzwischen weite Akzeptanz, und die Obrigkeit beengte den Spielraum der Rechtsextremen zusätzlich mit immer härteren Antidiskriminierungsgesetzen, die es ihr wesentlich erleichterten, das Führungspersonal missliebiger Organisationen zu inhaftieren und deren Druckwerke zu indizieren. Die Flucht in sektiererische Militanz und Konzeptionen einer Enklaven-Existenz, die nun, Mitte der 90er-Jahre, bei Englands Neuvölkischen einsetzte, erinnert an Entwicklungen, welche ihre großen Vorbilder, die amerikanischen Nazis, in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren durchmachten. Jetzt riefen auch deren britische Gesinnungsbrüder den totalen Krieg gegen das verhasste ZOG aus, in dem, so hieß es, um das nackte Überleben der weißen Rasse gehe. Die Appelle hatten den eifernden Ton religiösen Schwärmertums und apokalyptischer Prophezeiungen. Das Impressum des Magazins Putsch trug das Motto: »Wir müssen Sorge tragen, dass unser Volk lebe – damit weiße Kinder eine Zukunft haben«: die bekannten »Vierzehn Worte« des amerikanischen Neonazis David Lane, Kombattant der berüchtigten Organisation The Order, wegen seiner Rolle bei der Ermordung des jüdischen Talkshowmoderators Alan Berg in Denver zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Anfang 1995 gab es eine stetig wachsende Übertrittswelle von der BNP zur NSA; ganze Ortsvereine wechselten, so in den mittelenglischen Städten Halifax und Oldham, ja ganze Regionalverbände, nämlich der schottische und der nordirische.40
Seit den frühesten Jahren pflegte der C 18 enge Verbindungen zu Neonazis im Ausland. Harold Covington vermittelte 1992 dem Kontakt mit der schwedischen Terrorgruppe Vit Arikst Motstand (»Weißer Arischer Widerstand«), kurz VAM. Wie sein großes Vorbild The Order beraubt der Motstand Banken und legt Waffendepots an. So soll der »rassische Holocaust« vorbereitet werden, der dem ZOG »den Garaus bereitet«. Zu seinen Feinden erklärt der VAM die etablierten politischen Parteien, die Polizei, die Medien, jüdische Organisationen und Antirassisten. Auch in anderen europäischen Ländern beließen es die radikalen Rechten nicht mehr beim Wort. Im Dezember 1993 begann in Österreich eine Serie neonazistischer Briefbombenanschläge gegen Sozialisten und Liberale, die eine großzügige Immigrationspolitik befürworteten. Eine ominöse Bajuwarische Befreiungsarmee, kurz BBA, bezichtigte sich der Taten. Ihr reichlich kryptisches Bekennerschreiben bemühte die deutsch-österreichische Militärgeschichte und stellte die eigenen Anschläge in eine Reihe mit den erfolgreichen Abwehrschlachten gegen avarische, slawische und türkische Invasoren. Nicht minder gewaltbereit zeigt sich die