Im Schatten der Schwarzen Sonne. Nicholas Goodrick-Clarke. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Nicholas Goodrick-Clarke
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Документальная литература
Год издания: 0
isbn: 9783843801706
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Neofaschismus noch vor sich hatte.6

      In den Jahren 1960-62 erschienen die Perspektiven für die radikale Rechte Großbritanniens gar nicht so schlecht, denn die Überfremdungsängste wuchsen. Unaufhörlich schwoll der Strom der Immigranten aus Westindien, Indien und Pakistan. Ca. 60.000 waren es 1960, dreimal so viel wie im Jahr zuvor, und 1960 wurde gar erstmalig die 100.000er-Marke erreicht. Angesichts dieser Zustände fanden die schlichten Parolen der BNP leichter Gehör. Alle farbigen Einwanderer, forderte sie, müssten in ihre Heimatländer zurück; desgleichen sollte sich, soweit greifbar, das Führungspersonal sämtlicher englischer Regierungen der letzten anderthalb Jahrzehnte wegen »Begünstigung der schwarzen Invasion« vor Gericht verantworten. Denn Immigration sei in jener Zeit sträflicherweise immer gefördert worden, zunächst von dem Labour-Kabinett unter Attlee (1945-51), aber nicht minder von den seit 1951 die Macht innehabenden Konservativen, mochte der Premier nun Churchill, Eden oder Macmillan heißen. Die BNP besaß nur geringe finanzielle Ressourcen und kaum mehr als 350 Mitglieder, aber ein ausgesprochenes Talent für aufsehenerregende und schlagzeilenträchtige Aktionen, namentlich Kundgebungen. Berüchtigt wurden zwei teils von Gewalttätigkeiten begleitete Demonstrationen auf dem Londoner Trafalgar Square. Zu anderen Malen platzierte man sich auf den Londoner Endbahnhöfen und begrüßte die Immigranten, die von den Häfen her anrückten, mit herzlichem Unwillkommen. Als 1960 mit Bernard W. Cohen ein Jude den – eher repräsentativen – Posten des Bürgermeisters (Lord Mayor) von London erhielt, störte man empfindlich dessen Amtseinführungsparade. Auch die Anti-Apartheid-Bewegung ließ man Unmut spüren. Um in die Provinz zu expandieren und junge Leute anzusprechen, schuf man innerhalb der Partei eine paramilitärische Organisation namens Spearhead (»Speerspitze«). 1961 trafen sich auf Fountaines Gelände Delegierte rechtsradikaler Gruppen aus mehreren europäischen Ländern zu einem Sommerlager. Nach einem dichten Vortragsprogramm setzte man sich ums Lagerfeuer, sang völkische Lieder, trank traditionell gebrautes Ale aus dicken Humpen und feierte so seine nordische Rassenidentität.

      Rassischer Nationalismus und die Glorifikation des deutschen Nationalsozialismus waren die entscheidenden Erkennungsmerkmale des Jordan’schen NSM, die ihm 1962 wiederholte Präsenz in den Schlagzeilen der Sensationspresse garantierten. In diesem Jahr stieg nicht nur die Immigration selbst auf einen Höchststand, sondern, parallel dazu, auch die öffentliche Besorgnis darüber. Von Januar 1961 bis Juni 1962 kamen ca. 212.000 Farbige ins Land. Schließlich sah sich die konservative Regierung zum Handeln gezwungen und erließ im Juli 1962 ein neues Einwanderungsgesetz,