Ebenso pflegte das BNSM enge Kontakte mit neonazistischen Gruppen auf dem Kontinent. Zum internationalen Verbindungsoffizier bestimmte man den Holländer Gerrit »Et« Wolsink (1924-1995). Der hatte, was das Bemühen rechtsextremer Bestrebungen um Internationalität betrifft, tatsächlich einige Erfahrungen. Als junger Mann trat er 1943 der SS-Legion Niederlande bei, später sogar der gefürchteten Terror-Einheit Division Brandenburg. Deswegen wurde er 1946 daheim zu acht Jahren Gefängnis verurteilt. Nach der Entlassung betätigte er sich weiter am rechten Rand des politischen Spektrums und bekleidete hohe Posten in neonazistischen Gruppen und Grüppchen, so der Northern League (der »Nordischen Liga«), einer antisemitisch-eugenischen Politsekte mit Hauptsitz London und Verbindungen nach Deutschland und den USA, die u.a. ehemalige NS-Rassentheoretiker und führende SS-Leute in ihren Reihen hatte. Überwiegend präsidierte er jedoch holländischen Ablegern deutscher Rechtsaußenbünde, unter ihnen: die Nederlandse Volks-Unie («Niederländische Volksunion”), kurz NVU, die niederländische Schwesterpartei der Deutschen Volksunion, kurz DVU; die Viking-Jeugd, der niederländische «Gau” der deutschen Wiking-Jugend; die Aktiefront Nationale Socialisten, kurz ANS, die niederländische Sektion der deutschen Aktionsfront Nationaler Sozialisten, einer Gründung des zeitweiligen Stars der rechtsradikalen Szene dazulande, Michael Kühnen. Enge Freundschaft pflegte er auch zur »grande dame« des niederländischen Nazismus, der in rechten Kreisen weltweit geachteten Florentine Rost van Tonningen, der Witwe des Hitlerianers und Kollaborateurs Meinoud Rost van Tonningen. Nicht zuletzt dank ihrer Fürsprache konnte Wolsink im April 1989 zu Adolf Hitlers hundertstem Geburtstag über hundert Getreue – BNSM-Mitglieder und diverse Sympathisanten vom Kontinent und aus Übersee – an einem geheimen Ort in der bergreichen Grafschaft Derbyshire (Ostmittelengland) versammeln.22 Die Anhängerschaft der BNSM – etwa zwei- bis dreihundert Leute – konzentrierte sich zu Beginn der 90er-Jahre in London und in bestimmten Regionen Mittel- und Nordenglands, namentlich in Yorkshire. Vorsichtig operierten die damaligen BNSM-Führer, Stephen Frost und Glyn Fordham, von Postfachadressen in Slaithwaite (bei Huddersfield) und Heckmondwike aus, beide West Yorkshire. Ganz in der Nähe hatte Colin Jordan seinen Bauernhof, so dass er darüber, was sich bei der militanten Rechten tat, immer auf dem Laufenden war.
Jordan belieferte weiter die neonazistische Presse Amerikas mit Artikeln über die Aktualität des Nationalsozialismus und die Großartigkeit des Führers Adolf Hitler. 1981 erschien seine Schrift National Socialism: World Creed for the 1980s (»Nationalsozialismus. Ein Weltglaube für die 80er-Jahre«), der Nachdruck eines zuerst in der WUNS-Hauszeitschrift veröffentlichten Textes. Darin brandmarkte er Nationalisten, Populisten, Nazi-Fetischisten (die er »Hollywood-Nazis« nennt) und Skinheads (die wilden street fighters, die ihm zu British-Movement-Zeiten sehr willkommen waren, jetzt aber durch ihre undisziplinierten Randale viel Ärger verursachten, weshalb er auch ihnen böse Worte hinterherschickt) als Verräter am Nationalsozialismus. Den lobte Jordan empor zur einer Lebens- und Naturreligion, mit dem Christentum nicht zu vergleichen und nicht zu vereinbaren. Nationalsozialisten, so schloss er, seien weder Nationalisten noch Konservative, sondern rassenkämpferische Revolutionäre für die Sache der Weißen aller Welt. Diese sollen sich im Bewusstsein ihrer Überlegenheit, aber auch ihrer Bedrohtheit zusammenschließen und den Fortbestand ihrer Art sichern. Dies zu befördern, habe sich der Nationalsozialismus als Ziel gesetzt. Als Strategie empfahl er gezielte Sabotageakte gegen die bestehende Ordnung und das systematische Heranbilden einer nazistischen Elite; die hierfür Tauglichen würden in eigenen Schulen erzogen, durch besondere Ausbildungs- und Arbeitsbeschaffungsprogramme gefördert und bekämen einen Lebensraum in separaten ländlichen Kleingemeinschaften zugewiesen.23
Letztere Idee stand in engem Zusammenhang mit einer Art »Zurück-aufs-Land-Bewegung«, die Mitte der 80er-Jahre innerhalb der radikalen Rechten Platz griff. Besonders Einzelströmungen wie Political Soldiers (»Politische Soldaten«) und Third Way (»Dritter Weg«), die sich aus den Überresten der zersplitterten National Front formiert hatten, schwärmten für das Landleben. Nick Griffin etwa, ein ehemaliger Führungskader der NF, nun einer der obersten »Politischen Soldaten«, trainierte Freiwillige auf dem familieneigenen Bauernhof in Suffolk (Ostmittelengland). Der antizivilisatorische Affekt trieb die Gruppe in neue Allianzen, etwa mit islamischen Diktaturen, so Gaddafis Libyen, dem Iran und dem Irak. Natürlich pries man auch inländische Extremisten, wenn sie nur irgendwie völkisch daherkamen, etwa den walisischen Nationalistentrupp Sons of Glyndwr (»Söhne des Glyndwr«, benannt nach einem walisischen Unabhängigkeitskämpfer des Mittelalters aus fürstlichem Geblüt), berüchtigt für seine Bombenattentate und Brandstiftungen. Griffins Farm lag in den Waliser Marken (dem englisch-walisischen Grenzgebiet). Von dort aus führte er die Kampagne »Smash the Cities« (»Zerschlagt die Großstädte«), der zu entnehmen war, dass die europäischen Neonazis imitieren sollten, was Pol Pot in Kambodscha vormachte.24 David Myatt, zu Zeiten des alten BM einer der ergebensten Gefolgsleute Jordans, später Leiter einer eigenen Gruppe, dem Reichsfolk, versuchte den Aufbau einer Nazi-Landkommune in Shropshire (Westmittelengland). Ähnliches unternahmen während der 90er-Jahre diverse neovölkische Bünde wie die National Socialist Alliance und der sich namentlich auf einen germanischen Gott beziehende Order of the Jarls of Baelder (etwa: »Orden der Fürsten von Gnaden Baldurs«). Ziel war stets, jene wenigen Auserwählten heranzuzüchten, die, wenn die etablierte soziale und wirtschaftliche Ordnung endgültig zusammenbräche, die Massen führen sollten (vgl. Kapitel 11).
Anfang der 80er-Jahre gründete Jordan Gothic Ripples, die Zeitschrift seines Mentors Leese, neu. Er nutzte sie hauptsächlich zur Verbreitung seiner äußerst wohlwollenden Ansichten über das Dritte Reich und seine Vertreter einschließlich des 1987 im Spandauer Gefängnis verstorbenen, nach neonazistischer Lesart »ermordeten« Rudolf Heß. Doch auch das aktuelle Zeitgeschehen wurde ins Visier genommen und von rassistischer, namentlich antisemitischer und schwarzenfeindlicher Warte her kommentiert. Die Lobeshymnen auf Hitler erlangten ihren Höhepunkt zu dessen hundertstem Geburtstag 1989. »Hitler hatte recht!« stand über Jordans einschlägigem Text in Gothic Ripples, den ein gleich gesinntes amerikanisches Blatt, George Dietz’ Liberty Bell, in einer Führers-Geburstag-Sondernummer flugs nachdruckte. Und womit hatte Hitler recht, laut Jordan? Nun, mit der Ablehnung der Demokratie etwa. Mit dem Schutz und der Verteidigung der Volksgemeinschaft. Mit dem »Präventivschlag« gegen die Sowjetunion. Mit dem Anstreben einer britisch-deutschen Allianz (es war, so Jordan, Schuld und Pech der Briten, dass sie nicht zustande kam). Mit der Prophezeiung, seiner Niederlage werde eine dunkle Zeit folgen.25 Für das NS Bulletin, die Hauspostille von New Order, der »nationalsozialistischen Kirche« des amerikanischen Rechsextremistenchefs Matt Koehl, schrieb Jordan einen ähnlichen Gedenkartikel. Die metaphysische Erhöhung aufgreifend, die Savitri Devi dem Braunauer hatte angedeihen lassen, präsentierte Jordan Hitler als »Menschen gegen die Zeit« (vgl.