Am Tag vor seiner Heimkehr ging die hochschwangere Eliza mit entschlossenem Gesicht in jede der vierzehn Bars im Städtchen, suchte den Eigentümer oder Schankhalter hinter der Theke auf und sprach laut und vernehmlich vor der dumpfen Gesellschaft der Gäste:
»Hören Sie, ich bin hereingekommen, um Ihnen zu sagen, daß Mister Gant morgen zurückkehrt, und ich möchte Sie alle wissen lassen, daß ich jeden, der ihm etwas ausschenkt, vor Gericht und ins Gefängnis bringen werde!«
Diese Drohung, das wußten sie alle, war hochstaplerisch. Aber das strenge weiße Gesicht, die gedankenvoll geschürzte Lippe, die männisch-gehaltene Hand mit dem ausgestreckten Zeigefinger verliehen der Ankündigung einen unheimlichen Nachdruck. Bierdumpf hörten die Männer sie an; höchstens daß einer oder der andre eine überraschende Zustimmung ihr nachmurmelte, während sie hinausging.
»Wahrhaftiger Gott!« bemerkte ein Mann aus dem Gebirg und sandte einen langen Kautabakspritzer aus dem Mundwinkel in den hohen Messingspucknapf, »die wär dazu imstand! Die macht Ernst.«
»Teufel auch«, sagte Tim O'Donnell und wackelte komisch mit seinem Affenkopf hinterm Schanktisch, »ich würde mich nicht trauen, dem Gant was auszuschenken, und wenn der Whisky nur fünfzehn Cents das Quart wäre und es säßen keine Zeugen dabei. Ist sie weg?«
Die Männer lachten angeheitert und laut.
»Wer ist sie?« fragte jemand.
»Will Pentlands Schwester.«
»Bei Gott, dann macht sie Ernst!« riefen mehrere, und die Bar dröhnte vor Gelächter.
Will Pentland saß in Loughrams Bar, als Eliza eintrat. Sie grüßte ihn nicht. Als sie hinausgegangen war, wandte er sich an einen der Herumsitzenden und bemerkte nach einem vogelhaften Nicken und Zwinkern:
»Ich wette, daß Sie das nicht fertigbrächten.«
Dem heimgekehrten Gant wurde in den Bars nichts ausgeschenkt. Er tobte vor Wut. Natürlich war es ihm ein leichtes, sich Whisky holen zu lassen: er schickte einen Fuhrmann, der bei ihm zu tun hatte, oder irgendeinen Neger danach. Aber er war mit den Jahren, obschon er wußte, daß sein Benehmen eine klassische Mythe für die Kinder im Städtchen war, äußerst empfindlich für jeden Hinweis auf seinen Leumund geworden. Auch schämte er sich insgeheim seiner Trunksucht, besonders wenn er verkatert war. Nun war sein Stolz aufs bitterste verletzt. Er schrie, daß Eliza ihn böswillig vor aller Öffentlichkeit herabgesetzt und gedemütigt hätte, und schimpfte maßlos mit ihr.
Den ganzen Sommer lebte Eliza in einer weißen, ahnungsvollen Stille dahin. Sie war nun schon an die Schrecken gewöhnt. Mit furchtbarer Ruhe erwartete sie allabendlich die Wiederkehr ihrer Angst. Gant, den ihre Schwangerschaft verdroß, ging jeden Abend in Elisabeths Freudenhaus in Eagle Crescent, wo er dann in später Stunde von ein paar verbrauchten und erschreckten Huren der Obhut seines ältesten Sohns Steve übergeben wurde. Steve verstand bereits, mit den Weibsleuten dieses Distrikts frech und frei umzugehen. Sie verhöhnten ihn mit vulgärer Gutmütigkeit, lachten über seine schlüpfrigen Anspielungen und machten sich nichts daraus, wenn er ihnen einen festen Klaps auf den Hintern gab und dann ihren plumpen Haschversuchen gewandt entschlüpfte.
»Junge, Junge«, sagte Elisabeth und gab Gants Kopf einen Stoß, daß er wackelte, »gib ja acht, daß Du nicht nach diesem alten Gockel gerätst. Er kann auch ganz nett sein, wenn er sich Müh gibt«, fuhr sie fort, und während sie Gant auf die Glatze küßte, ließ sie die gefüllte Brieftasche, die er ihr zuvor in heftig aufwallender Freigebigkeit geschenkt hatte, in Steves Hand gleiten. Sie nahm's mit der Ehrlichkeit sehr genau.
Steve wurde auf diesen Gängen meist von Jannadeau und dem Neger Tom Flack, einem Kutscher, begleitet. Die beiden pflegten vor dem Gattertor zu warten, bis der Radau anzeigte, daß Gant zum Aufbruch bewegt worden war. Sie brachten ihn durch die allzu stillen Stadtstraßen heim. Manchmal ging Gant schwerfällig und fluchte pathetisch auf seine Begleiter. Manchmal war er jovial und willfährig und grölte ein unanständiges Lied:
»Droben im Hinterzimmer
Ja, da droben, ihr Buben
Hüpfen die Wanzen und Flöh …«
Zu Hause angekommen, ließ er sich die Verandatreppe hinaufhelfen und zu Bett bringen. Manchmal aber war er nicht zurückzuhalten; dann suchte er das abgeschlossene Schlafzimmer Elizas auf und tobte vor der Tür. Er beschimpfte sie aufs gemeinste, er bezichtigte sie sogar der Unkeuschheit, denn mit dem Abflauen der geschlechtlichen Lebenskraft stiegen dunkle, neidische Verdachte in ihm auf. Die furchtsame Daisy floh dann in eines der Nachbarhäuser, zu Sudie Isaacs oder zu den Tarkintons. Die zehnjährige Helene aber, das Kind, das er am meisten liebte, meisterte ihn. Sie löffelte ihm heiße Suppe ein, und wenn er sich störrisch anstellte, ohrfeigte sie ihn fest mit ihrer kleinen Hand.
»Hier wird Suppe gegessen! Vorwärts! Geschluckt!«
So etwas gefiel ihm ungemein. Diese Tochter und er waren aus demselben Holz geschnitzt.
Manchmal nahm er überhaupt keine Vernunft an. Völlig von Sinnen, wie er dann war, schichtete er ein großes Holzfeuer im offnen Kamin des Wohnzimmers, goß Petroleum aus einer Kanne auf die lodernden Scheite und spuckte wild in die aufzischenden Flammen. Dazu sang er, bis er es müde wurde, oft dreiviertel Stunden lang, etwa dies:
»Ohe! Goddam, Goddam,
Goddam, Goddam,
Oho! Goddam, Goddam,
Goddam, Goddam«
meist in dem langgezogenen Tonfall, in dem Uhren die ganze Stunde schlagen.
Draußen auf dem Zaun hockten wie Affen Sandy und Fergus Duncan, Seth Tarkinton … – manchmal machten auch Ben und Grover den Spaß mit – und sangen als Gegenstrophe:
»Der alte Gant
Besoffen kommt er,
Besoffen kommt er,
Kommt er nach Haus.«
In der guten Stube der Nachbarin weinte Daisy vor Scham und Angst. Helene aber, das kleine, schmächtige, zornige Wesen, gab nicht nach. Schließlich bequemte Gant sich in einen Sessel und nahm grinsend heiße Suppe und feste Ohrfeigen von ihr an. Droben lag Eliza mit bleichem, aufmerksam gespanntem Gesicht.
Der Sommer ging. Es war Ende September. Fern blies der Wind. Die letzten Trauben hingen in runzligen und angefaulten Perkeln an den Rebstöcken.
Eines Abends stellte der vertrocknete Doktor Cardiac beim Weggehn fest: »Morgen abend, denk ich, wird wohl die ganze Sache vorüber sein.« Eine tüchtige, ländliche Hebamme in mittleren Jahren blieb im Haus zurück.
Um acht Uhr kam Gant allein nach Haus. Steve hatte dableiben müssen, um für Eliza, falls es nötig sein würde, Botengänge zu tun. Niemand kümmerte sich um den Hausherrn; die Aufmerksamkeit galt Eliza, die in den Wehen lag.
Drunten im Wohnzimmer sang Gant mit voller Stimme Obszönitäten, so daß es bis zu den Nachbarn schallte. Als Eliza das plötzliche wilde Aufzischen der Flammen im Kamin hörte, winkte sie Steve zu sich ans Bett:
»Er wird das Haus in Brand stecken, Steve«, flüsterte sie heiser.
Sie hörten, wie unten ein Stuhl umgeschmissen wurde, und Gants Fluch. Sie hörten, wie er mit schwerem Schritt durchs Speisezimmer und über die Diele stapfte, wie die Treppenstufen knarrten und sein Körper gegen das Geländer krachte.
»Er