Als sich Consuelo mit einem Tollen allein sah an einem Orte, wo ihr sicherlich niemand zu Hilfe gekommen wäre, geriet sie in wirkliche Furcht, ungeachtet der vielen Verbeugungen und des zutunlichen Lächelns, womit dieser Wahnsinnige sie begrüßte. Sie glaubte, seine Grüße und sein Nicken erwidern zu müssen, um ihn nicht böse zu machen, aber sie beeilte sich aufzustehen und sich zu entfernen, bleich und an allen Gliedern zitternd.
Der Tolle verfolgte sie nicht und tat nichts, um sie zurückzurufen; er stieg nur auf den Schreckenstein, um ihr mit den Augen zu folgen, und fuhr fort, sie mit seiner Mütze zu grüßen, wobei er hüpfte und seine Arme und Beine schwenkte, ein böhmisches Wort mehrmals wiederholend, das sie nicht verstand.
Als sie eine Strecke von ihm entfernt war, gewann sie wieder so viel Mut, sich nach ihm umzusehen und auf ihn zu hören. Sie machte sich Vorwürfe, dass ihr vor der Nähe eines dieser Unglücklichen graute, die sie einen Augenblick zuvor in ihrem Herzen beklagt und gegen die Verachtung und Verstoßung, die von den Menschen ihnen widerfährt, in Schutz genommen hatte.
Es ist ein gutmütiger Verrückter, sagte sie zu sich, vielleicht aus Liebe toll geworden. Er hat nirgend Rettung gefunden vor der Unempfindlichkeit und Verachtung der Menschen als auf diesem verdammten Stein, wo kein anderer zu hausen wagt, und wo für ihn die Geister und Gespenster menschlicher gesinnt sind als seines Gleichen, denn sie scheuchen ihn nicht fort und stören ihn nicht in seiner Lustigkeit. Armer Mann! mit deinen grauen Bart und deinem gekrümmten Rücken lachst und tollst du wie ein Kind! Gott behütet dich gewiss und segnet dich in deinem Unglück, da er dir nur lachende Gedanken zuschickt und dich nicht menschenfeindlich und wütend gemacht hat, wie du es zu sein gewiss ein Recht hättest.
Als der Tolle sah, dass sie ihre Schritte anhielt und seine freundlichen Blicke zu verstehen schien, fing er an, auf böhmisch und mit ungemeiner Geläufigkeit zu ihr zu reden; seine Stimme hatte etwas außerordentlich Sanftes, einen eindringlichen Reiz, der ganz im Widerspruch mit seiner Hässlichkeit stand.
Consuelo, die ihn nicht verstand, glaubte, sie sollte ihm ein Almosen geben, und holte ein Geldstück hervor, das sie auf einen großen Stein legte, nachdem sie es ihm mit erhobener Hand gezeigt und den Ort bezeichnet hatte, wo sie es niederlegen wollte. Aber der Tolle fing noch lauter an zu lachen, rieb sich die Hände und sagte in gebrochenem Deutsch:
– Brauch nicht, brauch nicht. Zdenko nicht brauch. Zdenko glücklich, sehr glücklich. Zdenko hat Trost, Trost, Trost.
Dann plötzlich, als hätte er sich auf ein Wort besonnen, das er lange gesucht, rief er mit einem Freudengeschrei und ganz deutlich, obgleich er es sehr schlecht aussprach: »consuelo, consuelo, consuelo de mi alma!«
Consuelo blieb starr vor Staunen stehen, und rief ihm auf spanisch zu:
– Warum nennst du mich so? wer hat dir diesen Namen gesagt? verstehst du die Sprache, in der ich mit dir rede?
Auf alle diese Fragen, deren Antwort Consuelo vergeblich erwartete, tat der Tolle nichts als springen und die Hände reiben wie einer, der ganz von sich entzückt ist, und so weit ihr seine Stimme vernehmlich war, hörte sie ihn unter Lachen und Freudengeschrei ihren Namen in allerlei Modulationen wiederholen, wie wenn ein schwatzender Vogel sich übt ein Wort herauszubringen, das man ihm gelehrt hat und dazwischen immer wieder mit seiner natürlichen Stimme pfeift.
Auf dem Wege nach dem Schlosse verlor sich Consuelo in Betrachtungen.
– Wer, dachte sie, hat mein Geheimnis so verraten, dass schon der erste verwilderte Mensch, dem ich in dieser Einsamkeit begegne, mir meinen wahren Namen an den Kopf wirft? Hatte mich dieser Tolle irgendwo gesehen? Leute der Art, ziehen viel umher: war er vielleicht mit mir zugleich in Venedig?
Sie suchte sich vergeblich die Gesichter aller Bettler und Vagabunden zurückzurufen, die sie gewohnt war, auf den Quais und aus dem Marcusplatz zu sehen: das des Tollen vom Schreckenstein bot sich ihrem Gedächtnis nicht dar.
Aber als sie über die Zugbrücke ging, fiel sie auf eine Gedankenverknüpfung, die treffender und spannender war. Sie nahm sich vor, ihre Vermutungen ins Klare zu bringen, und wünschte sich im Stillen Glück, den Zweck ihrer Wanderung nicht ganz verfehlt zu haben.
7.
Als sie sich wieder im Kreise der niedergeschlagenen und schweigenden Familie befand, sie voll frischen Muts und Hoffnung, machte sie es sich zum Vorwurfe, in ihrem Innern die Lässigkeit dieser tief betrübten Menschen so hart beurteilt zu haben. Graf Christian und das Stiftsfräulein nahmen beim Frühstück fast keinen Bissen zu sich und der Kaplan getraute sich nicht, seinen Hunger zu stillen; Amalie schien sehr übler Laune.
Als man vom Tische aufstand, trat der alte Graf an das Fenster, blieb einen Augenblick stehen und blickte hinaus auf den sandigen Weg nach dem Weiher, auf welchem Albert wiederkommen konnte, dann schüttelte er traurig den Kopf, als wollte er sagen: Wieder ein Tag, der schlimm angefangen hat und so auch enden wird!
Consuelo gab sich Mühe, sie zu zerstreuen, indem sie ihnen einige der letzten geistlichen Kompositionen Porporas, welche sie immer mit Bewunderung und besonderer Teilnahme zu hören pflegten, auf dem Klavier vorspielte. Es tat ihr weh, sie so niedergebeugt zu sehen, und ihnen nicht sagen zu können, dass sie Hoffnung hegte.
Aber als sie den Grafen nach seinem Buche und Wenceslawa nach ihrer Nadel greifen sah, als sie von dieser letzteren an den Stickrahmen gerufen wurde, um ihre Meinung abzugeben, ob in einer Rosette ein paar blaue oder ein paar weiße Stiche besser täten, da konnte sie sich nicht enthalten, mit ihren Gedanken vorzugsweise wieder Albert zu suchen, der vielleicht vor Ermattung und Erschöpfung in einem Winkel des Waldes verging, ohne den Heimweg finden zu können, oder vielleicht auf einem kalten Steine lag, von seiner Starrsucht niedergeschmettert und gefesselt, den Wölfen und Schlangen Preis gegeben, während unter den kunstfertigen, beharrlichen Fingern der zärtlichen Wenceslawa die glänzendsten Blumen auf der Gaze zu Tausenden entstanden, begossen dann und wann mit einer verstohlenen, aber unfruchtbaren Träne.
Sobald sie mit der schmollenden Amalie ein Gespräch anknüpfen konnte, fragte sie, was für