– Da wären wir! sagte Consuelo lachend, ich war auf diese Spitze gefasst, und auch nur, um sie mich fühlen zu lassen, haben Sie mir die Ehre, mich mit Ihnen zu unterhalten, vergönnt. Ich lasse mirs gern gefallen, denn ich sehe in dieser kleinen Eifersuchtskomödie einen stärkeren Rest von Liebe zu Graf Albert, als Sie Wort haben wollen.
– Nina! rief die junge Baronin mit entschiedenem Tone, wenn Sie das zu sehen glauben, so haben Sie wenig Scharfblick, und wenn Sie es gern sehen, so haben Sie wenig Liebe für mich. Ich bin heftig, vielleicht hochmütig, aber nicht verstellt. Ich habe es Ihnen schon gesagt: der Vorzug, den Ihnen Albert gibt, bringt mich gegen ihn, nicht gegen Sie auf. Er verletzt meine Eigenliebe, aber er schmeichelt meiner Hoffnung und meiner Neigung. Er gibt mir den Wunsch ein, dass mein Cousin Ihretwegen einen rechten dummen Streich machen möge, der mich von aller Schonung gegen ihn freispräche und meine Abneigung, die ich lange bekämpft habe und doch zuletzt ohne Beimischung von Mitleid oder Liebe empfinden muss, rechtfertigte.
– Gebe Gott, entgegnete Consuelo sanft, dass dies die Sprache der Leidenschaft, nicht die der Wahrheit sei! denn es wäre eine sehr harte Wahrheit in dem Munde einer sehr grausamen Person.
Der Ärger und die Hitze, die Amalie bei dieser Unterredung blicken ließ, machten auf Consuelo’s edle Seele wenig Eindruck. Sie dachte einige Augenblicke nachher schon wieder einzig an ihr Unternehmen, und dieser Traum, den sie nährte, Albert seiner Familie zurückzugeben, wob eine Art kindlicher Lust in die Einförmigkeit ihrer Beschäftigungen.
Sie bedurfte dessen sehr, um der langen Weile zu entgehen, mit welcher sie bedroht war und welche für ihren ämsigen und rastlos schaffenden Geist eine völlig neue und höchst feindliche, eine tödliche Krankheit gewesen wäre. Wenn sie ihrer ungelehrigen und unaufmerksamen Schülerin eine lange und lästige Musikstunde gegeben hatte, so hatte sie zwar weiter nichts zu tun, und konnte ihre Stimme üben und ihre alten Werke studieren.
Aber dieser Trost, der ihr noch nie versagt hatte, wurde ihr jetzt aufs hartnäckigste streitig gemacht. Amalie, in ihrem geschäftigen Müßiggange, kam jeden Augenblick, und störte und unterbrach sie mit kindischen Fragen und unzeitigen Bemerkungen.
Die übrige Familie war schrecklich finster. Schon fünf tödliche Tage waren verflossen und der junge Graf war nicht wieder gekehrt und jeder neue Tag vergrößerte die Niedergeschlagenheit und Trübsal.
Als Consuelo am Nachmittage mit Amalien im Garten umherging, bemerkten sie Zdenko – jenseits des Grabens, welcher sie vom offnen Felde trennte. Er schien eifrig mit sich selbst zu reden, und in solchem Tone, als ob er sich eine Geschichte erzählte. Consuelo hielt ihre Gefährtin an, und bat sie, ihr zu übersetzen, was der seltsame Mensch spräche.
– Wie soll ich Ihnen Einfälle ohne Sinn und Zusammenhang übersetzen? sagte Amalie, mit den Achseln zuckend. Was er da murmelt, heißt, wenn Sie’s durchaus wissen wollen:
»Es war einmal ein großer Berg, ganz weiß, ganz weiß, und war dabei ein großer Berg, ganz schwarz, ganz schwarz, und war dabei ein großer Berg, ganz rot, ganz rot …«
Wie? Ist das sehr interessant?
– Vielleicht wohl, wenn ich wüsste, was weiter folgt. O, was gäbe ich nicht darum, böhmisch zu verstehn. Ich muss es lernen.
– Es ist gar nicht so leicht wie das Italienische oder Spanische, aber bei Ihrem Fleiß werden Sie es doch lernen, wenn Sie wollen: ich will Ihnen Unterricht geben, wenn es Ihnen recht ist.
– Sie werden ein Engel sein. Unter der Bedingung jedoch, dass Sie geduldiger als Lehrerin sein wollen, als Sie als Schülerin sind. Und was ist das, was Zdenko jetzt sagt?
– Die Berge sprechen jetzt:
»Weshalb, du roter Berg, ganz rot hast du zerschmettert den Berg ganz schwarz?
Weshalb, du weißer Berg, ganz weiß, littst du zerschmettern den schwarzen Berg, ganz schwarz?«
Nun fing Zdenko plötzlich zu fingen an, mit einer schwachen und gebrochenen Stimme, aber so rein und wohlklingend, dass es Consuelo in die tiefste Seele drang. Er sang:
»Schwarze Berge und weiße Berg, viel Wasser braucht ihr vom roten Berge, euer Kleid zu waschen.
Euer Kleid von Missetat schwarz und von Trägheit weiß, euer Kleid von Lügen beschmutzt, euer Kleid von Hochmut blank.
Gewaschen sind sie, gewaschen beide, eure beiden Kleider, die keine andre Farbe wollten: abgenutzt sind sie, abgenutzt beide eure beiden Kleider, die nicht auf der Straße schleppen wollten.
Rot sind nun alle Berge, sehr rot. Alles Wasser vom Himmel braucht es, alles Wasser vom Himmel, sie zu waschen.«
– Ist das improvisiert, oder ist’s ein altes Volkslied? fragte Consuelo.
– Wer kann’s wissen? entgegnete Amalie. Zdenko ist ein unerschöpflicher Improvisator oder ein sehr kundiger Rhapsode. Unsre Bauern hören ihn leidenschaftlich gern und verehren ihn wie einen Heiligen, denn sie halten seinen Wahnsinn mehr für ein Geschenk des Himmels als für ein natürliches Unglück. Sie geben ihm zu essen und halten ihn gut, und wenn er wollte, könnte er die beste Wohnung und die besten Kleider im ganzen Lande haben, denn sie reißen sich alle um das Vergnügen und den Vorteil, ihn bei sich aufzunehmen. Er gilt für einen Glücksbringer und Glücksboten. Wenn sich ein Unwetter zusammenzieht und Zdenko geht gerade vorüber, so sagen sie: Es gibt nichts, hier hagelt’s nicht. Wenn die Ernte schlecht ist, so bitten sie Zdenko, er möchte singen; und da er jedes Mal reiche, gesegnete Jahre verspricht, so trösten sie sich über das heutige mit der Hoffnung auf ein glückliches nächstes.
Zdenko will aber nirgend wohnen. Sein unstäter Sinn führt ihn in die Wälder. Man weiß nicht, wo er nachts Schutz findet, wo er gegen Kälte und Unwetter Zuflucht sucht. Nie hat man ihn seit zehn Jahren unter ein anderes Dach als das unseres Schlosses treten sehen, denn seine Vorfahren, sagt er, wären in allen Häusern des Landes und er dürfte sich nicht vor ihnen zeigen.
Er folgt aber Albert bis in dessen Zimmer, denn er ist Albert eben so ergeben und unterwürfig als sein Hund Ajax. Albert ist der einzige Mensch, der diesen wilden, unbändigen Sinn nach Willkür zügelt, und mit einem einzigen Worte seine