»Kalmückenblut, gemischt mit etwas Germanenblut – Resultat: Russin!« erwiderte Sascha heiter. »Professor, gehen Sie weiter – die Gründe erlasse ich Ihnen, warum ich Ihres Freundes Frau nicht bin.«
»Aber mein gutes allerherzigstes Fräuleinchen«, begann Dr. Glauchau etwas verlegen.
Aber sie unterbrach ihn lachend. »Ich nenne mich mit Stolz eine Malerin und weiß sehr gut, was schön ist, und mein lieber Onkel Hochwald weiß es auch«, rief sie mit so viel Gutmütigkeit, mit feinem Takt den Kernpunkt umgehend, daß der kleine Professor sich unwillkürlich herabbeugte, die schöne Hand der Häßlichen zu küssen.
Iris aber trat rasch, Sigrid am Arme, vor den Gelehrten hin. »Nun zur engeren Wahl«, sagte sie mit ihrem reizenden Lächeln, »wir sind zwei Schwestern, wählen Sie aber die rechte, denn eine von uns beiden muß es jetzt sein.«
»Nu soll mir aber doch einer sagen, was nordisches Blut ist«, rief Dr. Glauchau mit der Bewunderung des Kenners. Blondes Haar, rosige Farben wie die schönste Pfirsichblüte, blaue Augen – ja, ja, nee, nee! Nu eben! Und was nun die Wahl anbetrifft, hier is se sozusagen schon bedeutend erschwerter. Nein, eigentlich gar nicht! Denn mein Herze hat für meinen Hochwald schon entschieden – so liebe klare Veilchenaugen, wo's ganze liebe Herz rausguckt, das ist seine Wahl! Kommen Sie an mein Vaterherze, Kindchen – ich muß Ihnen einen Kuß geben!«
Und der Professor zog unter allgemeinem Jubel Iris ohne weitere Zeremonien an seine Brust und applizierte ihr einen Kuß, dem man den Genuß förmlich anhörte.
Inzwischen war das mitgenommene Wasser im Kessel zum Kochen gekommen und der Tee bereitet, und der so unerwartet erweiterte Kreis lagerte sich um die alte Eiche, wo Iris ihres Hausfrauenamtes waltete, trank den duftigen, kräftigen Trank und plauderte so heiter und ungezwungen, wie man eigentlich nur im Freien, unter grünen Bäumen plaudern kann.
Fürst Hochwald verfolgte nun zunächst sein Ziel, den berühmten Archäologen zu einem längeren Aufenthalte in seinem Hause zu bestimmen, ein Wunsch, den Iris sogleich unterstützte, obgleich der Professor die Einladung nicht annehmen wollte.
»Sie können aber gar nicht an einem Hause vorbeigehen, Herr Doktor, das baulich so interessant ist und eine so unerschöpfliche Fundgrube an alten Möbeln, Sammlungen, Gemälden und Kunstobjekten darstellt«, meinte Iris, dem Professor ein Sandwich mit getrüffelter Schnepfenpastete aussuchend, wie es öfter schon von ihm bevorzugt worden war. »Davon haben wir auch noch mehr zu Hause«, fügte sie neckend hinzu.
»Hören Sie, Sie sind ein Engelchen«, sagte der Professor gerührt, indem er die sechste Tasse Tee austrank und sie zu neuer Füllung an Iris gab. »Ihr altes Haus voller Kunstobjekte könnte mich ja auch höllisch reizen, aber, mein lieber Hochwald, ich will mal ehrlich reden. Sehen Sie – ich habe mich während der Ferien auf die Socken gemacht, um ein paar Lungen voll frischer Luft zu schnappen –«
»Das können Sie bei uns vortrefflich«, unterbrach ihn Hochwald. »Erstens genießen unsere Gäste persönliche Freiheit; zweitens sind wir auf dem Lande, wo von der einen Seite die Seeluft, von der anderen der Ozon des Waldes jedem Luftbedürfnis entspricht; drittens aber können Sie von uns aus täglich Ausflüge zu Wasser und zu Lande machen an Orte, die archäologisch noch verhältnismäßig wenig ausgebeutet sind, und viertens werden Sie für Regentage im Hause selbst auf Monate interessanten Stoff finden.«
»Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie auf dem Lande wohnen, mein bester Hochwald«, sagte der Professor nachdenklich. »Da wäre ich wirklich fast so unbescheiden, ja zu sagen. Darf ich fragen, wo Ihr Haus liegt?«
Hochwald beschrieb die Lage und gebrauchte dabei einmal den Ausdruck »mein Schloß«.
»Hören Sie«, meinte der kleine Gelehrte, »nach Ihrer Beschreibung muß das ja »'n fürstlicher Besitz sein! Aus Ihren Worten am Nil nahm ich eigentlich an, daß Sie in Berlin wohnen. Wie heißt denn Ihr Gut?«
»Hochwald, lieber Professor.«
»Hm! Hm! Ich hab' schon gehört von so 'ner Art Märchenschloß an der See, wo sich die Tizians mit'n Raphaels stoßen – das Schloß aber gehört einem der Erzämtler, einem Fürsten Hochwald.«
»Es stimmt schon, Professorchen, denn es gibt nur einen Fürsten dieses Namens – Ihren Verehrer vom Nil.«
Dem Gelehrten fiel tatsächlich das schöne Schnepfensandwich aus der Hand und natürlich auf die bestrichene Seite ins Moos.
»Das Gesetz der Schwere«, sagte Iris lachend und suchte nach einem Ersatze.
»Und Sie, Sie sind der Fürst von Hochwald? Mit Ihnen hab' ich so wenig Zeremonien gemacht, und Ihre wunderschöne Frau Gemahlin, Durchlaucht, habe ich geküßt? Nee, hören Sie, das war nicht schön von Ihnen!«
»Professor, wo bleibt da die Logik?« lachte Hochwald. »Wie kann von mir nicht schön sein, was Sie tun? Als wir uns vorstellten, sagten Sie: mein Name ist Glauchau, und ich sagte: mein Name ist Hochwald. Den Fürsten laß ich auf Reisen immer zu Hause. Na, darum keine Feindschaft, hoffe ich. Also die Sache ist entschieden, Sie verbringen Ihre Ferien als mein Gast, aber unter der Bedingung, daß ich Hochwald für Sie bleibe, schlichtweg!«
Der kleine Gelehrte warf einen scheuen Seitenblick auf seinen »Freund vom Nil« und einen noch viel scheueren auf die mühsam ihre Heiterkeit verbergende Iris.
»Ja,« sagte er nach einer Weile, »es ist eigentlich ganz gegen meine Prinzipien, den Fürstenknecht zu spielen. Mein Buckel ist nämlich ein wenig sehr steif –«
Nun aber lachte Iris hell hinaus.
»Herr Professor, Sie sind unser Mann«, rief sie lustig. »Mein Mann und ich, wir teilen nämlich ganz, sowohl Ihre Ansicht als auch Ihre Steifheit des Rückgrates. Und dann, sehen Sie, sind wir ja gottlob keine Regierenden, sondern einfache Edelleute, die vielleicht etwas höher an den Stufen des Thrones rangieren als andere, aber – es muß ja auch solche Käuze geben, sagt Goethe!«
»Sehr richtig, meine allerschönste und gnädigste Frau Durchlaucht«, erwiderte der Professor immer noch etwas steif. »Aber es ist nun mal so –: ich bin ein Leipz'ger Bürgersohn und aufgewachsen in einem – na, nennen wir's Vorurteil gegen den Adel. Ich bin kein Sozialdemokrat, nein, weiß Gott nicht, das bin ich nicht, aber ich gehöre zu den Leuten, die gegen die veraltete und unzeitgemäße Einrichtung und gegen das dauernde Fortbestehen des Adels überhaupt Front machen. Der Adel ist –«
»Aber Herr Professor«, unterbrach ihn Iris freundlich und mit der ganzen gewinnenden Liebenswürdigkeit ihres Wesens »Wir kennen ja die Schlagworte gegen den Adel zur Genüge. Verrottete Vorurteile, Aristokratie, die sich auf dem Lotterbette der Traditionen faul wälzt, und in dieser Art wohl noch ein paar Dutzend mehr. Meinen Sie aber nicht, daß man ohne seine Prinzipien zu schädigen, trotzdem mit dieser verpönten Kaste verkehren kann, die, fürs erste wenigstens, doch nicht aus dem sozialen Leben zu schaffen ist? Oder glauben Sie nicht, daß die gottlob größere Mehrheit des Adels es ebenso ernst nimmt mit ihren Pflichten als jede andere Kaste? Gibt es denn nur beim Adel verkommene Subjekte, niedrige Gesinnungen und lockere Sitten? – Hat nicht jede Herde ihr schwarzen Schafe?«
Der Professor nickte freundlich.
»Bravo, Frau Fürstin, Sie sind ein beredter Anwalt« sagte er mit merkwürdig sanftem Tonfall; denn Jugend und Schönheit plädierten bei dem alten, schönheitsfrohen Gelehrten fast noch eindringlicher als Worte.
»Meine Frau versteht es immer, eine von ihr vertretene Sache zu führen, und wenn sie sich zum Anwalt dafür macht, muß es eine gute Sache sein«, meinte Hochwald, indem er einen Blick von unsäglichem Glück auf Iris ruhen ließ. »Aber auch ich trete für diese Sache, trete für den Adel ein, dessen Fahne ich gern hochhalten möchte für alle Zeiten als Wahrzeichen für seine Pflichten. Trotzdem möchte auch ich eine zeitgemäße Reform des Adels haben und zwar im Sinne der englischen Adelsordnung. Ich halte es geradezu für einen Fluch, daß bei uns ein schlecht dotierter jüngerer Sohn, eine arme jüngere Linie – der unverheirateten Töchter gar nicht zu gedenken – einen aristokratischen Namen, einen hohen Titel durchs Leben schleppen müssen, einen Titel,