Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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ich daher fragen: Weiß der König um diese Unterredung und ihren Gegenstand?«

      »Seine Majestät weiß und wünscht, daß ich Sie um Ihren Rath bitte,« erwiederte Herr von Bismarck.

      »Dann ist es meine Pflicht, meine unmaßgebliche Meinung zu sagen, soweit ich dieselbe mir bilden kann,« sagte Herr von Manteuffel ruhig, indem er sich auf den neben dem Schreibtisch stehenden Fauteuil niederließ, während Herr von Bismarck auf seinem Arbeitsstuhle Platz nahm. »Bevor ich mich jedoch über die Lage der Dinge aussprechen kann, muß ich wissen, welches Ihre Absichten sind, wo das Ziel Ihrer Politik liegt und durch welche Mittel Sie dasselbe zu erreichen hoffen. — Erlauben Sie,« fuhr er fort, indem er mit einer leichten, artigen Handbewegung eine beabsichtigte Bemerkung des Herrn von Bismarck zurückwies, »daß ich nach meiner ganz privaten und fernstehenden Beobachtung meine Meinung über Ihre Absichten ausspreche, Sie werden mir offen sagen, ob ich Recht habe oder mich täusche.«

      Herr von Bismarck verneigte sich schweigend und richtete sein klares Auge mit dem Ausdruck gespanntester Aufmerksamkeit auf Herrn von Manteuffel.

      »Sie wollen,« fuhr dieser ruhig fort, »nach der Ueberzeugung, die ich mir aus der Verfolgung der Ereignisse gebildet habe, die große deutsche Frage lösen, oder vielmehr beenden. Sie wollen Preußen an die Spitze der ökonomischen und militärischen Macht Deutschlands stellen und Denjenigen die Spitze des Schwertes zeigen, welche sich Ihnen entgegenstellen. Sie wollen mit einem Wort die lange chronische Krankheit, welche man die deutsche Frage nennt, zu einer akuten Krisis treiben und« — fügte er mit leichtem Lächeln hinzu — »durch das Arkanum von Blut und Eisen ein für allemal kuriren.« —

      »Das will ich,« erwiederte Herr von Bismarck, ohne eine Bewegung zu machen und ohne den Ton zu erhöhen, aber seine Stimme vibrirte so eigentümlich, daß der Klang dieser drei Worte wie ein Waffenklirren durch das Zimmer zog, während seinem unverändert auf Herrn von Manteuffel gerichteten Auge ein elektrisches Leuchten entströmte.

      So erklang, als Laokoon's Lanze das Pferd von Troja berührte, aus seinem Innern heraus das leise Klirren der griechischen Waffen, der erste Ton jenes furchtbaren Akkords, vor welchem die Mauern von Pergamus zusammenstürzten und der von den Saiten der Leier Homer's wiederklingend seit zweitausend Jahren die Herzen der Menschengenerationen erbeben läßt.

      »Sie werden sich auch darüber nicht täuschen,« — fuhr Herr von Manteuffel fort, »daß Sie entschlossenem Widerstand gegenüberstehen, daß die Krisis da ist und daß Sie den Kampf aufnehmen müssen und zwar sehr bald, denn wenn mich nicht Alles täuscht, so drängt man auf der andern Seite ebenso zur Entscheidung.«

      »Ich weiß es,« erwiederte Herr von Bismarck.

      »Nun,« fuhr Herr von Manteuffel fort, »so handelt es sich denn um die Mittel des Kampfes. Sie haben zunächst die preußische Armee — ein sehr wesentliches, sehr schwer in die Wagschale fallendes Mittel, dessen Bedeutung ich gewiß am wenigsten verkennen möchte, — Sie haben in dieser Armee Vorzüge, welche ich nicht verstehe, aber nach militärischem Urtheil sehr bedeutend sind: das Zündnadelgewehr, die Artillerie, den Generalstab. — Aber es kommen bei diesem Kampf noch andere Faktoren in Betracht; die Allianzen und die öffentliche Meinung. Die Allianzen scheinen mir sehr zweifelhaft. Frankreich? Sie müssen am besten wissen, wie Sie mit dem schweigsamen Manne stehen, — England wird den Erfolg abwarten — Rußland ist sicher. Die öffentliche Meinung —«

      »Gibt es eine solche?« warf Herr von Bismarck ein. Herr von Manteuffel lächelte fein und fuhr fort: »Die öffentliche Meinung unter gewöhnlichen Verhältnissen ist ein effektvolles Dekorationsstück, das seines lebhaften Eindrucks auf die corona des Publikums nicht verfehlt und bald Fiesco's wogendes Meer, bald die himmlische Lichtwolke in Egmont's Kerker darstellt — für die Maschinisten hinter den Coulissen, ist es eine Maschinerie, welche am rechten Faden zur rechten Zeit an rechter Stelle zu erscheinen hat, — ich glaube, wir kennen Beide die Coulissen und die Maschinerie. — Doch es gibt auch eine andere öffentliche Meinung, welche kommt und da ist wie der Wind, unfaßbar und unlenkbar wie er und furchtbar wie er, wenn er zum Sturme wird. — Der Kampf, welcher im Schooße der nächsten Zukunft liegt, ist ein Kampf von Deutschen gegen Deutsche, ein Bürgerkrieg, und in einem solchen Kampf verlangt die öffentliche Meinung ihr Recht, — sie ist ein mächtiger Alliirter und ein furchtbarer Feind, furchtbar am meisten dem Besiegten, dem sie schonungslos ihr vae victis entgegenruft. Die öffentliche Meinung aber ist gegen den Krieg, in Deutschland vielleicht noch weniger als in Preußen selbst, und gerade bei der Zusammensetzung der preußischen Armee ist das nicht gleichgültig.«

      Herr von Bismarck fuhr lebhaft auf: »Sollten Sie es für möglich halten, daß —«

      »Die preußische Armee ihrer Pflicht vergäße und zu marschiren sich weigerte?« fiel Herr von Manteuffel ein. »Nein, niemals, gewiß nicht — es mögen vereinzelte Unregelmäßigkeiten in der Landwehr vorkommen; sie werden vereinzelt, höchst vereinzelt bleiben, die Armee wird ihre Pflicht thun, sie ist die Inkarnation des Pflichtbewußtseins — werden Sie aber leugnen wollen, daß es ein gewaltiger Unterschied ist, ob die Pflicht mit Freude und Begeisterung oder mit Widerwillen und Abneigung gethan wird?«

      »Die Freude und Begeisterung kommt mit dem Erfolg,« sagte Herr von Bismarck.

      »Aber bis dahin?«

      »Bis dahin muß eben die Pflichterfüllung aushalten und die Leitung ihre Schuldigkeit thun.«

      »Gut,« sagte Herr von Manteuffel, »ich zweifle nicht, daß das geschehen wird; ich wollte nur konstatiren, daß ein in solchem Kampfe mächtiger und bedeutungsvoller Faktor nicht für, sondern gegen Sie ist.«

      »Ich gebe Ihnen Recht für den Augenblick,« entgegnete Herr von Bismarck nach einer sekundenlangen Pause, »heute ist jene öffentliche Meinung gegen mich, die Sie so treffend mit dem Wehen des Windes verglichen, — allein sie wechselt auch eben so leicht wie jener. — Und doch kann ich Ihnen nicht ganz Recht geben. Freilich wohl, diese oberflächlich gebildete Welt, der seichte Liberalismus des Parkets und der Bierstuben spricht von jenem Deutschland, das in ihren Köpfen ein blauer Begriff ist, spricht von Bürger- und Bruderkrieg gegen Oesterreich — aber, glauben Sie mir, im preußischen Volke steckt das nicht, der Geist des preußischen Volkes geht aus der Armee hervor und durch die Armee klingt der hohenfriedberger Marsch — das Volk sieht den Staat Maria Theresia's als den Feind an des preußischen Geistes, den der alte Fritz der Monarchie eingehaucht. — Und jene Redner und Phraseologen? O, sie und ihre öffentliche Meinung fürchte ich nicht, sie werden wie die Wetterfahne vor dem Winde sich zum Erfolg wenden.«

      »Auch ich gebe Ihnen theilweise, nur nicht ganz Recht,« sagte Herr von Manteuffel — »aber der Erfolg? Ist er sicher? Ist er vorbereitet? Wir haben zwei Faktoren berührt; kommen wir zum dritten, vielleicht zum wichtigsten — den Bündnissen. — Wie stehen Sie mit Frankreich, mit Napoleon III.?«

      Bei dieser direkten und scharf accentuirten Frage, welche fast eben so sehr mit dem stahlscharfen Blicke als mit dem Laut der Worte gestellt wurde, zuckten Herrn von Bismarck's Lippen eine Sekunde fast unmerklich und es schien etwas, wie Unsicherheit, Zweifel oder Mißtrauen oder eine Mischung von alledem zusammen über den Spiegel seines Auges zu gleiten — dieß Alles verschwand aber eben so schnell und er antwortete ruhig und mit derselben metallischen Stimme wie vorher:

      »Gut, — so gut als man mit dieser räthselvollen Sphinx stehen kann.«

      »Haben Sie Zusagen, Verträge — oder weit besser als das —haben Sie ein persönliches Wort Napoleon's?« fragte Herr von Manteuffel.

      »Sie inquiriren scharf,« antwortete Herr von Bismarck, doch — ich stehe ja vor meinem Meister; — so hören Sie denn, was in jener Richtung geschehen ist und wie die Frage dort steht.

      »Schon vor zwei Jahren — im November 1864, sprach ich mit dem Kaiser bei Gelegenheit der dänischen Frage — er wünschte lebhaft die Restitution der nordschleswig'schen Distrikte an Dänemark — über die schlimme und bedenkliche Lage der preußischen Monarchie, welche in zwei getheilte Hälften gespalten ist; ich wies ihn darauf hin, wie falsch die Errichtung eines neuen Kleinstaates im Norden wäre und wie viel besser es für Dänemark sein würde, einen großen