Die wichtigsten Werke von Oskar Meding. Oskar Meding. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Oskar Meding
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9788027237470
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aber mächtiger werden zu lassen, — ihm gar die Führung in Deutschland zu lassen — ist ganz gegen das Interesse Frankreichs. — Erlauben mir Eure Majestät zu bemerken, daß nach meiner Ansicht das heutige Frankreich, — das napoleonische Frankreich« — fügte er sich leicht verneigend hinzu, »Preußen und dem Hause Hohenzollern gegenüber dieselbe Politik verfolgen muß, welche das bourbonische Frankreich Oesterreich und dem Hause Habsburg gegenüber befolgt hat. — Wie damals Oesterreich die Tendenz verfolgte, die deutsche Nation militärisch und politisch zu einigen, wie Frankreich überall, wohin es die Hand legte, das Haus Habsburg sich gegenüber fand, so steht heute Preußen überall unserem legitimen Ehrgeiz entgegen, und wenn es ihm durch diesen Krieg gelingen sollte, wirklich die militärischen Kräfte Deutschlands in seiner Hand zu einigen, so wird es alle unsere Wege kreuzen und uns in dem Einfluß beschränken, den wir auf die Angelegenheiten Europas zu nehmen mit Recht berufen sind.«

      »Wenn aber Preußen besiegt wird?« warf der Kaiser ein.

      »Ich glaube nicht an diese Eventualität,« erwiederte Drouyn de Lhuys, »nehmen wir sie indeß an, — was würde dadurch gewonnen? Oesterreich würde dann in unumschränkter Macht an die Spitze von Deutschland treten, und die alten Traditionen des Hauses Habsburg würden, verstärkt durch den Groll über den italienischen Krieg, mit neuer Energie sich zu unserem Schaden geltend machen. — Es gibt nur eine richtige Politik für Frankreich, das ist: den jetzigen Zustand in Deutschland bestehen zu lassen, den Antagonismus von Preußen und Oesterreich zu nähren, zu verschärfen, aber ihn nie bis zum Konflikt und bis zur Entscheidung zu bringen, die Furcht vor den beiden übermächtigen Bundesgliedern aber zu benutzen, um unserem Einfluß an den kleineren deutschen Höfen Eingang und Geltung zu verschaffen. — So werden wir in unscheinbarer Weise, mit leiser Hand das erreichen, was der Kaiser Napoleon I. durch den gewaltsam konstituirten Rheinbund erreichte: — das eigentliche föderirte Deutschland gegen die beiden Großmächte zu unseren Zwecken zu benutzen. — Ich kann nicht glauben, daß es Deutschland gegenüber irgend eine andere Politik für Frankreich geben kann. — Das preußische — oder selbst das österreichische Deutschland muß und wird stets unser Feind sein, — und zwar ein sehr gefährlicher Feind, — halten wir dagegen die beiden deutschen Großmächte auseinander und treiben wir zwischen sie den Keil der auf ihre Souveränetät eifersüchtigen deutschen Königreiche und Herzogthümer, so wird Deutschland — sobald wir nur leise und vorsichtig handeln und nicht geradezu das Nationalgefühl herausfordern — stets von unserem Willen abhängig bleiben.«

      »Sie meinen also — ?« fragte der Kaiser nochmals.

      »Daß Eure Majestät den Ausbruch des deutschen Krieges mit aller Energie verhindern müssen, wenn nicht Frankreichs Stellung in Europa den größten Gefahren ausgesetzt werden soll.«

      Der Kaiser schwieg abermals einige Augenblicke und trommelte mit den Fingern auf der Lehne seines Fauteuils. Dann sagte er:

      »Glauben Sie denn aber, daß ich es vermag, den Krieg zu verhindern, glauben Sie, daß ich stark genug bin, um die bereits halbgezogenen Schwerter wieder in die Scheiden zurückzutreiben? Ja, wenn Palmerston noch lebte« — fügte er sinnend hinzu — »mit ihm wäre es möglich gewesen — aber mit dem heutigen England, das nur große Worte, aber keine Thaten mehr hat? Glauben Sie, daß man meine Stimme allein hören wird? Und wenn man sie nicht hörte? Müßte ich nicht fürchten, daß die Geschichte Jason's umgekehrt sich erfüllte, und daß die beiden Gegner, bereit, über einander herzufallen und sich zu zerfleischen, sich schnell vereint gegen Denjenigen kehren würden, der sich zwischen sie zu stellen unternähme? Ein solches Spiel würde Bismarck ähnlich sehen. — O! ich habe diesen Mann zu groß werden lassen!«

      Drouyn de Lhuys erwiederte ruhig:

      »Ich theile die Bedenken und Besorgnisse nicht, welche Eure Majestät mir anzudeuten so gnädig sind. Ein einfaches Wort von Ihnen wird genügen, um den Krieg zu verhindern. — Ich darf Eure Majestät eine Unterredung mittheilen, welche ich mit Herrn von Bismarck das letzte Mal hatte, als wir uns sahen. — Er setzte mir mit einer großen Offenheit und mit der freiesten Rückhaltslosigkeit auseinander, welche Stellung er für Preußen in Deutschland anstreben müsse und wolle. Den Kampf mit Oesterreich erklärte er für eine in der historischen Entwickelung Deutschlands tief begründete Nothwendigkeit, da Oesterreich niemals freiwillig Preußen die ihm gebührende Stellung zugestehen werde. — ›Ist aber dieser Kampf nothwendig‹ — sagte mir der preußische Minister weiter, — ›und muß ich ihn — wie jede preußische Regierung — als etwas in der logischen Folge der Ereignisse Bedingtes in's Auge fassen — so ist doch der Augenblick, in welchem er stattfinden muß, von dem Willen der Regierungen und von der Staatskunst abhängig. Ich werde gewiß nicht so thöricht sein, einen Krieg auf zwei Kriegstheatern zu unternehmen und gegen Frankreich und Oesterreich zugleich zu schlagen. Wollen Sie also ernstlich den Austrag des chronischen deutschen Konflikts jetzt nicht, so sprechen Sie es klar und offen aus; — ich werde dann warten können?‹ — So Herr von Bismarck. Ich bitte nun Eure Majestät,« fuhr Drouyn de Lhuys fort, »mich autorisiren zu wollen, diese von ihm selbst geforderte deutliche und kategorische Erklärung dahin abgeben zu dürfen, daß Frankreich einen Krieg in Deutschland nicht wolle, und im Falle es dennoch dazu käme, seine Armeen an die Grenzen rücken lassen werde.«

      Der Minister blickte gespannt in das Antlitz des Kaisers, welcher sinnend vor sich hin sah.

      Nach einigen Augenblicken sagte Napoleon:

      »Ich kann Ihre Ansicht nicht vollständig theilen, mein lieber Minister. Ich sehe wie Sie die großen Gefahren, welche aus einem deutschen Kriege für Frankreich erwachsen können; ich verstehe auch vollkommen die Richtigkeit Ihrer Anschauung, daß das alte deutsche Bundesverhältniß uns erlaubt, unsern bestimmenden Einfluß auf sehr bequeme und leichte Weise in Deutschland geltend zu machen. — Aber,« — fuhr er nachdenklich fort, — »läßt sich ein solches Verhältniß erhalten? — Es geht ein Zug durch die Welt, welcher die Nationen treibt, sich zu gemeinsamer Thätigkeit und Arbeit zu agglomeriren — und es scheint mir hoch gefährlich, diesem Zuge der Zeit sich entgegen zu stellen. — Ich weiß, Sie billigen nicht, was ich in Italien gethan — und vielleicht noch thun muß — und doch glaube ich Recht zu haben. Das Leben der Gesellschaft pulsirt heute zu mächtig, als daß sich das Gleichgewicht der Welt durch jene kleinen Gewichtstückchen erhalten ließe, mit denen die alte Politik spielte, indem sie bald eines, bald das andere in diese oder jene Schale der Wage legte. — Die nationalen Agglomerationen müssen sich vollziehen, und unsere Aufgabe ist es nur, auch in unsere Schale das nöthige Gewicht zu bringen, um nicht in die Höhe geschnellt zu werden. — Deutschland übrigens wird sich nicht so bedrohlich für uns gestalten, als Sie fürchten. Zunächst liegt in den germanischen Rassen nicht der Drang nach Centralisation; sie sind nicht offensiv und strebten stets nach föderativer Gestaltung. — Ich sehe auch den Ausgang des Krieges anders an, als Sie. Ich glaube nicht, daß einer der beiden Gegner vollständig und absolut über den andern triumphiren wird, sie werden sich schwächen, — wir werden dem Sieger mäßigend entgegentreten und, wie ich glaube, wird das Resultat das sein, daß Deutschland in drei Theile zerfallen wird: Preußen und Norddeutschland, — Oesterreich — und Süddeutschland. — Dann« — fügte er lächelnd hinzu — »haben Sie die beste Gelegenheit, mein lieber Minister, Ihren Grundsatz: Divide et impera, zur Geltung zu bringen — und Sie werden nicht so viele Detailarbeit haben, als bisher.«

      »Eure Majestät will also den deutschen Krieg nicht verbieten?« fragte Drouyn de Lhuys.

      »Ich glaube es weder zu sollen noch zu können,« antwortete der Kaiser, — »auch Italien drängt mich, mein Wort zu erfüllen: Frei bis zur Adria!«

      »Ein Wort, das Eure Majestät niemals hätten aussprechen sollen,« warf Drouyn de Lhuys mit festem Tone ein.

      »Vielleicht,« sprach Napoleon — »indeß es ist gesprochen — und ich kann nicht alle Fragen offen lassen — schon Mexiko lastet schwer auf mir.«

      Napoleon seufzte lief. Nach einer Pause fuhr er fort:

      »Ich will indeß noch einen Versuch machen, Ihre Ansicht und die meinige vielleicht zu vereinen. — Lassen Sie in Wien anfragen, ob man geneigt sei, Venetien an mich zur Uebergabe an Italien abzutreten. Das würde die Basis einer