Auch die Beweislast unterscheidet zwischen Schuld- und Sachenrecht. Wer Rechte aus einem Vorbehaltskauf verfolgt, muss die Vereinbarung des Eigentumsvorbehalts beweisen, was leicht fällt, wenn der Eigentumsvorbehalt in der Branche üblich ist[376]. Dinglich folgt die Beweislast des Verkäufers aus der gesetzlichen Vermutung des § 1006 I 1, dass der Käufer mit dem unmittelbaren Besitz auch das Eigentum an der Kaufsache erworben habe[377].
Bild 20: Der Eigentumsvorbehalt
1.2 Die gesetzliche Regelung des Vorbehaltskaufs
§ 449 ist, als Bestandteil der Schuldrechtsreform, die einzige Bestimmung des BGB zum Eigentumsvorbehalt[378].
Abs. 1 liefert eine Auslegungsregel für die rechtliche Konstruktion des Eigentumsvorbehalts[379].
Abs. 2 macht den Herausgabeanspruch des Verkäufers davon abhängig, dass er nach § 323 I vom Kaufvertrag zurücktrete.
Abs. 3 ist ein Nichtigkeitsgrund für den Konzernvorbehalt.
1.3 Die gesetzliche Auslegungsregel
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Nach § 449 I übereignet der Verkäufer die bewegliche Kaufsache, an der er sich das Eigentum bis zur Kaufpreiszahlung vorbehält, „im Zweifel“ nur unter der „aufschiebenden Bedingung vollständiger Kaufpreiszahlung“. Er leistet zwar vor, aber nicht in vollem Umfang, sondern nur durch Übergabe und aufschiebend bedingte Übereignung. Man muss hier zwischen Leistungshandlung und Leistungserfolg unterscheiden. Auch der Vorbehaltskauf bezweckt den unbedingten Eigentumserwerb des Käufers, und die Lieferpflicht des Verkäufers erlischt nach § 362 I erst, wenn der Käufer unbedingtes Eigentum erwirbt[380]. Die Leistungshandlung dagegen beschränkt sich auf Übergabe und aufschiebend bedingte Übereignung. Der Leistungserfolg hängt dann nur noch von der Bezahlung des Kaufpreises ab, die der Verkäufer einseitig nicht mehr verhindern kann.
§ 449 gilt nur für den Kauf beweglicher Sachen, denn Grundstücke lassen sich nach § 925 II nicht bedingt übereignen. Obwohl § 449 allgemein vom Vorbehalt des Verkäufers spricht, meint er den vereinbarten Eigentumsvorbehalt[381]. Behält der Autoverkäufer bei der Übergabe des Autos den Kfz-Brief zurück, muss der Käufer dies als Angebot eines Eigentumsvorbehalts verstehen[382]. Auch der vorformulierte Eigentumsvorbehalt in allgemeinen Lieferbedingungen ist wirksam[383]. Der Käufer kann ihn mit einer Abwehrklausel in seinen Einkaufsbedingungen verhindern[384]. Gegen den nicht vereinbarten einseitigen Eigentumsvorbehalt des Verkäufers (RN 141) hilft dies freilich nicht[385].
1.4 Der Herausgabeanspruch des Verkäufers
Nach § 449 II darf der Verkäufer aufgrund des Eigentumsvorbehalts die Vorbehaltsware vom Käufer nur heraus verlangen, wenn er vom Kaufvertrag nach § 323 oder § 216 II 2 zurückgetreten ist oder sich die Herausgabe vertraglich ausbedungen hat. Der Verzug des Käufers mit der Kaufpreiszahlung genügt dafür nicht[386].
Nach wirksam erklärtem Rücktritt darf der Verkäufer die Ware sowohl nach § 346 I als auch nach § 985 zurückfordern. Erst der Rücktritt des Verkäufers, nicht schon der Zahlungsverzug des Käufers, nimmt dem Käufer nach § 449 II das Recht zum Besitz, das ihm der Kaufvertrag nach §§ 433 I, 986 I 1 verschafft hat[387]. Solange der Kaufvertrag besteht, ist der Käufer zum Besitz der Kaufsache berechtigt[388].
Nach § 216 II 2 darf der Verkäufer schon dann zurücktreten, wenn der Kaufpreisanspruch verjährt ist und der Käufer deshalb die Zahlung verweigert[389]. Und das Besitzrecht des Käufers erlischt auch dann, wenn der Verkäufer die Vorbehaltsware kraft Vereinbarung einstweilen als Sicherheit zurücknehmen darf[390].
1.5 Die Spielarten des Eigentumsvorbehalts
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Man unterscheidet zwischen einfachem, verlängertem und erweitertem Eigentumsvorbehalt. Der einfache Eigentumsvorbehalt sichert die Kaufpreisforderung derart, dass der Verkäufer
das Eigentum an der beweglichen Kaufsache bis zur Kaufpreiszahlung behält und der Käufer darüber gemäß § 185 I nur mit Ermächtigung des Verkäufers verfügen kann (RN 2268).
Der verlängerte Eigentumsvorbehalt ist aus der Notwendigkeit geboren, dass viele Käufer den Kaufpreis erst mit dem Erlös aus der Weiterveräußerung bezahlen können. Diese Veräußerung aber bedarf nach § 185 I der Ermächtigung des Verkäufers. Der Verkäufer wiederum gibt sein Eigentum nur preis, wenn er dafür eine andere Sicherheit bekommt.
Der verlängerte Eigentumsvorbehalt besteht deshalb aus vier Teilen:
- | einem gewöhnlichen Eigentumsvorbehalt nach §§ 929, 158 I; |
- | einer Verfügungsermächtigung des Verkäufers gegenüber dem Käufer nach § 185 I; |
- | einer Sicherungsabtretung der künftigen Kaufpreisforderung des Käufers aus dem Weiterverkauf nach § 398 an den Verkäufer; |
- | einer treuhänderischen Ermächtigung des Verkäufers gegenüber dem Käufer analog § 185 I, die künftige Kaufpreisforderung einzuziehen[391]. |
Bild 21: Der verlängerte Eigentumsvorbehalt
Der Käufer darf die unter verlängertem Eigentumsvorbehalt gelieferte Ware, obwohl sie ihm noch nicht gehört, im normalen Geschäftsgang weiterveräußern[392] und die abgetretene Kaufpreisforderung aus dem Weiterverkauf, obwohl sie ihm nicht mehr gehört, weiterhin einziehen, um mit dem Erlös den Kaufpreis zu bezahlen[393]. Der verlängerte Eigentumsvorbehalt bietet sich auch dann an, wenn der Käufer die Vorbehaltsware nicht weiterveräußern, sondern verarbeiten oder verbauen will (§§ 946, 947, 950). Hier lässt sich der Verkäufer die Werklohnforderung des Käufers als Sicherheit abtreten oder vereinbart, dass der Käufer für ihn verarbeite[394].
Der erweiterte Eigentumsvorbehalt macht den Eigentumserwerb des Käufers von der Bezahlung aller seiner Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Verkäufer abhängig. Der Kontokorrentvorbehalt