Oft macht die Rechtsprechung den Verkäufer in derartigen Fällen sogar wegen Verletzung eines stillschweigend vereinbarten Beratungsvertrags direkt nach § 280 I 1 haftbar (RN 620 f.).
4. Die Irrtumsanfechtung des Verkäufers
Da das Kaufrecht nur die Sachmängelrechte des Käufers abschließend regelt, darf der Verkäufer den Kaufvertrag ungeniert nach § 119 II anfechten, wenn er über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Kaufsache, etwa über die Echtheit eines Kunstwerks, geirrt und sie deshalb viel zu billig verkauft hat[349].
1. Das gesetzliche System
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Der Verbrauchsgüterkauf nach §§ 474-479 ist ein Bestandteil des europäischen Verbraucherschutzrechts, die Auslegung durch den EuGH für die nationalen Gerichte verbindlich[350].
Die EU hat freilich am 20.5.2019, in Kraft seit 11.6.2019, eine neue Richtlinie zum Verbrauchsgüterkauf erlassen, welche die EU-Staaten binnen 2 Jahren in nationales Recht verwandeln sollen[351]. Da Deutschland dies noch nicht getan hat, gelten die §§ 474-479 BGB weiterhin.
Nach § 474 handelt es sich immer dann um einen Verbrauchsgüterkauf, wenn ein Verbraucher (§ 13) von einem Unternehmer (§ 14) eine bewegliche Sache, ob neu oder gebraucht, kauft[352], auch wenn der Unternehmer daneben Dienste leisten soll. Die Beweislast trägt der Käufer[353].
Ausgenommen ist nach § 474 II 2 nur der Kauf gebrauchter Sachen in einer öffentlichen Versteigerung[354], an der auch der Verbraucher teilnehmen kann. Ob die versteigerte Sache neu oder gebraucht sei, bestimmt nicht der Parteiwille sondern die Verkehrsanschauung[355].
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Auch der Verbrauchsgüterkauf ist ein Kauf nach §§ 433 ff.[356], für den aber nach §§ 474 II 1 ergänzend die besonderen Vorschriften der §§ 475-479 gelten, nachdem sie zum 1.1.2018 nochmals tiefschürfend geändert worden sind:
- | § 475 regelt ergänzend die Leistungszeit (I) und abweichend von § 447 I den Gefahrübergang beim Versendungskauf (II). Im Falle des § 349 V muss der Käufer weder Nutzungen herausgeben noch ihren Wert ersetzen[357], und auch die §§ 445, 447 II sind nicht anwendbar (III). Ist die eine Art der Nacherfüllung ausgeschlossen oder kann der Unternehmer sie verweigern, darf er die andere Art nicht verweigern, weil sie unverhältnismäßig teuer ist[358], aber er kann den Aufwendungsersatz auf einen angemessenen Betrag beschränken (IV). § 440 S. 1 ist auch in diesem Fall anwendbar (V). Schließlich hat der Verbraucher Anspruch auf einen Vorschuss für den Aufwendungsersatz nach § 439 II, III (VI). |
- | § 476 schließt eine vertragliche Beschränkung der Mängelhaftung des Verkäufers im Voraus weitgehend aus und soll auch Umgehungsgeschäfte verhindern (RN 134). |
- | § 477 ändert die Beweislast für den Zeitpunkt der Entstehung eines Sachmangels (RN 135). |
- | § 478 regelt den Rückgriff des Unternehmers (RN 137) und § 479 die Garantie (RN 136). |
Ein Widerrufsrecht hat der Käufer eines Verbrauchsgutes nach §§ 312g I, 355, 356, 357 nur, wenn der Vertrag außerhalb der Geschäftsräume des Unternehmers oder im Fernabsatz geschlossen wurde (RN 1873, 1878; Ausnahmen in § 312g II).
2. Keine vertragliche Haftungsbeschränkung im Voraus
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Nach § 476 I 1 kann sich der Unternehmer auf eine Vereinbarung nicht berufen, die zum Nachteil des Verbrauchers von §§ 433-435, 437, 439-443, 474-479 abweicht und vor der Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffen wurde. Damit ist jede Beschränkung der Sach und Rechtsmängelhaftung im Voraus ausgeschlossen mit einer Ausnahme: Nach § 476 III können Schadensersatzansprüche des Käufers beschränkt und ausgeschlossen werden, jedoch „unbeschadet der §§ 307 bis 309“, die vorformulierten Haftungsbeschränkungen Grenzen setzen (RN 106).
§ 476 I 1 ist, nicht anders als die §§ 307-309, ein Nichtigkeitsgrund; die abweichende Formulierung: „… kann der Unternehmer sich nicht berufen …“ soll lediglich verhindern, dass die nichtige Haftungsbegrenzung nach § 139 den ganzen Kaufvertrag vernichte[359].
Nach § 476 II lässt sich die Verjährung der Mängelansprüche aus § 437 mit § 438 für neue Ware nicht unter 2 Jahre und für gebrauchte Ware nicht unter 1 Jahr abkürzen, bevor der Mangel dem Unternehmer mitgeteilt wird[360]. Schadensersatzansprüche sind nach § 476 III ausgenommen, jedoch „unbeschadet der §§ 307-309“.
3. Die Umgehung des Verbraucherschutzes
§ 476 I 2 erklärt die gesetzlichen Vorschriften der Mängelhaftung auch dann für unabdingbar, „wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden“. Rechtslogisch ist dies eine unsinnige Regel. Das Gesetz muss durch klare Formulierung schon selbst sagen, wann der Kauf ein Verbrauchsgüterkauf sei. Entweder sind die gesetzlichen Voraussetzungen eines Verbrauchsgüterkaufs erfüllt oder sie sind es nicht. Das Vehikel der Gesetzesumgehung verschleiert das Problem nur, statt es zu lösen.
Umgehen Verkäufer und Käufer das strenge Gesetz etwa dann, wenn sie nach § 434 I 1 eine mindere Beschaffenheit vereinbaren, sodass es an einem Sachmangel fehlt? Um einen Verbrauchsgüterkauf