Schuldrecht nach Anspruchsgrundlagen. Kurt Schellhammer. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Kurt Schellhammer
Издательство: Bookwire
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Год издания: 0
isbn: 9783811456495
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      2.1 Ein Gestaltungsrecht

      Das Minderungsrecht ist ein Gestaltungsrecht, das der Käufer nach §§ 441 I 1, 130 I 1 durch unwiderrufliche Erklärung gegenüber dem Verkäufer ausübt[147]. Welchen Inhalt diese Erklärung haben soll, verrät das Gesetz nicht. Da der Käufer mit einer Bezifferung der Minderung überfordert wäre, genügt die allgemeine Erklärung, den Kaufpreis wegen eines bestimmten Mangels herabsetzen zu wollen; andernfalls wäre die überhöhte Minderung unwirksam und die zu bescheidene Minderung ein unnötiger Rechtsverlust.

      Nach § 441 II können nur alle Käufer gemeinsam mindern und nur gegenüber allen Verkäufern.

      2.2 Die Herabsetzung des Kaufpreises

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      Nach § 441 III „ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde“. Soweit erforderlich, ist die Minderung zu schätzen.

      Die Minderungsformel respektiert den vereinbarten Kaufpreis und orientiert sich am Wert der Sache in mangelfreiem und in mangelhaftem Zustand[148]. Der Käufer darf nicht einfach den Minderwert der Kaufsache, etwa in Höhe der Nachbesserungskosten, vom Kaufpreis abziehen, sondern muss an der Preisvereinbarung anknüpfen, es sei denn, die mangelfreie Sache ist exakt den Kaufpreis wert[149].

      Gemindert wird der vereinbarte Kaufpreis nach der Formel[150]:

geminderter Kaufpreis = vereinbarter Kaufpreis × Wert der mangelhaften Sache
Wert der Sache ohne Mangel

      Beispiel

      Kauft der Käufer für 1 000,– € Ware, die mangelfrei 800,– €, mangelhaft aber nur 600,– € wert ist, muss er nur noch bezahlen:

1 000,– × 600,– = 750,– €.
800,–

      Stets kürzt die Minderung, anders als die Aufrechnung, den letztrangigen Teil der Kaufpreisforderung[151]. Vollständig erlischt die Kaufpreisforderung nur, wenn der Mangel die Kaufsache völlig unbrauchbar macht[152].

      Wer aber setzt den Kaufpreis herab: der Käufer oder das Gericht? Nach § 441 III ist es wohl das Gericht, denn der „Kaufpreis wird nicht schon durch die Minderungserklärung des Käufers herabgesetzt, sondern „ist herabzusetzen“, und auch die Schätzung obliegt dem Gericht.

      2.3 Die Rückforderung des überzahlten Kaufpreises

      Hat der Käufer bereits mehr als den geminderten Kaufpreis bezahlt, darf er nach § 441 IV den Mehrbetrag vom Verkäufer zurückfordern, nicht aus ungerechtfertigter Bereicherung, sondern nach den günstigeren Rücktrittsregeln der §§ 346 I, 347 I.

      2.4 Minderung und Schadensersatz

      Zwischen Rücktritt und Minderung darf der Käufer nach § 441 I wählen, denn die beiden Rechte sind gleichwertig. Dann aber kann der Käufer entsprechend § 325 auch die Minderung mit dem Schadensersatz kombinieren und nach § 280 I 1 Ersatz des Schadens verlangen, der durch die Minderung nicht ausgeglichen wird[153].

      Und lässt sich ein Minderungsbetrag nicht ermitteln, darf der Käufer auch noch nach der Erklärung der Minderung gemäß § 437 Nr. 3 Ersatz des Mangelschadens verlangen[154].

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      Da der Käufer nach § 441 I 1, „statt zurückzutreten“, den Kaufpreis mindern darf, hat das Minderungsrecht die gleichen Voraussetzungen wie das Rücktrittsrecht, also einen Sachkauf, einen Sachmangel bei Gefahrübergang und den Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung, die der Käufer dem Verkäufer nach § 323 I erfolglos gesetzt hat (RN 62). Ausnahmsweise entbehrlich ist die Frist nur nach §§ 323 II, 326 V, 440 (RN 63)[155].

      Die Beweislast trägt der Käufer.

      Nach § 437 Nr. 2 mit §§ 323 VI, 438 V ist das Minderungsrecht aus den gleichen Gründen ausgeschlossen wie das Rücktrittsrecht (RN 65).

      Jedoch kann der Käufer auch dann mindern, wenn der Sachmangel unerheblich ist, denn § 441 I 2 schließt den § 323 V 2 ausdrücklich aus. Dies eröffnet dem Querulanten ein reiches Betätigungsfeld, denn „unerheblich“ heißt doch nichts anderes, als dass ein vernünftiger Mensch über den Mangel hinwegsieht.

7. Kapitel Der Anspruch des Käufers auf Schadensersatz oder Aufwendungsersatz

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      Nach § 437 Nr. 3 mit §§ 440, 280, 281, 283, 311a darf der Käufer vom Verkäufer wegen eines Sachmangels Schadensersatz oder nach § 437 Nr. 3 mit § 284 Ersatz seiner vergeblichen Aufwendungen verlangen. Das ist ein steiler Gipfel der „Verweisungskunst“.

      Sieht man genau hin, gibt es nicht weniger als fünf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz.

- Nach § 280 I ist der Schaden zu ersetzen, der dem Käufer durch die Pflichtverletzung des Verkäufers in Gestalt eines Sachmangels entstanden ist.
- Schadensersatz statt der Leistung, hier anstelle der Kaufsache, gibt es nur nach § 280 III mit § 281 oder nach § 280 III mit § 283 oder nach § 311a II 1.
- Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung, hier der mangelfreien Lieferung oder Nacherfüllung, bekommt der Käufer nur nach § 280 II mit § 286.

      Hinzukommt der Anspruch des Käufers auf Ersatz seiner nutzlosen Aufwendungen nach § 284, aber nur an Stelle des Schadensersatzes statt der Leistung.

      Das Gesetz überschüttet den Käufer geradezu mit Ersatzansprüchen. Der § 437 Nr. 3 gleicht freilich mehr einem Puzzlespiel als einer durchsichtigen, handlichen Gesetzesvorschrift. Die Gesetzesreformierer, die fernab jeder Praxis am grünen Tisch sich neue Rechtsregeln ausdenken, finden immer größeren Gefallen an unübersichtlichen Verweisungen, mag die Praxis zusehen, wie sie damit zurechtkommt.

      Der Käufer muss sich darüber klar werden, welchen Schaden er ersetzt haben will und ob er die tatsächlichen Voraussetzungen des begehrten Schadensersatzes im Streitfall auch wird beweisen können.

      Zwischen Schadensersatz und Rücktritt oder Minderung muss er nicht mehr wählen, sondern darf nach § 325