Die Beweislast für den Sachmangel bei Gefahrübergang trägt der Käufer erst, wenn er nach § 363 die Kaufsache als Erfüllung angenommen hat (RN 53). Beweisen muss er auch den Fehlschlag eines Nacherfüllungsversuchs[102].
Der Sachmangel wird für alle Sachmängelrechte des Käufers einheitlich im 8. Kapitel (RN 80 ff.), der Gefahrübergang im 9. Kapitel (RN 96 ff.) dargestellt.
4. Der Ausschluss des Nacherfüllungsanspruchs
4.1 Die Unmöglichkeit der Nacherfüllung
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Nach § 275 I entsteht der Nacherfüllungsanspruch des Käufers ausnahmsweise nicht, wenn und soweit die Nacherfüllung objektiv für jedermann oder auch nur subjektiv für den Verkäufer von Anfang an unmöglich ist. Der Nacherfüllungsanspruch erlischt, wenn und soweit die Nacherfüllung später unmöglich wird[103]. Die Beweislast trägt der Verkäufer[104].
Ist oder wird nur die Mängelbeseitigung oder nur die Ersatzlieferung unmöglich, beschränkt sich der Nacherfüllungsanspruch auf die andere Leistung.
Sind oder werden beide Leistungen unmöglich, weil der Sachmangel irreparabel ist und auch kein Ersatzstück zur Verfügung steht, erlischt nicht nur das Wahlrecht, sondern der ganze Nacherfüllungsanspruch des Käufers, und das Tor zum Rücktritt (§ 323), zur Minderung (§ 441) und zum Schadensersatz statt der Leistung (§§ 281, 283, 311a II) steht weit offen, denn mit dem Nacherfüllungsanspruch entfällt auch die Nachfrist, die das Gesetz für diese Rechte normalerweise voraussetzt[105] .
Beispiele
- | Der Käufer erwirbt nach Besichtigung und Probefahrt einen Gebrauchtwagen als unfallfrei, bekommt aber einen Unfallwagen. Dagegen hilft nach § 275 I keine Nacherfüllung. Weder lässt sich der Mangel, der dem Unfallauto anhaftet, auf irgendeine Weise beseitigen, noch kann der Verkäufer einen Ersatzwagen liefern, denn der Gebrauchtwagenkauf ist ein Stückkauf, aus dem auch § 439 I keinen Gattungskauf machen kann (BGH NJW 2006, 2839). Obwohl eine Nacherfüllung von Anfang an objektiv unmöglich ist, erklärt § 311a I den Kaufvertrag für wirksam. Dem Käufer bleiben nach §§ 437 Nr. 2 und Nr. 3, 323, 311a II 1 das Minderungs- oder Rücktrittsrecht und ein Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung oder auf Ersatz seiner Aufwendungen |
- | Auch aus dem Kauf eines Gemäldes, das laut Expertise ein echter „Nolde“ sein soll, sich aber als Fälschung entpuppt, lässt sich nie und nimmer ein echter „Nolde“ machen, und auf den echten „Nolde“, falls es ihn gibt, hat der Käufer keinen Anspruch, denn er hat nicht den „Nolde“, sondern die Fälschung gekauft (dazu Wertenbruch NJW 2004, 1977). |
- | Der käuflich erworbene Hundewelpe leidet anlagebedingt an einer Fehlstellung des Sprunggelenks, die nicht operabel ist. Dies schließt eine Nacherfüllung aus. Und wenn der Züchter nach §§ 280 I 2, 311a II 2 den Mangel nicht zu vertreten hat, kann der Käufer nur vom Kauf zurücktreten oder den Kaufpreis mindern (BGH NJW 2005, 2852). |
- | Bestellt der Käufer im Internet eine Uhr als echt goldene Omega, erhält er aber nur eine vergoldete asiatische Fälschung, scheidet eine Mängelbeseitigung wiederum aus, aber der Käufer hat nach § 439 I Anspruch auf die Ersatzlieferung einer echt goldenen Omega zum vereinbarten Preis, wenn dieser Kauf ein Gattungskauf ist und der Markt Omega-Uhren dieser Art anbietet. |
Der Verkäufer wird nach § 275 I aber nur von seiner Liefer- und Nacherfüllungspflicht, nicht auch von seiner Sachmängelhaftung befreit, sondern bleibt dem Käufer nach § 275 IV mit §§ 280 I 1, 281, 283, 284, 311a II 1 zum Schadensersatz oder Aufwendungsersatz verpflichtet, es sei denn, er habe den Mangel nach § 280 I 2 oder § 311a II 2 nicht zu vertreten.
4.2 Sonstige Erlöschensgründe
Der Nacherfüllungsanspruch überlebt zwar die Frist, die der Käufer dem Verkäufer nach §§ 281, 323 zur Nacherfüllung gesetzt hat, erlischt aber, sobald der Käufer den Rücktritt oder die Minderung erklärt oder gemäß § 281 IV Schadensersatz statt der Leistung verlangt, denn damit wickelt er den Kaufvertrag unwiederbringlich ab.
Wenn der Käufer den Fehler macht, den Mangel vorschnell selbst zu beseitigen, ohne dass er dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt oder die gesetzte Frist abgewartet hat und die Fristsetzung auch nicht ausnahmsweise entbehrlich war, verliert er nicht nur den Anspruch auf Nacherfüllung, sondern auch alle anderen Mängelrechte (RN 49)[106].
4.3 Das Leistungsverweigerungsrecht des Verkäufers
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Nach § 439 IV 1 darf der Verkäufer die vom Käufer gewählte Mängelbeseitigung oder Ersatzlieferung verweigern, wenn sie unverhältnismäßig teuer ist. Das Gesetz nimmt dem Verkäufer diese Nacherfüllungspflicht nicht einfach ab, wie § 275 I es tut, sondern berechtigt ihn nur zur Leistungsverweigerung; erst die berechtigte Verweigerung der überteuerten Nacherfüllung begründet eine dauerhafte Einrede gegen den Nacherfüllungsanspruch[107]. Der Käufer behält nach § 439 IV 3 den Anspruch auf die andere Art der Nacherfüllung, so der Verkäufer nicht auch sie zu Recht als überteuert verweigert.
Beispiele
- | Die Reparatur eines billigen Massenartikels: eines Fotoapparates oder einer Quarzuhr kostet leicht mehr, als die Sache wert ist, während die Ersatzlieferung sehr viel billiger kommt. |
- | Umgekehrt steht der Aufwand für die Ersatzlieferung einer wertvollen Druckmaschine in keinem Verhältnis zu einem kleinen Mangel, der leicht und billig repariert werden kann. |
- | Das Wohnhaus ist vom Hausbock befallen und die Mängelbeseitigung derart teuer, dass der Verkäufer eine Nacherfüllung total verweigern darf (BGH NJW 2015, 468). |
Die „unverhältnismäßigen Kosten“, auf die § 439 IV 1 abstellt, sind freilich keine feste Größe, auch wenn § 439 IV 2 den Wert der Kaufsache, die Bedeutung des Mangels und den Aufwand für die andere Art der Nacherfüllung berücksichtigt haben will.
Die Schwelle der Verhältnismäßigkeit ist jedenfalls dann überschritten, wenn die Kosten der Nacherfüllung insgesamt entweder den Wert der Kaufsache in mangelfreiem Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts übersteigen[108]. Dem Käufer bleibt dann ein Anspruch auf Ersatz des mangelbedingten Minderwerts oder der Mängelbeseitigungskosten[109].
Jedoch ist der Verkäufer, der eine Mängelbeseitigung nach § 439 IV 1 zu Recht ablehnt, nicht verpflichtet, die unverhältnismäßig hohen Kosten einer Mängelbeseitigung als Schadensersatz voll zu ersetzen, sondern nur in Höhe des mängelbedingten Minderwerts, es sei denn, den Verkäufer treffe ein schweres Verschulden[110].
§ 439 IV 1 gilt „unbeschadet des § 275 II, III“. Der praktische Wert dieser Verweisung ist minimal.