1. Die Rechtsgrundlage
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Nach § 437 Nr. 2 mit §§ 440, 323, 326 V darf der Käufer wegen eines Sachmangels vom Kaufvertrag zurücktreten. Das ist eine imposante Rechtsgrundlage, besteht sie doch aus nicht weniger als vier Vorschriften.
Nicht mehr zur Rechtsgrundlage gehören freilich § 323 V 2 und § 323 VI, denn sie schließen den Rücktritt aus und verschaffen dem Verkäufer eine rechtshindernde Einwendung.
2. Die Rechtsfolgen des Rücktrittsrechts und des Rücktritts
2.1 Ein Gestaltungsrecht
Das Rücktrittsrecht des Käufers nach § 437 Nr. 2 ist ein Gestaltungsrecht, das der Käufer nach §§ 349, 130 I 1 durch unwiderrufliche Erklärung gegenüber dem Verkäufer ausübt, denn die Rücktrittsregeln der §§ 346 ff. gelten nicht nur für das vertragliche, sondern direkt auch für das gesetzliche Rücktrittsrecht (RN 1500 ff.).
Das Rücktrittsrecht ist nach § 351 unteilbar: Mehrere Käufer können nur gemeinsam zurücktreten und nur allen Verkäufern gegenüber.
Bild 14: Das Rücktrittsrecht des Käufers
2.2 Die Rückabwicklung des Kaufvertrags
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Mit dem Zugang der Rücktrittserklärung beim Verkäufer wird der Rücktritt des Käufers nach § 130 I 1 wirksam und verwandelt das vertragliche Kaufverhältnis unwiederbringlich in ein gesetzliches Rückgewährschuldverhältnis mit den Rechtsfolgen der §§ 346 ff. (RN 1503 ff.)
Die vertraglichen Erfüllungsansprüche aus § 433 erlöschen, soweit sie noch nicht erfüllt sind[112], und die Rückgewähransprüche aus §§ 346, 347 gehen in die entgegengesetzte Richtung. Mit den Erfüllungsansprüchen erlöschen auch die Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung[113] sowie die forderungsabhängigen Sicherheiten, falls sie nicht auch die Rückgewähransprüche sichern sollen[114].
Die §§ 346, 347 sind Anspruchsgrundlagen. Nach §§ 346 I, 348, 320, 322 sind die empfangenen Leistungen Zug um Zug zurückzugeben. Der Käufer hat Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises, muss selbst aber die Kaufsache zurückgeben und, falls er bereits Eigentum erworben hat, zurückübereignen. Er klagt deshalb auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückübereignung und Rückgabe der Kaufsache[115].
Hat der Käufer beim Kauf eines Neuwagens seinen Altwagen in Zahlung gegeben, klagt er auf Rückübereignung des Altwagens oder, wenn der Altwagen schon weiterveräußert ist, auf Zahlung des vereinbarten Mindestverkaufserlöses[116].
Nach § 346 I mit § 100 hat der Käufer die gezogenen Nutzungen herauszugeben[117]. Dazu gehört auch der Gebrauchsvorteil durch Fahren im gekauften Auto oder Wohnen auf dem gekauften Grundstück[118]. Unter den Voraussetzungen des § 347 I hat der Käufer sogar Nutzungen zu ersetzen, die er nicht gezogen hat, aber hätte ziehen können und sollen. Dies gilt sogar für den Verbrauchsgüterkauf, denn § 475 III 1 schließt einen Nutzungsersatz nur für die Nacherfüllung aus[119].
Kann der Käufer die Kaufsache aus irgendeinem Grund nicht mehr unversehrt zurückgeben, hat er nach § 346 II (Ausnahmen in III 1) ihren Wert zu ersetzen, zumindest nach § 346 III 2 die Bereicherung auszugleichen[120]. Verletzt er seine Rückgewährpflicht aus § 346 I, schuldet er dem Verkäufer nach § 346 IV mit § 280 I 1 Schadensersatz, wenn er sich nicht nach § 280 I 2 entlastet.
Unter den Voraussetzungen des § 347 II hat der Käufer Anspruch auf Ersatz seiner Verwendungen, die er auf die Kaufsache gemacht hat[121].
Einheitlicher Erfüllungsort für alle Ansprüche aus dem Rücktritt ist der Ort, an dem die Kaufsache sich vertragsgemäß befindet und das tut sie meist beim Käufer[122].
Da die Ansprüche aus dem Rückgewährschuldverhältnis keine Mängelansprüche nach § 437 Nr. 1 und Nr. 3 sind, verjähren sie nicht nach § 438, sondern normal nach §§ 195, 199[123].
2.3 Rücktritt und Schadensersatz
Zwischen Rücktritt und Schadensersatz muss der Käufer nach § 325 nicht wählen, sondern darf die beiden Rechte kombinieren[124].
3. Die Voraussetzungen des Rücktrittrechts
3.1 Die Beweislast
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Nach § 437 Nr. 2 mit § 323 I hat das Rücktrittsrecht des Käufers drei Voraussetzungen: einen Sachkauf, der stets ein gegenseitiger Vertrag ist, einen Sachmangel bei Gefahrübergang (RN 81 ff.), der stets eine Vertragsverletzung ist, und den Ablauf einer angemessenen Frist, die der Käufer dem Verkäufer zur Nacherfüllung gesetzt hat. Dies alles muss der Käufer beweisen.
Die §§ 323 II, 440, 326 V erleichtern den Rücktritt, indem sie ausnahmsweise von einer Nachfrist absehen; auch dafür hat der Käufer die Beweislast.
§ 323 V 2, VI dagegen schließen den Rücktritt aus und begründen rechtshindernde Einwendungen, die der Verkäufer beweisen muss.
Der Sachmangel allein ist noch kein Rücktrittsgrund, der Käufer darf erst zurücktreten, nachdem er dem Verkäufer Gelegenheit und Zeit gegeben hat, mangelfrei nachzuerfüllen. Jeder Mangel erfordert eine Nachfrist[125].
Ohne Nachfrist kein Rücktritt[126], es sei denn das Gesetz selbst befreie den Käufer ausnahmsweise von der Fristsetzung[127].
3.2 Die angemessene Frist zur Nacherfüllung
Nach § 323 I, einer Vorschrift des allgemeinen Leistungsstörungsrechts, muss der Gläubiger, bevor er zurücktritt, dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt haben. Als Gläubiger des Lieferanspruchs aus § 433 I muss also der Käufer dem Verkäufer eine Frist zur gewählten Art der Nacherfüllung setzen. Die Frist soll angemessen sein. Ihre Dauer hängt von der Art des Sachmangels ab und soll es dem Verkäufer ermöglichen, die mangelhaft begonnen Lieferung mangelfrei zu vollenden.[128] Einen fixen Endtermin muss der Käufer dem Verkäufer nicht vorgeben, eine Frist setzt er auch mit dem Verlangen nach unverzüglicher,