3.3 Der sofortiger Rücktritt ohne Nachfrist
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In sieben Fällen darf der Käufer sofort vom Kaufvertrag zurücktreten, ohne dem Verkäufer eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt zu haben. Drei Fälle liefert § 323 II[131], drei Fälle steuert § 440 bei, einen weiteren Fall findet man in § 326 V. Die Beweislast für diese Ausnahmen trägt der Käufer, denn sie erleichtern seinen Rücktritt[132]. Weitere Ausnahmen gibt es nicht[133].
Ausnahmsweise entbehrlich ist die Frist zur Nacherfüllung:
- | nach § 323 II Nr. 1, wenn der Verkäufer die Nacherfüllung ernsthaft und endgültig verweigert[134]; |
- | nach § 323 II Nr. 2, wenn der Verkäufer die mangelfreie Verschaffung der Kaufsache vertraglich zu einem fixen Termin oder binnen fixer Frist versprochen und der Käufer sein Erfüllungsinteresse von der prompten Erfüllung abhängig gemacht hat. Gemeint ist der Fixkauf: Vereinbarungsgemäß soll der Kauf mit pünktlicher Lieferung stehen und fallen[135]; |
- | nach § 323 II Nr. 3, wenn „im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung“ besondere Gründe unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen[136]; |
- | nach § 440 S. 1, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung nach § 439 IV zu Recht verweigert; |
- | nach § 440 S. 1, wenn die geschuldete Art der Nachbesserung fehlgeschlagen ist[137]. Nach dem zweiten erfolglosen Nachbesserungsversuch gilt die Nachbesserung gemäß § 440 S. 2 im Regelfall als fehlgeschlagen[138]; |
- | nach § 440 S. 1, wenn eine Nacherfüllung dem Käufer nicht zumutbar ist[139]; |
- | nach § 326 V mit § 275, wenn der Verkäufer keine Nacherfüllung schuldet, weil sie unmöglich ist[140] oder einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. |
Der vorsichtige Käufer lässt sich auf solcherart dubiose Ausnahmen besser nicht ein, sondern setzt dem Verkäufer stets eine, wenn auch knappe Frist zur Nacherfüllung, denn der verfrühte Rücktritt ist unwirksam. Lediglich die endgültige Leistungsverweigerung des Verkäufers erlaubt gefahrlos einen sofortigen Rücktritt, wenn der Käufer sie schwarz auf weiß nachweisen kann.
3.4 Der Rücktritt nach einer Teilleistung
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Liefert der Verkäufer nur einen Teil der verkauften Ware, darf der Käufer nach § 323 V 1 nur dann vom ganzen Kaufvertrag zurücktreten, wenn er an der Teilleistung nicht interessiert ist. Diese Sonderregel beschränkt sich auf die Lieferung einer Mindermenge, die nach § 434 III einem Sachmangel gleichsteht[141].
Für den Kauf von Sachen, die nach dem Parteiwillen zusammengehören (Briefmarkensammlung, Meissner Porzellan-Service) gilt nicht § 323 V 1, sondern § 323 V 2 (RN 65).
3.5 Der Rücktritt vor Fälligkeit der Verkäuferpflicht
Nach § 323 IV, auf den § 437 Nr. 2 auch verweist, darf der Käufer, obwohl der Sachmangel gemäß § 434 I 1 erst mit dem Gefahrübergang rechtserheblich wird, schon vor Fälligkeit seines Lieferanspruchs vom Kaufvertrag zurücktreten, wenn die Kaufsache jetzt schon mangelhaft ist und der Verkäufer den Sachmangel aller Wahrscheinlichkeit nach bis zur Lieferung nicht wird beseitigen können oder wollen. Aber das ist eine außerordentliche Ausnahme, die der Käufer auf die Goldwaage legen sollte.
4. Der Ausschluss des Rücktrittsrechts
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§ 437 Nr. 2 mit § 323 V 2, VI schließt den Rücktritt des Käufers wegen eines Sachmangels in zwei Fällen aus:
- | Nach § 323 V 2, wenn die Pflichtverletzung des Verkäufers in Gestalt des Sachmangels unerheblich ist. Unerheblich ist der Sachmangel, wenn er die Brauchbarkeit der Kaufsache nur wenig mindert[142]. Den Maßstab liefert die Verkehrsanschauung. Die Beweislast für diese Ausnahme trägt der Verkäufer[143]. |
Beispiele
- | Der Benzinmehrverbrauch des als spritsparend verkauften Neuwagens beträgt weniger als 10 % (BGH NJW 2007, 2111; NJW 96, 1337: 13 % erheblich). |
- | Der Minderwert des gekauften Unfallfahrzeugs ist geringer als 1 % des Kaufpreises (BGH NJW 2008, 1517). |
- | Der Verkäufer liefert statt der bestellten blauen eine schwarze Corvette (BGH ZGS 2010, 223). |
- | Stets erheblich ist der Mangel, den der Verkäufer arglistig verschwiegen oder über den er sonstwie arglistig getäuscht hat (BGH NJW 2006, 1960; 2008, 1371: Vertrauensbruch). |
- | Nach § 323 VI ist der Rücktritt ausgeschlossen, wenn der Sachmangel allein oder überwiegend vom Käufer zu verantworten oder während des Annahmeverzugs des Käufers entstanden und vom Verkäufer nicht zu vertreten ist. Die zweite Alternative passt nicht ins Konzept der Sachmängelhaftung. Nach § 434 I muss der Sachmangel bei Gefahrübergang vorhanden sein. Da die Gefahr nach § 446 S. 3 aber schon mit dem Annahmeverzug auf den Käufer übergeht, ist der Verkäufer bereits nach §§ 437, 446 S. 3 für Mängel der Kaufsache, die erst während des Annahmeverzugs entstehen, nicht mehr verantwortlich. |
§ 438 IV 1 liefert mit § 218 einen weiteren Ausschlussgrund: Der Rücktritt des Käufers ist unwirksam, wenn sein Nacherfüllungsanspruch gemäß § 438 verjährt ist und der Verkäufer die Verjährungseinrede erhebt[144]. Die Kaufpreiszahlung darf der Käufer nach § 438 IV 2 gleichwohl verweigern, soweit der Rücktritt ihn dazu berechtigt hätte. Verweigert er die Zahlung, darf der Verkäufer nach § 438 IV 3 vom Kaufvertrag zurücktreten.
Was nicht im Gesetz steht: Das Rücktrittsrecht erlischt, wenn der Mangel während der vom Käufer gesetzten Nachfrist beseitigt wird, auch wenn die Nachfrist nach § 323 II überflüssig war[145]. Und wird der Mangel mit Zustimmung des Käufers nach dessen Rücktritt beseitigt, kann sein Festhalten am Rücktritt gegen Treu und Glauben verstoßen[146].
1. Die Rechtsgrundlage
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Nach §§ 437 Nr. 2, 441 darf der Käufer wegen eines Sachmangels den Kaufpreis mindern, wenn er nicht vom Kaufvertrag zurücktritt. Zwischen diesen beiden Rechten hat er die Wahl.
Bild 15: Das Minderungsrecht des Käufers