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Darüber hinaus hat die Europäische Kommission mit der Evaluation der Fernabsatzrichtlinie für Finanzdienstleistungen begonnen und die Evaluation der Wohnimmobilienkreditrichtlinie angekündigt.
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Wie unter Randnummer 17 bereits ausgeführt, hat der EuGH am 9.9.2021 über die Vorabentscheidungsfragen des LG Ravensburg (Rechtssachen C-33/20, C-155/20 und C-187/20) verhandelt und entschieden. Dabei ist das Gericht der Stellungnahme des Generalanwalts weitgehend gefolgt und hat darüber hinaus weitere Fragen des LG Ravensburg behandelt, so die Fragen, welche Angaben zu den Kündigungen zu machen sind und wie detailliert die Beschreibung der Berechnung einer Vorfälligkeitsentschädigung zu sein hat. Hinsichtlich der Angaben zu den Kündigungsmöglichkeiten bestätigt der EuGH wohl die Auffassung des BGH (BGH v. 5.11.2019 – XI ZR 650/18, WM 2019, 2353 Rn. 26), dass nur das Kündigungsrecht nach Art. 13 der Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG) Gegenstand der Pflichtangabe ist. Dagegen legt der EuGH Art. 10 Abs. 2 Buchstabe r Verbraucherkreditrichtlinie (2008/48/EG) dahingehend aus, dass im Kreditvertrag die Methode für die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung „in einer konkreten und für einen Durchschnittsverbraucher leicht nachvollziehbaren Weise“ anzugeben ist, die den Verbraucher in die Lage versetzt, die Höhe der von ihm zu zahlenden Vorfälligkeitsentschädigung anhand der erteilten Informationen selbst zu bestimmen. Angesichts des in Deutschland geltenden Rechts, dass die Vorfälligkeitsentschädigung nach den von der Rechtsprechung entwickelten Methoden (Aktiv-Aktiv oder Aktiv-Passiv) zu berechnen ist, stellt diese Forderung eine Herausforderung für die Kreditpraxis, aber auch für die Gerichte dar, deren weitere Entwicklung noch nicht absehbar ist.
Kapitel 4 StaRUG als neue Sanierungsoption – ausgewählte Aspekte
Restrukturierungsplan und Sanierungsvergleich
I. Der Restrukturierungsplan als Herzstück des StaRUG
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Am 1. Januar 2021 ist das neue Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) in Kraft getreten. Mit dem StaRUG hat man einen „Werkzeugkasten“ für Unternehmen geschaffen, mittels dessen eigenständig Sanierungen angestoßen werden können und durch das Gericht nur subsidiär unterstützt werden.1 Dreh- und Angelpunkt des StaRUG ist der in den §§ 2ff. StaRUG normierte Restrukturierungsplan, für den es noch keinen „Standard“ gibt und auch keine abschließende Meinung zur erforderlichen Form und zum Umfang der einzureichenden Unterlagen.
1. Anforderungen an den Restrukturierungsplan
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Die allgemeinen Vorschriften zu den inhaltlichen Anforderungen des Restrukturierungsplans und zur Planabstimmung befinden sich in den §§ 2 bis 28 StaRUG und sind damit den Regelungen zu möglichen gerichtlichen Verfahrenshilfen vorgelagert. Im StaRUG nicht geregelt ist eine Kontrolle auf inhaltliche Richtigkeit der eingereichten Unterlagen. Aus dem Verweis in § 63 Abs. 1 Nr. 2 StaRUG – Versagung der Bestätigung – auf die Vorschriften des § 14 StaRUG zum Inhalt des Plans und darauf, dass im Rahmen der Bestätigungsprüfung auch die wirtschaftlichen Annahmen des Plans zu prüfen sind und somit auch die gem. § 14 StaRUG geforderten Erklärungen, wird nur auf eine Schlüssigkeitsprüfung abzustellen sein.2
a) Aufbau und Inhalt des Restrukturierungsplans
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Der Restrukturierungsplan gliedert sich gem. § 5 StaRUG in einen darstellenden und einen gestaltenden Teil sowie in die nach den §§ 14 und 15 StaRUG erforderlichen Anlagen. In der Praxis wird das Unternehmen, das ein StaRUG-Verfahren anstrebt, sich bereits seit einem gewissen Zeitraum in Restrukturierungsverhandlungen befinden, sodass in der Regel bereits ein Sanierungskonzept (gem. IDW S 6/BGH-Rechtsprechung) vorliegen wird, das die Basis des Restrukturierungsplans bietet. Im Restrukturierungsplan ist zu plausibilisieren, inwieweit das Unternehmen während und nach dem Verfahren durchfinanziert ist und, ob das Unternehmen nachhaltig sanierungsfähig ist. Wie im Sanierungskonzept sollte eine integrierte Planung erstellt werden, die die Ertrags-, Bilanz- und Liquiditätsrechnung mit der Möglichkeit von Szenarien abbildet.3
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Der darstellende Teil des Restrukturierungsplans dient der Information der Planbetroffenen und des Restrukturierungsgerichts. Er muss alle für die Entscheidung der Planbetroffenen und für die Bestätigungsentscheidung des Gerichts erforderlichen Informationen enthalten. Die Planangaben gem. § 5 S. 2 StaRUG ergeben sich aus einer separaten Anlage zum StaRUG. Ferner sind die Erklärungen der §§ 14, 15 StaRUG beizufügen. Die Planung muss zeigen, dass die drohende Zahlungsunfähigkeit beseitigt und die Bestandsfähigkeit des Schuldners wiederhergestellt werden. Es wird vertreten, dass die Bestandsfähigkeit sich dem Erfordernis einer Sanierungsfähigkeit mit dem Ziel der „Renditefähigkeit“ annähern sollte.4 Möglicherweise kann hier auf ein vorliegendes Sanierungskonzept Bezug genommen werden. Der Restrukturierungsplan beschreibt zunächst den Status quo im Sinne einer Bestandsaufnahme, zeigt anschließend das Restrukturierungsziel und zuletzt die zur Umsetzung des Restrukturierungsziels notwendigerweise zu ergreifenden Maßnahmen auf. Der darstellende Teil beschreibt und erläutert das Restrukturierungskonzept, das auf Grundlage des Plans verwirklicht werden soll. Insbesondere sollen die zu ergreifenden Maßnahmen, ihre Auswirkungen und die Folgen, die sich voraussichtlich einstellen, wenn der Plan nicht angenommen wird, dargestellt werden. Daneben müssen auch Maßnahmen, die nicht über die Gestaltungswirkungen des Plans herbeigeführt werden können, sondern auf anderem Wege umzusetzen sind, aufgezeigt werden. Hierunter fallen insbesondere Maßnahmen der personalwirtschaftlichen und operativen Restrukturierung, die sich nicht im Wege des Restrukturierungsverfahrens realisieren lassen.5
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Gem. § 6 Abs. 2 StaRUG muss der darstellende Teil zudem zwingend eine Vergleichsrechnung – „Best Interests“ – enthalten, die die Auswirkungen des Plans auf die Befriedigungsaussichten der Planbetroffenen aufzeigt. Nur auf Grundlage dieser Vergleichsrechnung lässt sich, im Falle einer Planbestätigung gegen den Willen einzelner Gläubiger, nachweisen, dass diese durch den Plan nicht schlechter gestellt werden als ohne Plan. Die Vergleichsrechnung stellt dem Ergebnis, das gemäß dem Plan zu erwarten ist (Bezugsgröße), das Ergebnis, das ohne Durchführung des Plans zu erwarten wäre (Vergleichsgröße), gegenüber.6 Sie basiert auf einer Prognose, die die wahrscheinlichste Alternative und das nächstbeste Szenario abbilden soll.7 Solange eine Fortführung des Unternehmens angestrebt wird, sind der Vergleichsrechnung gem. Absatz 2 Satz 2 stets Fortführungswerte zugrunde zu legen. Es wäre kaum zu rechtfertigen, dass in einem Verfahren, das explizit auf die Fortführung des Unternehmens gerichtet ist, überstimmte Gläubiger bzw. Gläubigergruppen auf den Liquidationswert verweisen.8 Bei einem Investorenszenario stellt sich die Frage, ob – wie im Insolvenzplanverfahren anerkannt – auf Dual-Track-Basis vorgegangen werden kann. Dies kann, unter Berücksichtigung der Nichtöffentlichkeit des StaRUG-Verfahrens, nicht zielführend sein. Nachdem mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts die Anforderungen an die Vergleichsrechnung gem. § 6 Abs. 2 StaRUG und § 220 Abs. 2 InsO n.F. konkretisiert wurden, nimmt die Diskussion zu, ob man durch eine Szenarien- Betrachtung inkl. darauf aufbauender Unternehmensbewertung den Wert eines Unternehmens ermitteln kann oder, ob sich der wahre Wert eines Unternehmens nur am Markt zeigt und deshalb ein Dual-Track-M&A-Prozess unausweichlich ist. Der Gesetzgeber stellt in der Gesetzesbegründung auf eine „fundierte Begründung“ ab, sodass anstelle eines Dual-Track-Verfahrens