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Zusätzlich zu den Pflichtangaben unter Nr. 1 bis 16 sind die Eventualangaben unter Nr. 17 bis 25 zu berücksichtigen, die nur dann aufzunehmen sind, wenn sie auf den spezifischen Vertrag Anwendung finden. Fällt eine Eventualangabe wegen fehlender Relevanz heraus, ist die Nummerierung neu vorzunehmen. Die Subsumtionspflicht trifft dabei den Darlehensgeber, er muss abschließend entscheiden, ob die Eventualangaben zutreffen oder nicht.45 Diese vom Gesetzgeber geforderte Subsumtionsleistung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH. Auch für die Muster-Widerrufsinformation in Anlage 7 alter Fassung gilt, dass der Darlehensgeber sich nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion der Muster-Widerrufsinformation berufen kann, wenn er in die Widerrufsinformation eine Angabe aufgenommen hat, die auf den konkreten Darlehensvertrag nicht zutrifft.46
29
Trifft eine Eventualangabe nur teilweise zu, ist sie dennoch vollständig aufzunehmen. Bei einem Weglassen dieser Eventualangabe oder einer nur teilweisen Aufnahme verliert der Darlehensgeber das Privileg der Gesetzlichkeitsfiktion (vgl. Gestaltungshinweis 3).
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Obwohl der Gesetzgeber keine materiell-rechtlichen Veränderungen durch die Überarbeitung der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB herbeiführen wollte, lassen hieran die weiteren Ausführungen zu Nr. 17 (Anspruch auf Aushändigung eines Tilgungsplans) durchaus Zweifel aufkommen. Mit der Aufnahme der inhaltlichen Anforderungen an einen Tilgungsplan in Nr. 17, wie sie sich aus Art. 247 § 14 EGBGB ergeben, folgt, dass im Darlehensvertrag nunmehr nicht nur ein Hinweis auf den kostenfreien Anspruch auf Aushändigung eines Tilgungsplans ausreichend ist (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB). Vielmehr sollte der Darlehensvertrag neben diesem Hinweis die inhaltliche Ausgestaltung des Tilgungsplans, wie er sich aus Art. 247 § 14 EGBGB ergibt, enthalten.
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Fragen wirft die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts selbst auf. So wird unter der Pflichtangabe Nr. 12 aufgelistet, dass in dem Darlehensvertrag eine Vertragsklausel enthalten sein muss, die über das Bestehen des Widerrufrechts, die Frist, die Ausübung und die Angabe der Zinszahlungspflicht pro Tag informiert (Art. 247 § 6 Abs. 1 und 2 EGBGB). Nicht aufgenommen wurde jedoch die Regelung in Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB, wonach der Darlehensgeber die Möglichkeit hat, mit dem Abdruck einer Widerrufsinformation, die der Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 EGBGB entspricht, dieser Pflichtangabe nachzukommen. Mit der Regelung unter Nr. 12 in Abschnitt 2 der Widerrufsinformation verknüpft der Gesetzgeber sicher nicht die Vorstellung, dass der Darlehensgeber die Widerrufsinformation zwei Mal vollständig abdruckt. Eher ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber die Vorstellung hatte, dass mit der Aufnahme der Widerrufsinformation in die Vertragsbedingungen die Pflichtangabe nach Nr. 12 als erfüllt anzusehen ist, wie es sich aus Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB ergibt. Um das Risiko einer fehlenden Pflichtangabe möglichst gering zu halten und etwaigen Diskussionen von vornherein zu begegnen, bietet es sich an, eine Vertragsbestimmung aufzunehmen, mit der der wesentliche Inhalt von Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB wiedergegeben wird und diese um den Satz 3 zu ergänzen, dass der Darlehensgeber die Information über das Bestehen eines Widerrufsrechts durch die nachstehend abgebildete oder in dem Darlehensvertrag enthaltene Widerrufsinformation erfüllt. Zwar hält der EuGH47 in seinem Urteil zum Kaskadenverweis den Verweis auf gesetzliche Vorschriften nicht für ausreichend, um den Verbraucher vollumfänglich über seine Rechte und Pflichten zu informieren, ein Verweis innerhalb einer Vertragsklausel auf eine andere Vertragsklausel im selben Vertragsdokument dürfte dem aber nicht entgegenstehen.
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Da der Gesetzgeber mit der neuen Muster-Widerrufsinformation keine materielle Änderung beabsichtigt hat, kann der Darlehensgeber bei der vertraglichen Ausgestaltung der Pflichtangaben auf die Rechtsprechung des BGH zurückgreifen. So hat der BGH bereits zu diversen Vertragsklauseln und ihrer rechtlichen Zulässigkeit entschieden.48 In der Entscheidung vom 5.11.2019 hatte der BGH49 ausgeführt, dass es bei der Angabe zu den Verzugszinsen (Art. 247 § 6 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 11 EGBGB) reicht, wenn der Verbraucher die Information erhält, wie sich der Verzugszins zusammensetzt und insoweit der Wortlaut des § 288 Abs. 1 BGB wiedergegeben wird.
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In derselben Entscheidung hat der BGH sich zu den Angaben zum Zugang zu einer außergerichtlichen Beschwerdestelle geäußert und es für vereinbar mit Art. 247 § 7 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB gehalten, wenn dem Verbraucher die zuständige Beschwerdestelle, ihre Adresse und die Form des Zugangs mitgeteilt werden. Den Abdruck der Verfahrensordnung hat der BGH nicht für erforderlich angesehen. Es reiche der Verweis darauf, wo die aktuelle Verfahrensordnung einzusehen oder zu erhalten ist.50 Diese Auffassung ist zutreffend, da der Verbraucher im Zweifel die zum Zeitpunkt der beabsichtigten Beschwerde gültige Verfahrensordnung kennen und wissen muss, wo er sie erhält oder einsehen kann. Eine Verfahrensordnung, die zwar im Darlehensvertrag abgedruckt, aber wegen etwaiger zwischenzeitlicher Änderungen veraltet ist, hilft dem Verbraucher im Zeitpunkt der Beschwerdeführung nicht. Offensichtlich sieht der Generalanwalt Gerard Hogan dieses in seiner Stellungnahme vom 15.7.2021 in den verbundenen Rechtssachen C 33/20, C 155/20 und C 187/20 in den Vorabentscheidungsverfahren des LG Ravensburg anders. Nach seiner Ansicht muss die Vertragsdokumentation umfassend und vollständig sein. Ein Verweis auf andere Medien oder Dokumente, die außerhalb des Vertrags liegen, sei im Interesse des Verbrauchers nicht zulässig und mit dem Unionsrecht nicht vereinbar. Der EuGH wird in dieser Sache am 9.9.2021 entscheiden. Man kann nur hoffen, dass der EuGH dieser – auch nicht im Interesse des Verbrauchers liegenden Auffassung – nicht folgen wird.
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Darüber hinaus hat sich der BGH zu der Beschreibung der Berechnungsmethode der Vorfälligkeitsentschädigung in einem Allgemein-Verbraucherdarlehensvertrag geäußert und die dort verwendete Vertragsbedingung für zulässig erachtet.51 Danach reiche es aus, wenn die wesentlichen Parameter, die bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung zu berücksichtigen sind, in der Klausel genannt werden. Alle weiteren Ausführungen würden den Verbraucher überfordern und die Klausel nicht verständlicher machen.
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Soweit der Darlehensgeber „das einzuhaltende Verfahren bei der Kündigung des Vertrags“ angeben muss, reicht der Hinweis auf das Kündigungsrecht nach § 500 Abs. 1 BGB.52 Weitere ordentliche oder außerordentliche Kündigungsrechte, die sich aus dem Gesetz ergeben, sind unter dieser Pflichtangabe nicht anzugeben. In der Widerrufsinformation wird diese Pflichtangabe unter Nr. 15 aufgelistet.
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Zwischenfazit: Die Neugestaltung der Widerrufsinformation in Anlage 7 war nach der Rechtsprechung des EuGH zu erwarten und ist insoweit in ihrer Ausgestaltung grundsätzlich nicht überraschend. Der Entschluss des Gesetzgebers, der Kreditwirtschaft eine angepasste Widerrufsinformation zur Verfügung zu stellen, ist zu begrüßen und trägt