Im Klageerzwingungsverfahren entscheidet das OLG, ob entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft öffentliche Klage zu erheben ist.[121] Der auf den Klageerzwingungsantrag eines Berechtigten (§ 172 Abs. 2 StPO) ergehende Beschluss des OLG nach § 174 StPO ist endgültig und kann im fachgerichtlichen Rechtszug nicht mehr abgeändert werden (§§ 172 Abs. 4, 304 Abs. 4 S. 2 Hs. 1 StPO). Auch die Erhebung einer Gegenvorstellung wäre durch § 174 Abs. 2 StPO ausgeschlossen. Die dem Antrag stattgebende Entscheidung des OLG verändert die Rechtsstellung des Beschuldigten zu seinem Nachteil, da sie die ihm günstige Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft aufhebt und zugleich deren Pflicht begründet, Anklage zu erheben. Dieses gerichtliche Verfahren innerhalb des Klageerzwingungsverfahrens hat darum selbstständige Bedeutung.[122]
c) „Rückfallposition“ Verfassungsbeschwerde gegen die Vollstreckung des Strafurteils?
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Mängel eines Strafurteils können grds. nur mit der Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil selbst, nicht gegen seine Vollstreckung (also den Beschluss nach § 458 Abs. 1 StPO) geltend gemacht werden. Nur soweit die Vollstreckungsbehörde bei der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens selbst im Rahmen ihrer eigenen Entscheidungsbefugnisse neue Grundrechtsverletzungen verursachen würde, ist eine Verfassungsbeschwerde gegen den Vollstreckungsakt zulässig.[123]
Anmerkungen
Seit BVerfGE 1, 97 (100 ff.); BVerfGE 4, 27 (30); BVerfGE 6, 445 (447); BVerfGE 12, 354 (361) = NJW 1961, 1107.
Zur (noch) h. M. HStR-Degenhart § 114 Rn. 28; a.A. insbesondere Voßkuhle NVwZ 2003, 2193.
Zu den Einzelheiten sogleich hinter Rn. 103.
BVerfGE 60, 253 (269) = NJW 1982, 2425; genauer unten Rn. 114.
BVerfGE 10, 302 (308); BVerfGE 16, 119 (121).
BVerfGE 1, 10 (11); BVerfGE 57, 9 (23 f.) = NJW 1981, 1154; BVerfGE 66, 39 (56 ff.) = NJW 1984, 601; BVerfGE 77, 170 (210) = NJW 1988, 1651.
BVerfGE 58, 1 (26 ff.) = NJW 1982, 507 (508 f.); BVerfGE 68, 1 (93) = NJW 1985, 603 f.; BVerfG, NJW 1990, 974.
Dies gilt trotz ihrer unmittelbaren innerstaatlichen Wirkung auch für EU-Verordnungen; vgl. Schlaich/Korioth Rn. 214; Hillgruber/Goos Rn. 161 ff.
BVerfGE 73, 339 (387) = NJW 1987, 577; BVerfGE 118, 79 (95 ff.) = NVwZ 2007, 937.
Siehe BVerfGE 89, 155 (174 f.) = NJW 1993, 3047; BVerfGE 123, 267 = NJW 2009, 2267 (2272 Tz. 240 ff.). Zusf. Nettesheim NVwZ 2002, 932 f.
Nicht ausreichend ist also grds. (siehe aber sogleich Rn. 100) die durch ein konkretes Strafverfahren induzierte Behauptung, eine Maßnahme sei nur im konkreten Einzelfall grundrechtswidrig, vgl. nur BVerfGE 140, 317 (334 Tz. 36 ff.) = NJW 2016, 1149 m. Anm. Kühne StV 2016, 299; BVerfGE 102, 147 (164) = NJW 2000, 3124.
Vgl. nur BVerfGE 30, 292 (310) = NJW 1971, 1255.
Siehe die Überblicke bei Ahlbrecht in: Internationales Strafrecht, Rn. 994 ff.; Jahn Gutachten C zum 67. DJT 2008, S. C 117 ff.
Siehe zu den – umstrittenen – Einzelheiten BVerfGE 113, 154 (162) = NJW 2005, 3483; 57, 9 (24 f.) = NJW 1981, 1154; BVerfGE 63, 197 (207, 215) = NJW 1983, 1723; zusf. Brodowski JR 2016, 415 (421 f.); Karaosmanoglu/Ebert DVBl. 2016, 875 (878 ff.).
Vgl. die einstweilige Anordnung des BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats StV 2016, 586 (587 Tz. 19 ff.), allerdings im konkreten Fall im Hauptsacheverfahren auch den Nichtannahmebeschluss v. 6.9.2016, StV 2017, 241 (Tz. 27 ff.) m. Anm. Esser.
BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats Beschl. v. 15.1.2016 – 2 BvR 1860/16; BVerfG, 3. Kammer des 2. Senats Beschl. v. 15.6.2016 – 2 BvR 468/16.
BVerfGE 140, 317 (341 f. Tz. 50) = NJW 2016, 1149; zusf. Thiemann Jura 2012, 902 (906). Siehe erg. unten Rn. 150.
So auch Kühne StV 2016, 299 (300) und Satzger NStZ 2016, 514 (522): „wird [...] nicht recht klar“. Welche Blüten dies trotz des Grundsatzes iura novit curia in der Kammerrechtsprechung treiben kann, wird erneut im Nichtannahmebeschl. v. 6.9.2016, StV 2017, 241 m. insoweit abl. Anm. Esser deutlich (vgl. auch unten Rn. 274). Dort wird unter dem Gesichtspunkt materieller Subsidiarität beanstandet, dass der Beschwerdeführer sich nur zur Menschenwürderelevanz des Umgangs mit dem Schweigerecht in § 35 des britischen Criminal Justice and Public Order Act 1994 verhalten habe, nicht auch zu § 34 des gleichen Gesetzes. Die 2. Kammer des 2. Senats folgert daraus, dass das Fachgericht „vor diesem Hintergrund keinerlei Veranlassung (hatte – d. Verf.), sich mit § 34 dieses Gesetzes auseinanderzusetzen oder auch nur den Wortlaut dieser Vorschrift in Erfahrung zu bringen“. Ein Modell der inhaltlichen Verknüpfung von Menschenwürdegrundsatz und den Mindestgarantien eines fairen Strafverfahrens („abgeschwächte Unerträglichkeitsthese“) entwickelt Jahn ZStW 127 (2015), 549 (572 ff.). Ob auf seiner Basis die Substantiierungsanforderungen gewahrt würden, ist noch nicht entschieden.
Vgl. nur BVerfGE 57, 250 (284) = NJW