(3) Sonstige Maßnahmen im Vorverfahren
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Für Maßnahmen im Vorverfahren lässt sich der Satz aufstellen, dass dann, wenn gegen eine Ermittlungsmaßnahme ein eigener fachgerichtlicher Rechtsschutzweg eröffnet ist, regelmäßig auch die Verfassungsbeschwerde zulässig sein muss.[76] Daraus folgt etwa, dass gerichtliche Anordnungen nach § 81a StPO, da sie in einem selbstständigen Zwischenverfahren anfechtbar sind (§ 304 Abs. 1 StPO), typischerweise nach Erschöpfung des Beschwerderechtszuges und unter Beachtung des Subsidiaritätsgrundsatzes auch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden können.[77] Ein zweites Beispiel: Das Gericht hat in zahlreichen Senats- und Kammerentscheidungen Verfassungsbeschwerden unmittelbar gegen den Erlass von Durchsuchungsbefehlen und Beschlagnahmebeschlüssen des Ermittlungsrichters für zulässig erachtet.[78] Auch hier muss aber zunächst der Rechtsbehelf nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO analog geltend gemacht und ggf. der Beschwerderechtsweg beschritten werden.[79] Die Durchsicht von Papieren nach § 110 StPO gehört zwar formal zur Durchsuchung, ist aber der Beschlagnahme angenähert. Erst die auf den Rechtsbehelf nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO ergangene Entscheidung des Amtsgerichts ist daher selbstständig anfechtbar.[80]
(1) Geschäftsverteilungsplan
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Die Anfechtung eines Geschäftsverteilungsplans i. S. d. §§ 21e ff. GVG mit der Verfassungsbeschwerde ist grds. zulässig.[81]
(2) Gerichtsstandbestimmung
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Entscheidungen über den Gerichtsstand kraft Übertragung nach § 15 StPO ergehen in einem besonderen Verfahrensgang, der die örtliche Zuständigkeit für das künftige Hauptverfahren festlegt und den gesetzlichen Richter für das Verfahren endgültig bestimmt. Die Richtigkeit des Verweisungsbeschlusses kann in dem anschließenden Hauptverfahren nicht mehr geprüft werden und ist nicht Gegenstand des Endurteils.[82] Ein solcher Verweisungsbeschluss ist selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbar.[83]
(3) Eröffnungsbeschluss
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Bei der Eröffnung der Hauptverhandlung handelt es sich nach der Rechtsprechung des BVerfG um eine nicht – auch nicht mit der Beschwerde – anfechtbare Zwischenentscheidung (§ 210 Abs. 1 StPO), die daher grds. nicht selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann, da der Verfassungsverstoß im Ausgangsverfahren zum Gegenstand der fachgerichtlichen Nachprüfung gemacht werden kann. Der Eröffnungsbeschluss kann somit in der Regel nur zusammen mit der Revisionsentscheidung angefochten werden.[84] Dies trifft auch dann zu, wenn der Angeschuldigte eine entscheidungserhebliche Frage des europäischen Gemeinschaftsrechts aufgeworfen und Vorlage an den EuGH beantragt hat.[85] Der Grundsatz der Unanfechtbarkeit gilt im Übrigen auch für die Festlegung der Gerichtsbesetzung in der Hauptverhandlung.[86]
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Etwas anderes kann wiederum nur dann gelten, wenn dem Beschwerdeführer die Beschreitung des Rechtsweges unzumutbar ist, zum Beispiel dann, wenn ihm allein wegen der Durchführung der Hauptverhandlung Gefahren für Leib oder Leben drohen.[87] Das Vorliegen einer Verfassungsverletzung, welche im weiteren fachgerichtlichen Verfahren nicht mehr folgenlos ausgeräumt werden kann, hat das Gericht auch in einem echten Ausnahmefall angenommen, in dem das Fachgericht schon mit seiner Entscheidung, die gegen den Eröffnungsbeschluss gerichtete Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, den Justizgewährungsanspruch verletzt und zugleich die Ausstrahlungswirkung des Art. 103 Abs. 3 GG verkannt hatte. Die Vorschrift bietet nämlich bekanntlich nicht nur Schutz vor Doppelbestrafung, sondern über den Wortlaut hinaus auch bereits Schutz vor doppelter Strafverfolgung.[88] Allerdings enthebt auch die Behauptung, schon die Durchführung eines neuen Strafverfahrens könne eine Verletzung von Art. 103 Abs. 3 GG darstellen, nicht ohne Weiteres von der Beachtung des Gebotes der Rechtswegerschöpfung. Zugunsten des Beschwerdeführers hat das Gericht auch dann entschieden,[89] wenn auf die gegen den Eröffnungsbeschluss des erkennenden Gerichts gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft nach § 210 Abs. 2 StPO weitere Entscheidungen ergangen sind, weil es sich dann um ein selbstständig eingeleitetes Rechtsmittelverfahren handele.[90]
(4) Verfahrensverbindung
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Der Beschwerdeführer, der in der gerichtlich angeordneten und dem Rechtsmittel der einfachen Beschwerde entzogenen Verfahrensverbindung durch das erkennende Gericht (§§ 2, 4, 305 S. 1 StPO)[91] eine Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte sieht, kann diesen Verfassungsverstoß im Revisionsverfahren in die Verfahrensrüge ermessensmissbräuchlicher Verfahrensverbindung kleiden.[92] Die Entscheidung über die Verbindung stellt deshalb nach Ansicht des BVerfG[93] eine Zwischenentscheidung dar, die grds. einer Anfechtung durch die Verfassungsbeschwerde entzogen ist.
(5) Ladung zum Termin
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Zu den grds. nicht mit der Verfassungsbeschwerde anfechtbaren Zwischenentscheidungen zählen auch Terminsladungen. Die Frage der Beschwerdefähigkeit von Terminsverfügungen ist bekanntlich auch in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur umstritten.[94] Dies reflektiert sich in der nicht immer vorhersehbaren verfassungsgerichtlichen Spruchpraxis; die grundsätzliche Linie zeichnet sich hier aber durch verfassungsgerichtlichen judicial restraint aus.
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Eine selbstständige Anfechtbarkeit wird ausnahmsweise z. B. dann zu bejahen sein, wenn in der Ladung zu einem Hauptverhandlungstermin konkludent die Rücknahme eines den Beschwerdeführer begünstigenden Beschlusses, etwa über die vorläufige Einstellung des Verfahrens gem. § 205 StPO, zu sehen ist. Dieser Beschluss ist zumindest dann anfechtbar, wenn dem Beschwerdeführer möglicherweise der Eintritt einer gesundheitlichen Gefahr oder Gesundheitsschädigung aufgrund der Fortführung des Verfahrens und somit eine eigenständige, im weiteren Verfahren nicht mehr zu behebende Beschwer droht.[95] Dazu tritt der Fall, dass es dem Angeklagten von vornherein unzumutbar ist, an dem Termin teilzunehmen. Das Gericht hat dies allerdings für einen Fall verneint, in dem das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht erkennen ließ, dass er durch die Teilnahme an einem Hauptverhandlungstermin, in dem seine Verhandlungsfähigkeit mit Hilfe von Sachverständigen und sachverständigen Zeugen geklärt werden sollte, in seinen Grundrechten verletzt würde.[96]
(6) Richterablehnung
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Das Gericht hat sich mit der Frage, ob Entscheidungen über die Ablehnung des Richters als Zwischenentscheidungen anzusehen sind, die nicht selbstständig mit der Verfassungsbeschwerde angefochten werden können, häufig, wenn auch nicht selten nur obiter dictu und einzelfallorientiert beschäftigt.[97] Eine klare Linie ist freilich der Judikatur wegen der komplizierten und vielfach gespaltenen Rechtswege und -behelfe im Recht der Richterablehnung kaum zu entnehmen. Im Strafverfahren kann die Mitwirkung eines befangenen Richters bekanntlich als absoluter Revisionsgrund nach §