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Der Entwurf der Bundesregierung für das „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs“[1] war in erheblichem Maße beeinflusst von den Ergebnissen des von der Bundesregierung eingesetzten Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“.[2] Ausgangspunkt der gesetzgeberischen Überlegung war, dass sich gerade solche Betroffene aufgrund des von ihnen oftmals so empfundenen Scham- und Schuldgefühls zum Teil erst nach Jahrzehnten dazu durchringen können, die geschehenen Straftaten anzuzeigen und straf- bzw. zivilrechtlich gegen die Täter vorzugehen. Im damaligen Entwurf wurden Vorschriften zur Vermeidung von Mehrfachvernehmungen, zur Ausweitung der Bestellung von Verletztenanwälten sowie zur Stärkung von Verletztenrechten aufgeführt. Außerdem sollten die zivilrechtlichen Schadenersatzansprüche erst nach 30 Jahren verjähren, soweit Opfer sexuellen Missbrauchs und vorsätzlicher Verletzung anderer höchst persönlicher Rechtsgüter betroffen sind. Neben der Vermeidung von Mehrfachvernehmungen und der Erleichterung der Bestellung eines Verletztenanwalts für volljährig gewordene Missbrauchsopfer wurden die Ausschlussmöglichkeiten der Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung mit minderjährigen Verletzten ergänzt und die Informationsrechte von Verletzten erweitert. Der Entwurf präzisierte auch die Vorschriften über die Zuständigkeit der Jugendgerichte in Jugendschutzsachen und fasste die Qualifikationsanforderungen an Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte verbindlicher.[3] Dieser Gesetzesentwurf wurde in der Stellungnahme des Bundesrates vom 27.5.2011 noch ergänzt, so u.a. indem in § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB die Altersgrenze auf 21 Jahre erhöht werden sollte.
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Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wurde der Gesetzesentwurf zum Teil heftig kritisiert.[4] In der Stellungnahme der BRAK vom Juni 2011 wurde bereits in der Vorbemerkung ausgeführt, dass spätestens mit den Regelungen, die der Gesetzgeber mit dem sog. „2. Opferrechtsreformgesetz“ einführte, nach Auffassung des Strafrechtsausschusses der Bundesrechtsanwaltskammer das Gleichgewicht des deutschen Strafprozesses zu Lasten von Beschuldigten- und Verteidigungsrechten empfindlich gestört war.[5] Der Strafrechtsausschuss bemängelte, dass von Straftaten betroffene Zeugen noch weitergehende Beteiligungs- und Informationsrechte zugestanden und auch im Vergleich zu sonstigen Zeugen bei der unmittelbaren Sachverhaltsaufklärung anders behandelt werden sollten.[6] Die im Entwurf vorgeschlagene erweiterte Möglichkeit, unmittelbare Aussagen von erwachsenen Zeugen, die als Kinder oder Jugendliche durch eine der im § 255a StPO genannten Straftaten verletzt worden sein sollen, in der Hauptverhandlung ebenfalls durch die Vorführung einer videotechnischen Aufzeichnung ihrer Vernehmung im Ermittlungsverfahren zu ersetzen, würde maßgebliche Prinzipien des Strafprozesses durchbrechen, insbesondere das der Unmittelbarkeit. Dass die Mitglieder des erkennenden Spruchkörpers einschließlich der Schöffen aus Gründen des Verletztenschutzes künftig in noch größerem Umfang als bisher in solche Verfahren ihre Überzeugung ohne die unmittelbare Einvernahme des wichtigsten Beweismittels finden sollten, also ohne sich ein eigenes unmittelbares Bild von der Qualität der Aussage und des Zeugen machen zu können, würde die Wahrheitsfindung, aber auch die Gewährleistung effektiver Verteidigungsmöglichkeiten des Angeklagten, erheblich einschränken.
Die Regelung zur Ausweitung von Informationsrechten des Verletzten im Strafverfahren begegnete ebenso erheblichen Bedenken, da sie für nicht ausgewogen gehalten wurde. Es würde die Gefahr bestehen, dass derart unausgewogene Gesetzesinitiativen das genaue Gegenteil der beabsichtigten Wirkung bewirken könnte.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › XI. Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs vom 26.6.2013 › 2. Wesentlicher Inhalt
2. Wesentlicher Inhalt
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Mit dem „Gesetz zur Stärkung der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs“ wurden insbesondere die Rechte kindlicher und jugendlicher Opfer von Sexualstraftaten gestärkt. Zur Vermeidung von Belastungen, die durch Mehrfachvernehmungen entstehen, wurden die Möglichkeiten zur Aufzeichnung von Zeugenvernehmungen auf Bild-, Tonträger und deren Vorführung in der Hauptverhandlung durch die neugefassten §§ 58a, 255 StPO erweitert. Des Weiteren sollen diese Vernehmungen durch den Richter durchgeführt werden. § 69 Abs. 2 S. 2 StPO räumte Verletztenzeugen darüber hinaus die Möglichkeit ein, sich zu den Auswirkungen der Tat zu äußern. Die Möglichkeiten, die Öffentlichkeit von der Hauptverhandlung auszuschließen, wurde im Fall von minderjährigen Zeugen gem. § 171b GVG ergänzt und gleichzeitig die Bestellung eines Verletztenanwalts für zum Tatzeitpunkt minderjährige Geschädigte, die zwischenzeitlich volljährig geworden sind, in § 397a StPO erweitert. Ebenso wurden die Mitteilungspflichten zu Gunsten des Verletzten in § 406d Abs. 2 Nr. 3 StPO erweitert. Neben der Verlängerung des Ruhens der Verjährung in Fällen des § 78b Abs. 1 Nr. 1 StGB bis zur Vollendung des 21. Lebensjahr des Geschädigten wurde gleichzeitig in § 197 Abs. 1 BGB auch die Verjährungsfrist für die zivilrechtlichen Ansprüche des Verletzten auf 30 Jahre angehoben. Im Bereich des Jugendstrafrechts wurden die besonderen Anforderungen an Jugendrichter und Jugendstaatsanwälte verbindlicher vorgegeben und deren erforderliche Kenntnisse auf dem Gebiet der Kriminologie, Pädagogik, Sozialpädagogik sowie der Jugendpsychologie ausdrücklich betont.[7]
Anmerkungen
BGBl. I, 1805 v. 26.6.2013.
Bundesministerium der Justiz/Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend/Bundesministerium für Bildung und Forschung Abschlussbericht – Runder Tisch Sexueller Kindesmissbrauch, beschlossen am 30.11.2001, abrufbar unter der Adresse http://www.bmjv.de/SharedDocs/Downloads/DE/Fachinformationen/Abschlussbericht_RTKM.pdf?__blob=publicationFile.
Einzelheiten dazu im Gesetzesentwurf der Bundesregierung, BR-Drucks. 213/11 v. 15.4.2011; Stgn. des Bundesrats, BT-Drucks. 17/6261 v. 22.6.2011, S. 23 ff.
vgl. dazu: Eisenberg HRRS 2011, S. 64 ff.
vgl. BRAK-Stgn. Nr. 9/2009 aus März 2009.
vgl. BRAK-Stgn. Nr. 35/2011 aus Juni 2011.
vgl. dazu auch: Zöller in FS Paeffgen, S. 727 f.; Haverkamp Forum Kriminalprävention 2016, 45 f.; Löffelmann recht + politik 2014, S. 2.
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › XII. Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21.12.2015
XII. Gesetz zur Stärkung der Opferrechte im Strafverfahren vom 21.12.2015
Teil 1 Die Entwicklung der Schutzrechte zugunsten des Verletzten › XII. Gesetz