Etwa Arbeitsrecht, Familienrecht oder Erbrecht.
Vgl. dazu auch Pollähne StV 2016, 673 f.; Peter StraFo 2013, 199 ff.; Doering-Striening Opferrechte – Handbuch für den Opferanwalt; Daimagüler Rn. 6; Burgsmüller Opfer im Blickpunkt, S. 176 f.; Barton Opfer im Blickpunkt, S. 36 f.
Teil 2 Verletzter – Opfer – Anwalt des Verletzten › IV. Mandatsübernahme – Aufklärung der Mandantschaft – Glaubhaftigkeitsgutachten
IV. Mandatsübernahme – Aufklärung der Mandantschaft – Glaubhaftigkeitsgutachten
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Mit der Übernahme des Mandates nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Verletzten oder/und seinen Angehörigen wird zivilrechtlich ein Dienstvertrag gem. § 611 BGB geschlossen, dessen Inhalt eine Geschäftsbesorgung im Sinne des § 675 BGB darstellt. Die Vorschriften des BGB finden daher Anwendung. Allerdings gelten für den die Verletzteninteressen vertretenden Rechtsanwalt als unabhängigem Organ der Rechtspflege zusätzliche Regelungen, die sich aus dem anwaltlichen Berufsrecht ergeben. Die Bundesrechtsanwaltsordnung und die dort geschaffene Berufsordnung muss stets Grundlage allen anwaltlichen Handelns sein. Über diese berufsrechtlichen Rahmenbedingungen hat der Verletztenanwalt selbstverständlich vollumfassend im Bilde zu sein – auch um im Gespräch mit dem Mandanten diesem die Möglichkeiten und Grenzen seiner Interessenvertretung aufzeigen zu können.[1] Darüber hinaus können die „Thesen zur Strafverteidigung“[2] nicht nur dem Strafverteidiger, sondern auch dem Verletztenvertreter hier zumindest in weiten Zügen eine gewichtige Orientierungshilfe bieten. Ebenso wenig wie der Strafverteidiger darf auch der Verletztenanwalt Ermittlungsorgane, Gerichte und die übrigen Verfahrensbeteiligten unter Vorspiegelung falscher Tatsachen täuschen, den Sachverhalt zugunsten des Verletzten wissentlich verdunkeln, Beweismittel verfälschen oder vernichten oder sonst das Ermittlungsverfahren unrechtmäßig beeinflussen. Die Thesen 19 ff. der „Thesen zur Strafverteidigung“ gelten für den Verletztenanwalt daher sinngemäß. Die Vorschriften der Begünstigung (§ 257 StGB), der Strafvereitelung (§ 258 StGB) und des Parteiverrats (§ 356 StGB) gelten selbstverständlich in gleichem Umfang wie für den Strafverteidiger.[3] Bei Interessenkollision scheidet eine Mandatsübernahme aus[4]. Im Gegensatz zum Strafverteidiger kann der Verletztenanwalt allerdings in einer Angelegenheit mehrere Mandanten vertreten, sofern sich dort keine Interessenkollision ergeben sollte. § 146 StPO mit dem Verbot der Mehrfachverteidigung gilt für den Verletztenanwalt nämlich nicht. Dass der Rechtsanwalt nicht auf Verletzte zugehen und um Mandate unzulässigerweise werben darf, ergibt sich aus der Berufsordnung.
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Der Auftrag zur Mandatsübernahme kann allerdings auch von Dritten, insbesondere von Angehörigen, kommen. Die schriftliche Vollmacht und der Umfang der Vertretung sind sorgfältig zu fassen. Bei der Vertretung eines von einer Straftat Betroffenen empfiehlt es sich, die Befreiung von der ärztlichen Schweigepflicht gleichzeitig mit der Vollmacht unterzeichnen zu lassen.
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Wenn nach entsprechender Aufklärung des Mandanten das Mandat erteilt wird, sollte durch den Rechtsanwalt eine zeitnahe schriftliche Mandatsbestätigung erfolgen, in der nochmals der konkrete Umfang der Mandatierung beschrieben ist. Mandatsbedingungen ergänzen die Vollmacht und sind ebenfalls vom Mandanten zu unterschreiben. Es ist immer wieder erstaunlich, dass Rechtsanwälte, die den qualitativen Unterschied zwischen dem Zeugenbeweis und dem Urkundenbeweis kennen sollten, so wenig Gebrauch von einer Urkunde als Mandatsgrundlage machen.
→ Muster 1 ff., Rn. 521: Vollmacht, Entbindung von der ärztlichen und anwaltlichen Schweigepflicht
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Eine umfassende Aufklärung der Mandantschaft, also des Verletzten, sowie erforderlichenfalls auch der Angehörigen, des Betreuers und anderer in Betracht kommender Personen oder Institutionen wie etwa Hilfsorganisationen usw. gewährleistet die spätere Interessenvertretung des Betroffenen, die seiner Stellung im Strafprozess sowie seinen berechtigten Ansprüchen und Erwartungen entspricht. Es ist anzuraten, den Inhalt eines solchen Aufklärungsgesprächs schriftlich festzuhalten, damit später keine Missverständnisse aufkommen können. Der wesentliche Inhalt eines solchen Gesprächs, an dem auch die oben erwähnten Personen zugegen sein können, weil dieses noch nicht das Prozessverhalten, den Inhalt der Akten und die Vorbereitung der Zeugenaussage umfasst, sollte – unabhängig von individuellen Besonderheiten – folgende Themenkreise umfassen:
• | Person und Persönlichkeit des Mandanten; |
• | sein soziales Umfeld, wie Familie, Beruf, Freundeskreis etc.; |
• | seine mögliche Beziehung zu dem Täter und seinem Umfeld sowie |
• | die erforderliche Abschirmung und den notwendigen Schutz; |
• | die Folgen der Tat, körperlicher und seelischer Art sowie |
• | die ausreichende Versorgung und Betreuung; |
• | die Bereitschaft zur eventuell notwendigen Beweissicherung; |
• | Glaubhaftigkeitsgutachten; |
• | Stellung und Rechte im Ermittlungsverfahren und im Prozess; |
• | Strafantragsfristen; |
• | Geltendmachung zivilrechtlicher Ansprüche im Strafverfahren; |
• | Hinweis auf einen möglichen Täter-Opfer-Ausgleich; |
• | je nach Fallsituation: Der Umgang mit den Medien; |
• | Ziel der anwaltlichen Vertretung; |
• | Kosten des Verfahrens und Anwaltskosten; |
• | Einschaltung von Hilfsorganisationen, Opferschutzverbänden etc.; |
• | Verhalten im Ermittlungsverfahren; |
• | Klarstellung des Mandatsverhältnisses zwischen Verletztem und Anwalt. |
→ Muster 2, Rn. 524: Checkliste für das Gespräch mit dem Verletzten
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Die weitergehenden inhaltlichen Gespräche mit dem Mandanten, die konkrete Sachverhaltsschilderung und die persönliche Beratung sollten hingegen – je nach der Einzelfallsituation – allein mit diesem unter Beachtung der Verschwiegenheitspflicht geführt werden, da die Anwesenheit Dritter deren Zeugenstellung begründen oder beeinträchtigen könnte.