IV. Weitere Änderungen von 1924 bis 1930
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Nach der Neubekanntmachung der RStPO in der Fassung der Änderungen der EmmingerVO nahm die Zahl der legislativen Maßnahmen in der zweiten Hälfte der 1920er Jahre ab. Von Bedeutung war zunächst das Änderungsgesetz vom 22. Dezember 1925, nach dem die Bestimmung des Umfangs der Beweisaufnahme durch das Gericht bei allen Verfahren vor dem Amtsrichter, dem Schöffengericht und den Landgerichten nur noch bei Übertretungen oder Privatklageverfahren galt.[64]
1. Die Haftrechtsnovelle vom 27. Dezember 1926 – „Lex Höfle“
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Der Tod des ehemaligen Reichspostministers Höfle in Untersuchungshaft war Auslöser einer Novelle des Untersuchungshaftrechts,[65] die sich teilweise auf die Entwürfe aus den Jahren 1909 und 1919 stützte. Ziel war eine deutliche Verkürzung der Haftdauer durch die Abschaffung der Haftfristsetzung während des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens, da sich gezeigt hatte, dass die Fristsetzung letztlich zu unnötigen Voruntersuchungen und einer Verlängerung der Haftdauer in der Praxis führte.[66] Der Verhaftete konnte nun ein Haftprüfungsverfahren mit mündlicher Verhandlung beantragen, wobei der Haftprüfungstermin im Regelfall binnen einer Woche stattfinden musste. Für eine bessere Vorbereitung der Verteidigung war maßgeblich, dass auch im amtsgerichtlichen Verfahren das wesentliche Ergebnis der Ermittlung in die Anklageschrift aufgenommen werden musste, wenn eine Voruntersuchung stattgefunden hatte.[67] Auch sonst war die Staatsanwaltschaft angehalten, bei Vergehen den Inhalt der Anklageschrift entsprechend zu gestalten. Weiterhin wurde die Überwachung des mündlichen Verkehrs zwischen dem Beschuldigten und dem Verteidiger eingeschränkt, indem nur noch eine richterliche Überwachung zulässig war.
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Neben den Änderungen zur Untersuchungshaft wurde § 53 Abs. 1 RStPO durch ein Zeugnisverweigerungsrecht für Presseangehörige hinsichtlich des Verfassers oder Einsenders einer Veröffentlichung strafbaren Inhalts ergänzt, soweit ein verantwortlicher Redakteur bestraft werden konnte. In § 245 Abs. 1 RStPO wurde die Möglichkeit der Zurückweisung von präsenten Beweismitteln kodifiziert, wenn die Beweiserhebung zur Prozessverschleppung dienen sollte.
2. Sonstige Änderungen
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Das Gesetz zur Vereinfachung des Militärstrafrechts vom 30. April 1926 hob §§ 435, 444 Abs. 2 S. 3 RStPO auf und führte damit zu einer vollständigen Trennung des militärischen Disziplinarrechts vom Militärstrafrecht.[68] Das Auslieferungsgesetz vom 23. Dezember 1929[69] schuf ein separates Regelungswerk über die Auslieferung von Ausländern auf Ersuchen eines anderen Staates und fügte die heute im Wesentlichen noch geltenden § 154b (damals § 154a), § 456a in die RStPO ein.
3. Erneute Reformdiskussion ab 1928
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1928 beriet der 35. Deutsche Juristentag in Salzburg erneut über eine Strafprozessreform und belebte dabei die Forderungen nach einem Ausbau des kontradiktorischen Elements, insbesondere im Zusammenhang mit der Beweisaufnahme.[70] Allerdings stieß schon ein Jahr später auf der Breslauer Tagung der Deutschen Landesgruppe der IKV die Ausdehnung des Kreuzverhörs auf überwiegende Ablehnung.[71] Es zeigte sich, dass sich mit der Wendung zum zweckorientierten Täterstrafrecht die Forderung „Soziales Strafrecht – liberaler Strafprozess“ praktisch nicht verwirklichen ließ. Vielmehr begründete das zweckorientierte Täterstrafrecht stets zumindest die Gefahr, das Interesse an der Bekämpfung des Rechtsbrechers[72] über die rechtsstaatlichen Garantien im Strafverfahren zu stellen.[73]
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Einen letzten großen Reformversuch brachte die Reichsregierung am 20. Mai 1930 im Reichsrat ein mit dem Ziel einer strafrechtlichen Gesamtreform, einschließlich des Strafvollzugsgesetzes.[74] Die strafverfahrensrechtlichen Vorschläge bauten auf den durch die EmmingerVO geschaffenen Rechtszustand auf. Hervorzuheben sind die Einschränkung der Zuständigkeit des Amtsrichters als Einzelrichter, die weitere Auflockerung des Verfolgungszwangs,[75] die Beschränkung der richterlichen Voruntersuchung bei gleichzeitigem Bedeutungszuwachs der Staatsanwaltschaft im Vorverfahren, strengere Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft, die Erweiterung des Wiederaufnahmeverfahrens und die Einführung eines Adhäsionsverfahrens. Diese Überlegungen waren aber angesichts der massiven politischen Brüche in den letzten Jahren der Weimarer Republik zum Scheitern verurteilt.
V. Endphase der Weimarer Republik
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Die Weltwirtschaftskrise verschärfte ab Ende 1929 die finanziellen Probleme des Reiches und der Länder,[76] so dass sich der Einsparungsdruck auf die Justiz nochmals erhöhte. Der Reichstag wurde unter dem Einfluss extremistischer Parteien zunehmend handlungsunfähig, eine kontinuierliche Staatsleitung war aufgrund der Regierungswechsel in kurzen Abständen kaum möglich. Einzige Konstante in diesen chaotischen Zeiten war das Amt des Reichspräsidenten.[77] Reichspräsident von Hindenburg erließ auf Grundlage von Art. 48 Abs. 2 WRV zahlreiche Ausnahmeverordnungen, deren strafverfahrensrechtliche Sonderregelungen den Text der RStPO überlagerten.[78] Dabei ging es zum einen „unter der Diktatur der Armut“[79] um Vorschriften zur Verfahrensvereinfachung sowie zur Beschleunigung von Strafverfahren und zum anderen um die Einrichtung von Sondergerichten, um der stark wachsenden Kriminalität Herr zu werden.[80]
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Die VO des Reichspräsidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 28. März 1931[81] schuf neue Straftatbestände im Zusammenhang mit unerlaubten Versammlungen, wobei diese Taten im Schnellverfahren abgeurteilt werden konnten, auch wenn die Voraussetzungen von § 212 RStPO nicht vorlagen.
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Die 2. AusnahmeVO vom 6. Oktober 1931[82] führte die erstinstanzliche Zuständigkeit der großen Strafkammer auf Antrag der Staatsanwaltschaft wieder ein, wenn eine Voruntersuchung stattgefunden hatte. Die Staatsanwaltschaft sollte den Antrag nur stellen, wenn mehr als sechs Hauptverhandlungstage zu erwarten waren. Damit sollte die Berufung in den vielfach kritisierten „Monstre-Prozessen“ vermieden werden.[83] Der Verfahrensbeschleunigung diente die Abkürzung der Ladungsfrist im Schnellverfahren auf drei Tage bzw. 24 Stunden. Das Legalitätsprinzip wurde weiter eingeschränkt, indem Übertretungen allgemein nur verfolgt werden sollten, wenn es das öffentliche Interesse erforderte. Weiterhin konnte die Staatsanwaltschaft zur Klärung von zivil- oder verwaltungsrechtlichen Vorfragen eine Frist setzen und nach fruchtlosem Fristablauf das Verfahren einstellen (jetzt § 154d StPO).[84] Von großer praktischer Bedeutung war die Möglichkeit des Gerichts, Privatklageverfahren einzustellen, wenn die Schuld des Täters gering und die Folgen der Tat unbedeutend waren, denn das Privatklageverfahren hatte damals eine ungleich höhere Bedeutung als heute.[85] Das Gericht entschied allein über die Einstellung, die allerdings mit sofortiger Beschwerde angefochten werden konnte. Im Privatklageverfahren wurde zudem der Rechtsmittelzug verkürzt, indem die Berufungseinlegung die anschließende Revision sperrte. Als dauerhafte Veränderung erhielten die Oberlandesgerichte die Befugnis, Revisionen durch einstimmigen Beschluss als offensichtlich unbegründet zu verwerfen. Für die zukünftige Entwicklung war die Ermächtigung der Reichsregierung entscheidend, Sondergerichte zur Aburteilung bestimmter Straftaten in Gerichtsbezirken zu errichten, in denen ein Bedürfnis dafür bestand. Die Regierung konnte dazu auch Sonderregelungen zum Verfahren erlassen.
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