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Schwieriger war es allerdings zu rechtfertigen, wie eine Verfassungsbestimmung, die anderen Zwecken dienen sollte, nämlich dem Beitritt Italiens zum neu zu schaffenden Völkerbund (den jetzigen Vereinten Nationen), und die auf Werte wie „Frieden und Gerechtigkeit unter den Nationen“ Bezug nimmt, inhaltlich so verstanden werden konnte, dass sie als verfassungsrechtliche Grundlage für ein Phänomen wie die europäische Integration herangezogen werden konnte, die nichts mit der ursprünglichen ratio dieser Norm zu tun hat. Am deutlichsten wurde diese Frage im Urteil Frontini gegen Ministero delle Finanze, Nr. 183 vom 27.12.1973, beantwortet, in dem die Corte costituzionale klargestellt hat, dass Art. 11 Cost. „[…] Beschränkungen der Hoheitsgewalt des Staates zur Wahrnehmung der legislativen, exekutiven und rechtsprechenden Gewalt rechtfertigt, wenn sie zur Schaffung einer Gemeinschaft zwischen den europäischen Staaten erforderlich werden […]“ und dass „Italien und die anderen Staaten der EWG […], die der Integration der Mitgliedstaaten zum Zweck der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und folglich auch zur Verteidigung des Friedens und der Freiheit [Hervorhebung vom Verf.] dienen soll, bestimmte Hoheitsbefugnisse übertragen und sie damit als eine mit einem eigenen und unabhängigen Rechtssystem ausgestattete Institution geschaffen haben.“ Die Ziele der Aufrechterhaltung des Friedens und der Freiheit, die Art. 11 Cost. prägen, sind also als der EWG eigene Ziele verstanden worden, die von ihr im Wege der gemeinsamen wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung der Mitgliedstaaten verfolgt werden.
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Dogmatisch wird eine solche „interpretative Entstellung“ von der h.L. mit dem Argument für verfassungsmäßig gehalten, dass die Vorschriften die besondere Eigenschaft haben, sich von dem Willen des Normgebers und von der occasio legis ihrer Entstehung zu trennen und ihr eigenes Leben in der Rechtsordnung zu führen. Das kann durchaus zu Interpretationen bzw. Anwendungen führen, die für den historischen Verfassunggeber (noch) unvorstellbar waren.[20]
3. Europarecht und nationales Recht: Die Entwicklung der Judikatur des italienischen Verfassungsgerichts
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Der „cammino comunitario“[21] der Corte costituzionale hat sich in drei Phasen entwickelt: Die erste lag in den Jahren 1964–1973, die zweite in den Jahren 1973–1984 und die noch andauernde dritte hat 1984 begonnen.
a) Zunächst: Reiner Dualismus
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Das Verfassungsgericht hat in einer ersten Phase mit dem schon erwähnten Urteil Costa gegen ENEL Nr. 14 vom 7.3.1964 den Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht kategorisch ausgeschlossen. Der Fall betraf einen Konflikt zwischen dem Gesetz über die Verstaatlichung der Erzeugung elektrischer Energie[22] und einigen Vorschriften des EWG-Vertrags, d.h. zwischen einem nachfolgenden einfachen nationalen Gesetz und dem einfachen Gesetz, das den Anwendungsbefehl des EWG-Vertrags enthielt. Die Corte costituzionale schloss insbesondere aus, dass ein dem Gemeinschaftsrecht widersprechendes späteres nationales Gesetz wegen eines mittelbaren Widerspruchs zu Art. 11 Cost. für verfassungswidrig gehalten werden konnte. Sie wandte hingegen das zeitliche Kriterium lex posterior derogat legi priori mit der Folge an, dass ein späteres einfaches Gesetz eine vorhergehende gemeinschaftsrechtliche Norm innerhalb des nationalen Rechts aufheben konnte. Zur Begründung führte sie an, dass Art. 11 Cost. als „norma permissiva“ (Öffnungsklausel) zwar eine Beschränkung der Souveranität durch einfaches Gesetz (d.h. das Umsetzungsgesetz zum EWG-Vertrag) zulässt, diesem Gesetz aber keinen besonderen Status im Verhältnis zu allen anderen einfachen Gesetzen zuweist mit der Folge, dass eine eventuelle Verletzung der Gemeinschaftsverträge durch ein späteres einfaches Gesetz die Verfassungsmäßigkeit und die Anwendbarkeit eines solchen Gesetzes nicht berührt, auch wenn dies eine völkerrechtliche Verantwortlichkeit auslösen würde. Das Verfassungsgericht ordnete damit die europäische Integration ausschließlich dem Bereich des Völkerrechts zu und wandte die für die Beziehung zwischen nationalem Recht und Völkerrecht geltende streng dualistische Theorie auch auf die Beziehungen zwischen der nationalen Rechtsordnung und der der Gemeinschaft an.
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Anders als die Corte costituzionale hat der EuGH dagegen von Anfang an auf das Verhältnis zwischen den beiden Rechtssystemen die monistische Theorie angewendet und den Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht bekräftigt. Nach seiner Auffassung sind das Europarecht und das nationale Recht Bestandteile eines einzigen Rechtssystems, das auf den europäischen Verträgen beruht. Deshalb erkannte der Gerichtshof, der im Wege einer Vorlage zur Vorabentscheidung mit dem Fall Costa gegen ENEL befasst wurde, nur wenige Monate nach der Entscheidung des italienischen Verfassungsgerichts mit Urteil vom 15.7.1964[23] den Vorrang des Europarechts vor dem nationalen, auch zeitlich späteren, Recht an.
b) Später: Zunehmend moderater Dualismus
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In einer zweiten Phase, ausgehend von den Urteilen Frontini Nr. 183 vom 27.12.1973 und ICIC Nr. 232 vom 30.10.1975, ist der Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht von der Corte costituzionale ausdrücklich anerkannt worden. In diesen Entscheidungen hat sie – anders als der EuGH – diesen Vorrang zwar noch aus einer dualistischen Sicht begründet. Namentlich lehnte sie die monistische Konzeption der europäischen und der nationalen Rechtsordnung als Bestandteile eines einzigen Rechtssystems ab und begriff die europäische und die nationale Rechtsordnung als zwei „autonome und unterschiedliche, aber auf der Grundlage der im Vertrag niedergelegten und garantierten Kompetenzzuteilung koordinierten Rechtssysteme“[24]. Das Verfassungsgericht gab jedoch zugleich die streng völkerrechtliche Zuordnung der Beziehung zwischen nationalem Recht und Gemeinschaftsrecht mit der Feststellung auf, dass die nationale Rechtsordnung auf der Grundlage von Art. 11 Cost. mit Annahme der europäischen Verträge Souveranitätsbeschränkungen zugestimmt habe, mit der Folge, dass – und hier liegt der wesentliche Unterschied zur Entscheidung Costa gegen ENEL – immer dann, wenn ein späteres einfaches Gesetz mit einer vorhergehenden Verordnung der Gemeinschaft nicht vereinbar sei, das Gesetz wegen mittelbarer Verletzung von Art. 11 Cost. verfassungswidrig sei. Die wesentlichen Folgen dieser Neuorientierung waren, dass ausschließlich das Verfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des nationalen Gesetzes – d.h. den Vorrang des Europarechts vor dem nationalen Recht – feststellen konnte[25] und dass der ordentliche Richter infolgedessen nicht befugt war, ohne entsprechende Entscheidung des Verfassungsgerichts von der Anwendung des nationalen Gesetzes abzusehen[26].
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Diese Feststellung der Corte costituzionale ist jedoch vom EuGH mit Entscheidung vom 9.3.1978 im Fall Simmenthal[27] kritisiert worden. In dieser Entscheidung hat der EuGH gefordert, dass jedes nationale Gericht unmittelbar und ohne eine Entscheidung des Verfassungsgerichts herbeizuführen, den Vorrang des Europarechts durch Nichtanwendung des nationalen gemeinschaftswidrigen Rechts gewährleisten müsse. Nach Ansicht des Gerichtshofes werden die Normen des EWG-Vertrags über die unmittelbare Anwendbarkeit von Verordnungen (ehemaliger Art. 189, jetzt Art. 249 EG) verletzt, wenn die Fachgerichte im Fall eines Konflikts zwischen einer nationalen Norm und einer europäischen Verordnung letztere nicht unmittelbar anwenden und damit die darin dem einzelnen Bürger übertragenen Rechte unmittelbar gewährleisten könnten.
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Weiter ist bemerkenswert, dass das Verfassungsgericht (siehe auch schon ein obiter dictum im Urteil Frontini Nr. 183 von 1973, aber vor allem das Urteil ICIC Nr. 232 von 1975) nicht nur diejenigen nationalen Gesetze, die