Der goldene Kürbis. Masal Dorothea. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Masal Dorothea
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783954528318
Скачать книгу
von ihm abwenden und ihm möglichst wenig Angriffsfläche bieten, aber seine Präsenz zog ihren Blick unwillkürlich an. Die verschränkten Arme vor der Brust ließen seine Muskeln unter dem eng anliegenden Jackett hervortreten und zeigten sein durchtrainiertes Profil. Einen Schritt von ihrem Stuhl entfernt blieb er stehen.

      »Ihr wollt also Spielchen spielen. Von mir aus gerne, aber im Moment habe ich keine Zeit. Also gebe ich Euch noch eine letzte Chance, mir zu antworten: Wer seid Ihr? Wie kommt Ihr hier herein und wer hat Euch geschickt?«

      Obwohl ihr Mund mittlerweile mehr als ausgetrocknet war, musste Katie schlucken. Ihre Gedanken drehten sich wie wild im Kreis. Seine plötzliche Nähe machte sie nervös. Wenn er noch einen Schritt vortrat, würde er an ihr Bein stoßen.

      Sollte sie ihm jetzt etwa ihre Lebensgeschichte erzählen? Was wollte er denn hören?

      »Mein Name ist Katie Williams. Und zuerst würde ich gerne wissen, wer du bist?«

      Der Junge grinste. Ein Pokerface-Grinsen. Langsam beugte er seinen Oberkörper zu ihr herunter und griff mit der linken Hand an ihre Stuhllehne. Katies Atem stockte. Sie war gezwungen ihren Blick zu senken. Als er weitersprach, waren seine Worte direkt neben ihrem rechten Ohr. Sein warmer Atem streifte ihren Hals und jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie rang nach Luft.

      Der Junge hatte es ebenfalls bemerkt. Er stieß ein leises Lachen aus und sorgte damit für weitere Gänsehaut bei ihr. Katies Hände verkrampften sich und ihr Magen fing an zu kribbeln. Er war ihr nun so nah, dass kaum noch eine Hand zwischen ihre Köpfe passte. Die ideale Chance, ihn zu überwältigen, doch ihr Gehirn setzte aus und ihr Körper verweigerte jeglichen Dienst.

      »Ich denke, Ihr wisst sehr genau, wer ich bin und falls nicht, dann werde ich es Euch auch nicht sagen.«

      Fassungslos schielte Katie zu ihm hinüber. Meinte er das ernst? Bevor sie jedoch ihre Gedanken auch nur im Geringsten wieder sortieren und etwas erwidern konnte, erklangen von draußen schnelle Schritte. Im nächsten Moment wurde die Tür zum Studierzimmer aufgerissen.

      »Nicolas, Euer Vater fragt nach Euch. Er …« Ein dunkelhaariges Mädchen in einem goldgrünen Kleid stürmte ins Zimmer und hielt abrupt inne, als sie die scheinbar innige Situation entdeckte. Der blonde Junge blickte überrascht zur Tür hinüber, verharrte aber wie versteinert in seiner gebeugten Position.

      Katie würdigte das Mädchen keines weiteren Blickes, sondern lehnte sich noch ein Stück weiter vor, bis sie das zerzauste blonde Haar des Jungen auf ihrer eigenen Wange spürte. Geradezu zärtlich flüsterte sie ihre Worte in sein Ohr. »Es freut mich, deine Bekanntschaft zu machen, NICOLAS. Ich sehe, unser Gespräch macht Fortschritte.«

      Sofort richtete er sich wieder auf, wich mehrere Schritte nach hinten zurück, um eine gesunde Distanz zwischen sie beide zu bringen. Seine Augen funkelten Katie böse an. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, gab er den Wachen ein Zeichen und Schritte ertönten. Kurz darauf schloss sich die Tür und sie blieben allein zurück. Katie grinste. Nicolas wandte sich von ihr ab und ging ein paar Schritte auf den Kamin zu.

      »Touché, nun wisst Ihr also meinen Namen und ich den Euren.« Katie glaubte ein Schmunzeln in seiner Stimme zu hören, doch als er sich umdrehte, war sein Gesicht ohne jeglichen Ausdruck. »Wie ich bereits erwähnt habe, bin ich heute sehr beschäftigt. So anregend diese Unterhaltung auch sein mag, ich muss Euch nun in den Kerker bringen lassen.«

      »Was?!« Entsetzt sprang Katie vom Stuhl auf. Gerade glaubte sie noch, in diesem Gespräch zu dominieren und schon war sie zurück in der Opferrolle. Nicolas schaute sie mit einem fast mitleidigen Blick an, was Katie noch rasender machte. Er wandte sich Richtung Tür und öffnete den Mund, bereit den Wachen einen Befehl zu erteilen.

      »Wowowoh. Du kannst mich doch nicht einfach so in den Kerker werfen!« Demonstrativ trat sie einen Schritt zwischen ihn und die Tür. »Ich meine, hallo?! Ich habe ja wohl das Recht auf einen Anwalt, auf eine Anhörung und heißt es nicht immer: Innocent until proven guilty?«

      Desinteressiert warf er einen flüchtigen Blick auf sie. »Ich verstehe nicht«, war seine einzige Aussage. Erneut setzte er zu einem Befehl an.

      »Eben. Ich verstehe es auch nicht. Ich weiß ja noch nicht einmal, wo ich hier bin. Vermutlich immer noch in der Gruselvilla, aber die sah vor ein paar Minuten noch völlig anders aus. Und jetzt willst du mich auch noch in den Kerker werfen?!« Katie riss die Arme nach oben und wedelte hektisch mit der Hand durch die Luft, so als könnte sie diesen Albtraum dadurch einfach vertreiben. Mehr zu sich selbst fuhr sie fort. »Vielleicht wurde ich überfallen und verschleppt oder man hat mich unter Drogen gesetzt. Ja, das habe ich jetzt davon. Hätte ich mich bloß nicht auf diese blöde Wette eingelassen.«

      Nicolas schaute nun ganz zu ihr hinüber. Er wirkte irritiert, beobachtete aber zugleich aufmerksam jede ihrer Bewegungen. »Von welcher Wette sprecht Ihr?«

      Katie atmete tief durch. Im Prinzip war es egal, was sie ihm erzählte. Er wollte sie in den Kerker werfen, ob sie nun log oder nicht. Anscheinend hatte er noch wichtigere Dinge zu erledigen. Wenn sie also gefangen genommen werden sollte, dann konnte sie ihm auch alles erzählen, was sie wusste. Vielleicht gab es ja irgendeinen Zusammenhang, den sie bisher übersehen hatte und der ihr verständlich machte, was hier eigentlich vor sich ging. Denn real war das hier nicht.

      »Hör zu, alles begann mit der Versetzung meines Dads vor einem Monat. Seine Firma bot ihm hier in der Kleinstadt einen neuen Arbeitsplatz an und dann hieß es sofort Koffer packen. Ich war natürlich dagegen, aber wen interessiert das schon. In der neuen Schule behandelte man mich anfangs wie eine totale Außenseiterin. Ich sei eine ›Großstadttussi‹!« Katie spuckte das Wort förmlich aus und spürte eine plötzliche Wut in sich aufsteigen. War das die Angst oder der aufgestaute Ärger wegen des Umzugs? Sie wusste es nicht. »Mittlerweile habe ich zwar neue Freunde gefunden, aber die blöde Mutprobe mit Gina blieb bestehen. Und genau diese findet heute statt. Ich kann mich nicht davor drücken, sonst wird Gina mir künftig das Leben an der Schule zur Hölle machen. Obwohl ich mir mittlerweile nicht mehr so sicher bin, ob sie das nicht sowieso tun wird.«

      Sie blickte zu Nicolas hinüber. Dieser verharrte einen Moment zögernd, fasste sich mit der Hand an den Nasenrücken, seufzte und ging zum Schreibtisch hinüber, wo er sich wieder in seine lässig-am-Tisch-anlehn-Position begab. Katie betrachtete ihn verstohlen. Sein Gesicht wirkte angespannt und ließ ihn um Jahre älter aussehen. Leicht dunkle Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, die auf Schlaflosigkeit und Erschöpfung hindeuteten.

      Als er aufsah, beeilte sie sich, aus dem Fenster zu schauen. Er wies auf den Gästestuhl und sie setzte sich. In ruhigem Ton begann er zu sprechen. »Lassen wir den Umzug einmal weg. Was ist mit dieser Wette? Seid Ihr durch sie hier hergekommen oder gibt es doch einen anderen Grund für Eure Anwesenheit?«

      »War ja klar, dass du mir nicht glaubst. Ich hätte dir sonst was erzählen können und du denkst immer noch, ich sei eine Spionin der dunklen Seite.«

      »Seid Ihr es denn?«

      »NEIN!«

      Er machte eine besänftigende Handbewegung und bedeutete ihr mit einem auffordernden Blick, seine vorherige Frage zu beantworten.

      Katie schnaubte geräuschvoll aus. »Wie bereits gesagt: Ich bin vor zwei Wochen auf eine neue Schule gekommen. Dort gibt es die üblichen Cliquen, Grüppchen und Hierarchien; wie überall. Natürlich auch eine klassische Anführerin, die die Schule dominiert und aufgrund des Wohlstandes ihrer Eltern glaubt, einer besseren Schicht anzugehören. Diese Person ist Gina.«

      »Ihr meint, sie ist eine Art Stellvertreterin oder Repräsentantin der Schülerschaft?«

      »Nicht wirklich. Sie ist ein wasserstoffblondes, verwöhntes Püppchen, wenn du mich fragst. Als ich vor zwei Wochen meinen ersten Schultag hatte, war sie allerdings die Erste, die mich super freundlich aufgenommen hat. Sie zeigte mir alles, stellte mich den Mitschülern vor und ich war sofort ein Mitglied ihres Freundeskreises. Wir haben zusammen was unternommen und so. Irgendwie kamen wir dann mal auf das Thema ›Angst‹ zu sprechen. Nachdem mir die anderen ihre – wahrscheinlich erfundenen – Ängste erzählt hatten, wollten sie meine wissen. Aber ich habe vor nichts