Der goldene Kürbis. Masal Dorothea. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Masal Dorothea
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783954528318
Скачать книгу
seine Augen über ihr Kostüm und stoppten bei den zwei Schwertern. Schlagartig verfinsterte sich sein Gesichtsausdruck. Ohne Vorwarnung ließ er Katies Hände los. Diese stürzte zurück auf den harten Boden.

       Geht‘s noch? Will der mich etwa umbringen? Danke, ich bin bereits tot!

      Der Junge winkte mit der rechten Hand.

       Hat der mich etwa gerade wegen eines Insekts fallen lassen?

      Katie hatte das Gefühl, etwas erwidern zu müssen. Etwas Unschönes. Doch da griffen plötzlich erneut Hände nach ihren Armen. Dieses Mal allerdings von hinten. Zwei Männer in dunkler Uniform und mit gefährlich glänzenden Degen zerrten sie unsanft auf die Beine.

      »Ich weiß nicht, wer Ihr seid und wer Euch geschickt hat, doch Ihr werdet dieses Anwesen auf der Stelle verlassen. Und wagt es nicht, noch einmal hierher zurückzukommen, sonst lasse ich Euch in den Kerker sperren!«, blaffte der Junge und trat bedrohlich nahe an Katie heran, wobei er ihr mit dem Zeigefinger drohte. Sie schluckte. Wurde man im Himmel etwa so behandelt? Wenn ja, dann wollte sie doch lieber in die Hölle.

      »Das ist ein Missverständnis! Ich …«

      Weiter kam sie nicht. Unsanft rissen die beiden Soldaten sie nach hinten, von dem Jungen weg, und beendeten damit das Gespräch. Katie wollte protestieren, hielt aber inne, als ihr Blick in den Raum fiel. Wenn sie sich nicht täuschte, dann war das der große Saal der alten Villa! Die Einrichtung glich zwar nur in Grundzügen dem, was sie vor wenigen Minuten noch vor Augen gehabt hatte, aber es gab keinen Zweifel. Der Staub und die weißen Tücher waren verschwunden und die Möbel dekorativ im Raum aufgestellt. Überall im Saal standen und tanzten jetzt bunt gekleidete Frauen und Männer in üppigen Kostümen, die dem des Jungen sehr ähnelten. In einer Ecke saß sogar ein kleines Orchester mit historisch aussehenden Musikinstrumenten. Nun war ihr auch klar, woher die Musik kam.

      Ein komisches Gefühl beschlich Katie. Woher kamen auf einmal all diese Leute und wie hatten sie so schnell alles umdekorieren können? Scheinbar war sie doch länger als nur ein paar Minuten bewusstlos gewesen. Aber warum hatte man sie dann nicht ins Krankenhaus gebracht oder einen Arzt verständigt? Wenn sie es nicht besser wüsste, dann hätte sie geglaubt, in einem dieser Märchenfilme gelandet zu sein, die sie immer zu Weihnachten im Fernsehen sah.

      Gerne hätte sie sich genauer umgesehen, doch da wurde sie bereits aus dem Saal gezerrt.

      »Verschwindet von hier und wagt es nicht noch einmal zurückzukommen!« Mit diesen Worten gab der blonde Junge den Wachen ein weiteres Zeichen und Katie wurde durch die geöffnete Eingangstür in die Dunkelheit nach draußen bugsiert. Ihr Blick streifte die große Holzvertäfelung. Sie stutzte. Das dunkle, geschnitzte Holz der Tür war völlig unversehrt und auch sonst fehlten jegliche Spuren von Alterserscheinungen und das »Betreten verboten«-Schild. Wie war das möglich?

      Mit einem letzten, heftigen Ruck wurde sie über die Türschwelle gestoßen und fiel vorne über. Ein kühler Luftzug wehte ihr entgegen, als die Erdanziehung die Oberhand über ihren fallenden Körper ergriff und sie in die Tiefe stürzte. Schützend streckte Katie die Hände vor sich aus und erwartete jeden Moment Stufe für Stufe die Treppe hinunterzustolpern und unsanft auf dem Kiesboden aufzuschlagen. Doch statt durch die Tür in den Vorgarten zu stürzen, wurde ihr Fall von einem Widerstand aufgehalten. Es fühlte sich an, als ob sie auf eine Art Wand aus Gummi prallte, deren Druck sich immer weiter verstärkte und ihren Fall abbremste.

      Katie blickte erschrocken nach vorne. Aber da war nichts! Nur die steinerne Eingangstreppe, die ein gutes Stück entfernt war – von einer Barriere weit und breit keine Spur.

      »Was zum Teufel …«

      Von hinten ertönte ein Geräusch. Die Eingangstür wurde geschlossen. Schon verengte sich der Lichtspalt aus dem Inneren und drohte jeden Moment ganz zu verschwinden.

      Katie hatte aufgehört zu fallen und hing jetzt in einer komischen Schräglage halb schwebend über dem Boden. Das war physikalisch gesehen völlig unmöglich! Vor ihr befand sich absolut nichts außer Abendluft. Trotzdem drückte ihr Körper gegen eine unsichtbare Wand, die es ihr nicht erlaubte, auch nur einen einzigen Schritt weiter nach vorne zu gehen. Ein schrecklicher Gedanke machte sich in Katie breit. Was war, wenn die unsichtbare Wand sie nicht nach draußen ließ und die Eingangstür hinter ihr vollständig geschlossen wurde? Sie würde eingequetscht werden und wäre gefangen. Panik stieg in Katie auf. Eilig streckte sie ihr Bein soweit sie konnte nach hinten aus und ließ die Zehenspitzen ihres linken Fußes in den Spalt hinter sich schnellen. Nur wenige Zentimeter vor dem Schloss kam die große Tür zum Stoppen.

      Niemand schien zu bemerken, dass die Eingangstür nicht komplett geschlossen war. Trotzdem wollte Katie kein Risiko eingehen und verharrte noch einen Moment lang bewegungslos in ihrer Position.

      Die unsichtbare Gummiwand zog sich wie vermutet sprungfederartig zurück Richtung Eingangstür und nur mit hohem Kraftaufwand konnte Katie verhindern, nicht mit vollem Schwung durch die Tür ins Innere katapultiert zu werden. Ganz langsam verlagerte sie ihr Gewicht und lehnte sich Stück für Stück nach hinten, um dem Druck der Wand nachzugeben. Die erhoffte Entlastung kam nicht. Im Gegenteil. Nun wurde Katie erbarmungslos gegen die Holzvertäfelung der Eingangstür gepresst. Plötzlich musste sie die Tür nicht nur mit ihrem Fuß einen Spalt breit offen halten, sondern sie auch gleichzeitig mit aller Kraft gegen ihr eigenes Körpergewicht wieder zuziehen.

      Das größte Problem war jedoch der drohende Krampf in ihrem Bein. Der Muskel in ihrem Oberschenkel fing vor Anstrengung bereits an zu brennen und unkontrolliert zu zittern. Lange konnte sie diese Position nicht mehr halten. Sie lauschte angestrengt.

      Aus der Villa drangen vereinzelte Geräusche. Sie wurden mal lauter und mal leiser. Es war schwer einzuschätzen, ob sich jemand dem Foyer näherte oder verschwand.

      Gerade als sich Katie einen Plan zurechtgelegt hatte, wie sie vorsichtig wieder die Villa betreten und sich unauffällig darin verstecken würde, versagte die Kraft in ihrem Oberschenkel. Ihr Bein fing heftig an zu krampfen und knickte unter der Anspannung ein. Katie entwich ein erstickter Schmerzensschrei. Die Eingangstür flog ungehindert auf, knallte mit Schwung gegen einen Tisch, die gummiartige Barriere gab Katie einen finalen Stoß und sie taumelte über die Türschwelle mitten ins Foyer. Mit Schwung kippte sie nach vorne, machte einen ungalanten Purzelbaum und kam wackelig wieder auf die Füße.

      Sie rechnete mit dem Schlimmsten: aufblitzenden Degen, schreienden Wachen und einem blonden Jungen, der nur ein Wort rief: KERKER!

      KAPITEL 3

      Das Foyer war leer. Lediglich ein Tanzpaar schlenderte eng umschlungen aus dem Ballsaal und schien jeglichen Blick für die Umgebung verloren zu haben. Es war fast schon enttäuschend, dass offenbar niemand diesen bühnenreifen Stunt gesehen hatte. Diesen Gedanken hatte Katie jedoch nur für eine Millisekunde. Sofort kam der Ernst der Lage zurück und sie beeilte sich, in den Schatten eines kleinen Tisches zu huschen, der sich direkt neben einer großen Treppe befand.

      »Wo bin ich hier nur gelandet?«

      Eine Antwort blieb aus. Nachdenklich wanderte Katies Blick durch die Eingangshalle. Die Villa konnte sie offenbar nicht durch die Tür verlassen, aber auch hier drinnen war sie alles andere als sicher. Man würde sie in ihrem Halloweenkostüm sofort wiedererkennen und einsperren lassen.

       Was würde eine Schattenjägerin jetzt tun …?

      Sie erinnerte sich an ein Buch, in dem der Protagonist in einer ähnlich verzwickten Lage steckte und nicht erkannt werden durfte, sich aber trotzdem unters Volk mischen musste, um an wichtige Informationen heranzukommen. Anpassen war die beste Methode nicht aufzufallen. Alle Leute im Ballsaal trugen prachtvolle Kleider und Anzüge. Also musste sie auch so aussehen, dann konnte sie sich in Ruhe genauer umsehen.

      Ihr Blick fiel auf die große Treppe, die sich links und rechts an der Wand in einem weitläufigen Bogen nach oben erstreckte. Waren nicht oft Schlafund Ankleidezimmer in der obersten Etage?