Der goldene Kürbis. Masal Dorothea. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Masal Dorothea
Издательство: Автор
Серия:
Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783954528318
Скачать книгу
an. Der Saum des Kleides reichte zum Glück bis zum Boden, sodass ihre Schuhe darunter komplett verdeckt waren.

      Wenn mich jetzt nur Gina mit ihrem Billigkostüm sehen könnte. Beim Gedanken an Gina verschwand der märchenhafte Moment und die Realität kehrte zurück. Sie musste so schnell wie möglich herausfinden, was hier vor sich ging und verschwinden. Die Wette war ihr mittlerweile völlig egal. Das Lichtsignal konnte man bei dieser Christbaumbeleuchtung sowieso nicht mehr von außen sehen. Das musste selbst die Zickenclique zugeben.

      KAPITEL 4

      So selbstbewusst wie möglich schlenderte Katie aus dem Zimmer. Für einen kurzen Moment überlegte sie, dem Gang zu folgen und nachzusehen, wohin er führte. Eine innere Stimme drängte sie jedoch dazu, zuerst herauszufinden, ob sie sich tatsächlich noch in der Gruselvilla befand und woher plötzlich die vielen Leute kamen.

      Möglichst anmutig versuchte Katie die Stufen der großen Treppe hinunter zu schreiten, was sich mit dem langen, schweren Kleid aber alles andere als einfach gestaltete. Nach ein paar unsicheren Schritten und einem zum Glück in letzter Sekunde verhinderten Sturz, beließ sie es dabei, den Blick stur geradeaus zu richten und zu versuchen, überhaupt unten anzukommen. Egal wie elegant.

      Die Eingangshalle war groß und mit einem prunkvollen, goldenen Kronleuchter geschmückt, der in der Deckenmitte an einer goldenen Kette nach unten hing. Buntgekleidete Menschen wandelten umher und verschwanden in einem Durchgang, der sich zwischen den beiden Treppenaufstiegen befand und weiter ins Innere der Villa führte. Gegenüber lag die hölzerne Eingangstür, durch die Katie schon einmal an diesem Abend nach draußen befördert worden war. Ein besonderes Augenmerk bildete eine große Standuhr auf der rechten Seite des Foyers. Ihr Gehäuse war aufwendig geschnitzt und übersät von Ranken und geometrischen Verzierungen, die sich neben zahlreichen Fabelwesen um das schlichte Ziffernblatt wanden.

      20:22 Uhr.

      Auf beiden Seiten der Eingangshalle befanden sich jeweils zwei Türen. Während sie auf der rechten Seite verschlossen waren, standen sie auf der linken Raumseite weit offen. Klassische Musik erklang und Katie erkannte das bunte Treiben im Ballsaal. Dutzende farbenfroh gekleidete Tanzpaare bewegten sich im Rhythmus der Musik über das Parkett oder standen in kleinen Gruppen zusammen und unterhielten sich.

      Einige Frauen trugen weit ausgeschnittene Kleider und wedelten mit Fächern. Andere protzten mit einer pudelähnlichen, riesigen Perücke und weißen Spitzentaschentüchern.

      Die Gewänder der Herren glichen im Wesentlichen dem des blonden Jungen, der Katie noch allzu gut in Erinnerung war.

      Der Saal versprühte eine Energie, die die Luft zu elektrisieren schien. Immer wieder eilten Männer in schwarzen Fracks durch die Menge und verteilten Gläser mit gelblicher Flüssigkeit an die Gäste.

      An der gegenüberliegenden Wand standen Tische und Stühle, die Katie bekannt vorkamen. Sogar eine Art Minibuffet war daneben aufgebaut. Und egal wo das Auge hinschaute, die Wände waren mit roten, gelben und braunen Blättern, saftig grünen Efeuranken und anderer herbstlicher Deko versehen. Offenbar fand hier eine Motto-Party statt. Thema: Herbst und Halloween. Und es gab keinen Zweifel: Dieser Raum war der gleiche, in den Katie noch vor kurzem durchs Fenster eingestiegen war.

      »Verzeiht.« Eine Hand legte sich auf ihren Arm. Katie fuhr herum und befürchtete sofort, dass etwas mit ihrer Verkleidung nicht geklappt hatte. Ganz offensichtlich hatte sie doch noch ein paar wichtige Schnüre am Kleid vergessen und stand jetzt halb nackt da. Schamesröte schoss ihr in die Wangen. Aus dem Augenwinkel heraus beeilte sie sich, die Nahtstellen des Stoffes auf Löcher zu überprüfen.

      Ein Räuspern ließ sie aufschrecken. Das freundliche Lächeln eines jungen Mannes strahlte ihr entgegen. Wie der blonde Junge zuvor, trug auch er einen hüftlangen Mantel und Knickerbockerhosen. Allerdings in einem rot schimmernden Stoff, der dem ihres Kleides sehr ähnelte. An seinen Schultern waren kleine goldbestickte Epauletten angebracht und unter seiner schlichten Weste blitzte ein weißes mit Rüschen verziertes Hemd hervor. Der Junge war einen Kopf größer als Katie und schien etwa neunzehn Jahre alt zu sein. Seine braunen Haare trug er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Ein paar Strähnen hatten sich daraus gelöst und hingen ihm lässig ins Gesicht. Das Auffälligste waren jedoch seine nussbraunen Augen, die Katie gespannt musterten.

      »Verzeiht. Ich wollte Euch nicht erschrecken.« Ein entschuldigendes Schmunzeln huschte über seine Lippen. Er nahm ihre Hand und gab dieser einen flüchtigen Kuss. Katie wurde rot.

      »Sagt, ich habe Euch hier noch nie zuvor gesehen und dabei sollte ich jeden auf diesem Ball kennen. Erlaubt mir zu fragen, wer Ihr seid.«

      Katie riss die Augen auf. Der Junge lächelte erneut. Ein 100Watt-Lächeln, das nur Rockstars vorbehalten war. Ein kribbelndes Gefühl breitete sich in ihrer Hand aus, dort, wo er eben den Kuss platziert hatte. Katies Kiefer verkrampfte sich zu einem einzigen verspannten Muskel. Sie war unfähig ihren Mund zu öffnen und etwas zu erwidern. Selbst wenn sie eine Notlüge parat gehabt hätte, Prince Charming machte es ihr schier unmöglich zu reagieren.

      »Ihr seid eine verschwiegene Frau, das macht Euch noch geheimnisvoller.« Wieder dieses Rockstar-Lächeln. »Dürfte ich um diesen Tanz bitten?« Er deutete mit dem Oberkörper eine Verbeugung an und ergriff Katies Hand, was sie noch mehr erröten ließ.

      Immer noch unfähig zu sprechen, schaffte sie es zumindest, anmutig wie eine Prinzessin zu knicksen. Das genügte dem Jungen als Antwort. Sachte zog er sie hinter sich her zur Tanzfläche.

      Bunte Farben und süßliche Gerüche strömten auf Katie ein. Der Pulk tanzender Menschen war so dicht, dass sie für einen Moment die Orientierung verlor. Zum Glück hielt der Junge sie immer noch an der Hand. Sein Daumen streifte über ihre Finger. Er legte die andere Hand hinter seinen Rücken und führte Katie in einer ihr völlig fremden Schrittfolge im Kreis um sich herum.

      Erst jetzt schaffte es Katie, sich von seinem Blick zu lösen. Wieso hatte sie seine Tanzaufforderung angenommen? Tanzen war eines der Dinge, die sie zwar liebte, aber in Anwesenheit anderer Personen tunlichst vermied. Ganz besonders, wenn ein gutaussehender Junge unmittelbar in der Nähe war und es sich auch noch um einen historischen Tanz handelte, von dem sie überhaupt keine Ahnung hatte.

      Der Junge wechselte die Schrittfolge und bewegte sich nun wie ihr Spiegelbild. Katie versuchte sich an den Tanzkurs zu erinnern, zu dem ihre Eltern sie vor einigen Jahren gezwungen hatten. Laut deren Meinung sollte jeder Jugendliche ein paar Standardtänze beherrschen, da eines Tages der Moment kommen würde, in dem man diese Kenntnisse brauchte. Wenn jetzt dieser Moment war, dann hatten ihre Eltern sowas von Unrecht gehabt. Keine der gelernten Walzeroder Cha Cha Cha-Schrittkombinationen schien hier auch nur ansatzweise brauchbar zu sein.

      Katie bemerkte, dass die anderen Paare zwar immer zu zweit tanzten, die Bewegungen aber eher an einen Tanz mit dem eigenen Spiegelbild erinnerten. Dabei hielten sie stets einen gebührenden Abstand zueinander ein und vermieden, bis auf das Berühren der Hände beim Herumführen im Kreis, jeglichen Körperkontakt.

      Das Ganze war eine Mischung aus Gleiten und Gehen, das durch Neigen des Kopfes vervollständigt wurde. Katie versuchte sich an den Schritten des Jungen zu orientieren und dabei nicht allzu unwissend auszusehen.

      »Ihr tanzt gut.«

      Das bezweifelte sie.

      »Ich muss mich erneut bei Euch entschuldigen. Wie konnte ich nur vergessen, mich Euch vorzustellen: Ich bin Friedrich de Ribera.« Ein stolzes Lächeln trat in sein Gesicht, was Katie schmunzeln ließ. Er trat näher an sie heran und vollführte eine elegante Drehung. »Da Ihr nun meinen Namen kennt, verratet mir den Euren.«

      Wieder verschlug es ihr die Sprache. Katie fragte sich ernsthaft, was mit ihr los war. Sie war doch sonst nicht auf den Mund gefallen. Aber Friedrich verströmte eine Vertrautheit und Selbstsicherheit, in der sie sich verrückterweise sowohl geborgen als auch ungewohnt eingeschüchtert fühlte. Sein Lächeln ließ sie rot werden und seine Nähe Schmetterlinge in ihrem Bauch fliegen. Und