Der goldene Kürbis. Masal Dorothea. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Masal Dorothea
Издательство: Автор
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Жанр произведения:
Год издания: 0
isbn: 9783954528318
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Thema zurzeit, das sich durch diverse Bücher, Filme, Serien oder Computerspiele zog. Jeder wollte ein Teil der auserwählten Gemeinschaft von jungen Soldaten sein, die mit besonderen Fähigkeiten oder Waffen ausgestattet waren und zur Lebensaufgabe hatten, Monster, Dämonen und bösartige Kreaturen zu bekämpfen, um den Frieden der Menschheit zu verteidigen. Solche Welten, Geschichten und Ableger waren unter den Jugendlichen in ihrer Schule gerade sehr beliebt.

      Selbst Gina, die sonst eher nichts mit tagesaktuellen Geschehnissen außerhalb der Modewelt zu tun haben wollte, warf jetzt einen genaueren Blick auf das Outfit. Automatisch strafften sich Katies Schultern und der sanfte Druck ihrer großen Schwerter, die sie an ihrem Rücken befestigt hatte, verstärkte sich. Zwar waren die Waffen nur aus Plastik, aber was war an Monstern und Gestalten zu Halloween schon echt? Die schwarze Lederjacke, das dunkle Top, die Jeans und ihre schwarzen Lederstiefel, die im schimmernden Mondlicht glänzten, rundeten das Outfit ab. Am Gürtel prangte eine große, silberne Schnalle. Eine perfekte Kampfmontur gegen alle bösartigen Kreaturen. Katies größter Stolz war der echte Dolch in ihrem rechten Stiefelschacht. Den hatte sie sich nach viel Überzeugungsarbeit von ihrem Vater ausleihen dürfen.

      »Naja, vielleicht erkennt man es beim zweiten Hinsehen. Außerdem ist das doch voll der Fantasy-Mist!«, entgegnete Gina überheblich.

      Erst jetzt warf Katie einen Blick auf die Kostüme der anderen. Gina hatte sich als Märchenprinzessin verkleidet, so wie sie es schon die ganze letzte Woche in der Schule herumposaunt hatte. Allerdings trug sie für Katies Geschmack an einigen Stellen etwas zu wenig Stoff, um eine »brave« Märchenprinzessin zu verkörpern. Conny und Trish, ihre zwei Busenfreundinnen, waren als Zofen verkleidet. Wie passend!

      »Wir sind nicht zum Reden hier«, bemerkte Katie kühl.

      »Du kannst es wohl kaum erwarten, ein … wie sagt man das, wo du herkommst … Abenteuer zu erleben?«

      »Bei uns würde man das Erpressung nennen.«

      »Ach? Schiss? Wenn du kneifen willst, sag‘s gleich, dann können wir uns deine Heulanfälle sparen und direkt zur Party gehen. Dass du kneifst, wäre der ideale Gesprächsstoff für so eine Feier.«

      Katie spürte, wie ihr Gesicht vor Wut zu glühen anfing. Zum Glück war es so dunkel, dass Gina und die anderen das nicht bemerkten. Langsam löste sie ihre zusammengeballten Fäuste, setzte ein entschlossenes Gesicht auf und nahm ihre Taschenlampe wieder in die rechte Hand.

      »Na dann. Nicht, dass ihr noch zu spät zur Party kommt. Und übrigens: Sucht euch besser schon einmal neuen Gesprächsstoff.« Mit diesen Worten marschierte Katie an den drei Mädchen vorbei. Sie spürte die überraschten Blicke in ihrem Rücken und genoss es – zumindest für einen kurzen Moment.

      Schon nach wenigen Schritten gelangte sie an ein großes, verrostetes, windschiefes Gartentor. Die dahinterliegende Villa war im Dunkeln nur zu erahnen. Katie hoffte innständig, das Tor wäre abgeschlossen oder über die Jahre so sehr verrostet, dass es sich nicht ohne größeren Aufwand öffnen ließ. Darüber zu klettern war eine aussichtslose Option. Der Zaun war gute zwei Meter hoch und besaß in regelmäßigen Abständen pfeilartige Spitzen, die wenig einladend wirkten.

      Doch als Katie vorsichtig ihre Hand auf das Metallschloss legte und leicht ihr Gewicht dagegen drückte, ließ sich das Gartentor problemlos öffnen. Nicht einmal ein Quietschen war zu hören. Es schien fast so, als wollte die Villa, dass sich jemand ihr näherte.

      »Das ist ja mal wieder super, wie viel Glück ich doch habe«, murmelte Katie mit zusammengebissenen Zähnen. Nur widerwillig betrat sie den fast völlig zugewucherten Pfad, der zur Villa führte. Tagsüber hatte sie versucht sich den Weg von außen so gut es ging einzuprägen, damit sie das Gebäude möglichst schnell erreichte. Sie wollte keine Sekunde länger hier bleiben als nötig. Das war allerdings einfacher gesagt als getan. Außer schemenhaften Umrissen in unmittelbarer Nähe war von dem weitläufigen Grundstück kaum etwas zu erkennen. Einzig die kleinen Leuchtaccessoires von Gina und ihrer Clique gaben einen klaren Orientierungspunkt und wirkten auf einmal unglaublich einladend. Katie wischte diesen Gedanken beiseite. Sie hatte ja schließlich noch ihre eigene Taschenlampe. Eilig schaltete sie diese ein. Sofort erhellte sich ein Teil des zugewucherten Weges und beruhigte ihre angespannten Nerven ein wenig. So vorsichtig wie möglich setzte sie nun einen Fuß vor den anderen. Der Lichtkegel der Taschenlampe zeigte zwar das Gras und Gestrüpp, auf das ihre Stiefel traten, aber ließ nur erahnen, was sich darunter befand.

      Ein heißerer Schrei ertönte. Katie zuckte zusammen. Sie richtete die Taschenlampe nach oben. Schemenhaft tauchten die umliegenden Bäume auf und bewegten sich im Schein unruhig hin und her. Hatte sich da nicht gerade etwas gerührt? Katie hatte das merkwürdige Gefühl, beobachtet zu werden. Die Taschenlampe zitterte unkontrolliert in ihrer Hand, was die Bäume im zuckenden Lichtkegel noch gespenstischer erscheinen ließ. Selbst wenn etwas Gefährliches dort lauerte, sie hätte es nicht erkannt.

      Wie sollte sie es bis zur Villa schaffen, wenn sie sich jetzt schon völlig verrückt machte? Genau für diesen Fall hatte Katie ihren MP3-Player eingesteckt. Er sollte sie in unheimlichen Situationen mit ihrer Lieblingsmusik beruhigen und vor allem ablenken. Nur leider dachte Katie genau jetzt am allerwenigsten daran, Musik zu hören. Ihre Nackenhaare sträubten sich und sie spürte, wie ihre Muskeln sich schmerzhaft verkrampften. Ganz ruhig. Automatisch ging sie tiefer in die Knie. Das war, so hoffte sie, die perfekte Ausgangsposition für den Fall, dass ein Angreifer sie überraschte und sie sich verteidigen oder fliehen musste.

      Noch langsamer als zuvor ging sie weiter, immer die Schatten im Auge behaltend. Alles blieb ruhig. Zu ruhig.

      Nach einer gefühlten Ewigkeit tauchte endlich die Fassade der Villa auf. Jetzt nur noch irgendwie in das Gebäude kommen.

      Gina hatte darauf bestanden, dass Katie in die Villa einstieg und durch eines der Fenster mit ihrer Taschenlampe ein Lichtsignal gab. Das war der Beweis dafür, dass sie die Mutprobe bestanden hatte.

      Katie war bei dem Gedanken, IN die Villa zu müssen, überhaupt nicht wohl. Sie überlegte kurz, einfach von außerhalb des Gebäudes das Lichtsignal zu senden. Aber wie sie ihr Glück kannte, würde das nach hinten losgehen. Sobald sie mit der Taschenlampe wedelte und das vereinbarte Zeichen sendete, würde die Wolkendecke aufreißen und der Vollmond ihren wahren Standort preisgeben. Der Versuch zu schummeln war zu riskant. Sie wollte nicht gleich nach ihrer zweiten Schulwoche als Feigling abgestempelt werden. Also blieb nur die Flucht nach vorne.

      Zögerlich setzte Katie einen Fuß auf die verwitterten Steinstufen der Eingangstreppe. Von Nahem sah das Gebäude noch unheimlicher aus. Türen und Fenster bildeten klaffende, dunkle Löcher, die gierig auf sie hinabsahen und nur darauf warteten, abenteuerlustige Dummköpfe in ihr Verderben zu stürzen. Allein die zersprungenen Steinplatten hinauf zur Veranda wirkten alles andere als vertrauenserweckend. Nur weil die erste Stufe ihrem Gewicht standhielt, hieß das nicht, dass das auch die zweite tat.

      Katies Blick wanderte zu einem alten, morschen Schild, das scheinbar vor Langem am Geländer angebracht worden war. »Betreten verboten, Lebensgefahr!«. Es wird ja immer besser!

      So leichtfüßig wie möglich erklomm sie die restliche Treppe, griff mit ihrer freien Hand nach dem verrosteten Türknauf an der großen Holztür und drehte ihn. Nichts. Sie rüttelte fester, aber auch das erzielte keine Wirkung.

      »Wirklich?! Das Gartentor ist offen, aber du nicht?!«

      Was jetzt? Sie war zu weit gekommen, um einfach wieder umzudrehen und zurück zur Clique zu gehen. Zumal die Aussage, dass die Tür verschlossen und kein Reinkommen in die Villa möglich war, mit Sicherheit auf wenig Verständnis stoßen würde. Es musste einen anderen Weg geben. Einbrecher gaben schließlich auch nicht vor verschlossenen Türen auf. Da gab es doch noch die Alternative mit dem Fenster …

      Langsam ließ Katie ihre Taschenlampe an der Hausfassade entlangwandern. Efeu hatte sich über die Jahre am Mauerwerk breit gemacht und umgab nun einen Großteil des Gemäuers. Einige Meter entfernt hatte sie Glück. An der rechten Hausseite befand sich ein mit Brettern vernageltes Fenster, dessen Scheibe eingeschlagen war. Eilig sprang Katie die steinerne Treppe hinunter und riss mit voller Kraft am untersten Holz. Es knarzte, die