Mausetot auf hoher See. Inge Hirschmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inge Hirschmann
Издательство: Bookwire
Серия: Die Abenteuer des Karl Holzinger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750215962
Скачать книгу
und dann hat sie sich bald bei unserer Truppe beworben. Weil sie eben eine gewisse Abenteuerlust im Blut hat. Und du?«

      »Ich hab auch eine Abenteuerlust im Blut, drum hab ich mich gleich von Anfang an bei dieser Truppe beworben. Und dafür sage und schreibe fünfzig Zentimeter Lockenmähne geopfert.«

      »Was hast du eigentlich vorher gemacht?«

      »Ordnungsamt, aber das hat hinten und vorne nicht gepasst«, erwiderte Adam. »Betrunkene, vollgekotzte Teenager von den Parkbänken sammeln... Irgendwann war's genug.« Das hatte er als Polizist auch öfter gehabt, deswegen war der Ausdruck von Abscheu in seinem hübschen Gesicht überhaupt nicht gespielt. Sonst aber kribbelte es ihm unter den Zehennägeln. Der Pampf, der sich hier Bayerisch Creme schimpfte, wollte ihm nicht mehr recht die Gurgel runter. Jochen ins Gesicht zu lügen, kam ihn richtig hart an. »Und ich mag auch nicht drüber reden. Lass uns nochmal auf die Mäuse zurückkommen. Wie können die so weit nach oben gelangen?«

      »Treppen - oder sie fahren im Lift mit.«

      »Witzbold! Im Lift - das würde vielleicht ein Gekreische geben! Siebzig Prozent der Passagiere sind weiblich und in einem Alter, wo man noch mit der Angst vor Mäusen aufgewachsen ist, wegen Pest oder sowas.«

      »Ach geh, wegen Pest doch auch wieder nicht mehr. Oder...?«

      »Aber apropos Lift - wieso haben wir überhaupt diese beiden seitlichen Treppenhäuser? Die sind doch irgendwie unelegant. Bei den meisten Schiffen sind die Treppen mehr mittig und offener, oder? Richtig schöne haben wir nur zusätzlich im Foyer, über gerade mal vier Decks.«

      Auch hier wusste Jochen Bescheid. »Da waren ursprünglich Panorama-Treppen geplant, voll verglast bis runter auf Deck drei. Das sollte nachträglich nach der Jungfernfahrt eingebaut werden, weil die Werft sonst nicht rechtzeitig fertig geworden wäre. Und dann hat jemand vom Vorstand Zweifel angemeldet, ob die Statik das hergibt. Genau weiß ich das auch nicht, wird halt so gemunkelt. Und dass das niemand mehr richtig berechnen hat können, weil nämlich nach ebendieser Jungfernfahrt der Schiffsbaumeister nicht mehr auffindbar war. Der Konstrukteur der ›Symphony‹.«

      »Ach, sag bloß!« Es gehörte von jeher zu Adams hervorragenden Eigenschaften, gut zuhören zu können. Und dann zur rechten Zeit die richtigen Fragen zu stellen.

      »Ja, das ist noch ein Argument mehr für den Bordklabautermann - wenn nicht das erste überhaupt«, meinte Jochen. »Dass selbst der Schiffsarchitekt spurlos verschwunden ist, nachdem sie fertig war, unsere schöne Lady. Seit viereinhalb Jahren schon. Nach dem Stapellauf war er weg, samt den Konstruktionsplänen. Untergetaucht nach einem Nervenzusammenbruch, heißt es. An dem Schiff ist wirklich so manches seltsam. Es passieren komische Sachen. Und das hat sich eben auch in Hamburg schon rumgesprochen. Du bist zum Beispiel für zwei Mann nachgerückt.«

      »Na, bravo! Aber wenn man eh schon Doppelschicht hat, wie soll man da für zwei arbeiten? Das passt doch in vierundzwanzig Stunden überhaupt nicht mehr rein. - Hey, was willst du mir damit sagen, Kumpel? Was genau ist mit den beiden Männern passiert?«

      »Pffhhh... einer ist einfach in Vorruhestand gegangen, weil seine Pumpe den Stress nicht mehr recht mitgemacht hat. Und der andere... Colin hieß er... der hat seine Panikattacken nicht wieder in den Griff gekriegt.«

      »Panikattacken -?«

      »Ja, nachdem ein durchgeknallter Amokläufer ihn über Bord geworfen hatte, als Colin ihn festnehmen wollte.«

      »Großer Gott!«

      »Wir haben das Schiff sofort gestoppt und ihn auch relativ schnell gefunden, weil es zum Glück am Tag passiert ist. Aber danach hatte er seinen Schaden weg. War schon die eine oder andere Haifischflosse über den Wellen zu sehen, das hat ihn halt irgendwie geschafft. Haifische haben es ja so an sich, dass sie den Passagierschiffen folgen. Sie mögen die vergammelten Lebensmittel, die regelmäßig über Bord gehen.«

      »Jochen?«

      »Mhm?«

      »Du verarschst mich aber momentan kolossal, oder?«

      Jochen zuckte die breiten Schultern, ohne auch nur im Geringsten beleidigt zu sein. »Alle sagen das an der Stelle, das weiß ich von den anderen Jungs. Aber frag einfach den Käpten.«

      »Ja, klar, den Käpten! Mit dem wollt ich schon lange mal eine ausgiebige Männerrunde quatschen. Mann - ! Meinst du, ich möchte freiwillig auf der Osterinsel an Land gesetzt werden und dort warten, bis die ›Symphony‹ nächstes Jahr wieder vorbeikommt?«

      »Och, ich weiß gar nicht, ob wir diesmal die Osterinsel anlaufen. Und so streng ist er auch wieder nicht. Ich glaube, fragen könntest du ihn schon. Obwohl, das dürfte ein sensibles Thema bei ihm sein. Also glaubst du lieber doch einfach deinem grundehrlichen Kollegen.«

      »War das wirklich ernst gemeint, dass du auf unseren Toten so reagiert hast?«

      »Wie - reagiert?« Jochen war heute zum Spielen aufgelegt. Womöglich auch nicht ganz ausgelastet nach der ersten Hälfte der Schicht, die er wie Adam gerade hinter sich gebracht hatte.

      »Ja - als würde da halt was nicht stimmen mit diesem Todesfall, das eben.«

      »Jeder Todesfall auf diesem Schiff ist potenziell verdächtig. Aber wenn der Doc meint, das war nur ein Dosierfehler...«

      »Kann er ihn eigentlich aufschneiden, hier an Bord? Also, eine Obduktion vornehmen?«

      »Gott bewahre! Den geheiligten Operationsraum mit Leichen zu verunreinigen... Und ich glaube auch nicht, dass er dazu ausgebildet ist.«

      »Wieso? Die müssen im Vorphysikum doch auch an Toten herumschnippeln. Also sollte er das können.«

      »Hey, was du alles weißt!«

      Aufpassen, Adam! »Hab' ich von einem ehemaligen Schulkameraden gehört, und der hat dann auch das Handtuch geschmissen und das Medizinstudium obendrein, weil's ihm arg vor den eingelegten Leichen gegraust hat. Danach hat er, glaub ich, bei einem Paketdienst angefangen.

      Oder als Pizzafahrer bei einer Fastfood-Kette. Weiß ich ehrlich gesagt nicht mehr genau. Aber nochmal: Kann der Doc nicht obduzieren, darf er nicht - oder mag er nicht?«

      »Vielleicht mag er nicht, weil er auch ohne das schon alle Hände voll zu tun hat. Das ist übrigens ein ganz netter, also stress ihn nicht zu sehr.«

      »Weiß ich, und werd ich nicht. Ich war ja schon mit ihm da oben bei dem Leichenfund.«

      »Und er ist seit dem Stapellauf dabei. Ellen übrigens auch, obwohl das nur die wenigsten so lange aushalten.«

      »Wer?«

      »Na, die Krankenschwester.«

      »Ach so, ja. Die mit der wilden Frisur.«

      »Hey, Adam, ich glaub glatt, die ist noch solo. Die würde doch prima zu dir passen, oder?«

      »Nein, du. Mit den Frauen bin ich durch, ein für allemal. Ist mal was gewaltig schiefgelaufen, frag erst gar nicht.«

      »Schiefgelaufen?« Jochen erstarrte regelrecht. Bis auf seine Augen: Die nämlich folgten schreckgeweitet einer imaginären Linie geradewegs unter die Tischplatte.

      »Nein, du Scherzkeks! So schiefgelaufen auch wieder nicht. Einfach mehr seelisch, verstehst.« Jetzt wurde er lauter, damit der Dödel vor ihm es endlich kapierte: »Enttäuschte Liebe halt, Menschenskind! Die Braut hat mich abgezockt und dann fallen gelassen.«

      »Ach so! Sag das doch gleich, hab mich direkt erschrocken. Aber...« Übern Tisch hinüber klopfte er Adam auf die Schulter. Seine Arme waren verhältnismäßig so lang wie der Rest seines Gestells und der Tisch verhältnismäßig so knapp bemessen wie alles im Personalbereich des Schiffes. »...auf Regen folgt Sonne, oder?«

      »Ich hab Sonnenallergie,« maulte Adam.

      Kapitel 4

      Der Leichenfund schien Adam eine Art Karrieresprung zu bescheren. Zumindest lernte