Mausetot auf hoher See. Inge Hirschmann. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Inge Hirschmann
Издательство: Bookwire
Серия: Die Abenteuer des Karl Holzinger
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783750215962
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klappte den Mund auf und gleich wieder zu. Dann sagte er, völlig überraschend: »Danke, Junge.«

      »Wie jetzt - danke wofür denn?«

      »Danke, dass du recht hast und dich traust, diesen Standpunkt zu vertreten, wo doch heute alle diese Yuppies nur noch über uns Alte lachen, und danke, dass du mir gesagt hast, dass es mir nicht ansteht, auch noch in die Rolle dieser jungen Schnösel zu schlüpfen.«

      »Uff! Komm, lass uns was anderes reden.«

      Themawechsel also: »Eure Leiche, war die auch schon so alt?«

      So alt wie wer? fragte sich Adam. Aber er wollte Max nicht weiter reizen und erwiderte brav: »Mitte Fünfzig vielleicht, eigentlich nicht der Typ für derart schwere Medikamente. Aber er wird womöglich mal einen Herzinfarkt oder was gehabt haben.«

      »Was macht ihr denn überhaupt mit ihm?«

      »Der Doc hat ihn unten eingefroren. Ich hab versucht, seine Angehörigen zu erreichen, aber an seiner Heimatadresse geht keiner ans Telefon.«

      »Die Welt ist voller einsamer Wölfe!«, seufzte Max und zwinkerte dem Jüngeren zu.

      »Ach, geh mir bloß damit!«, knurrte der. Im Gegensatz zu Max Leitner, von dem man nicht wusste, wie es um seine einschlägigen Erfahrungen stand, hatte sein Neffe nicht ohne Grund die Nase voll vom Weibsvolk. Jedenfalls dachte er das zu diesem Zeitpunkt noch voller Überzeugung. Aber der Mensch ist ein fehlbares Wesen...

      Kapitel 5

      »Das ist Hurvinek. Burnout-Kandidat. Hat nach einem heftigen Schuss vor den Bug ein Sabbatical-Jahr genommen, oder wie das heißt. Aber alt war der nicht.«

      »Woher kennst du den denn, Onkel Max?« Wieder ein Leichenfund. Diesmal hatte Adam mit seiner Handykamera ein Foto von dem Toten gemacht, um es seinem Onkel zu zeigen. Der zweite Todesfall schon binnen kurzer Zeit, nachdem vorher rein gar nichts passiert war.

      »Bar-Bekanntschaft. Viel hat der eigentlich nicht von sich preisgegeben, aber das schon. Weißt, der hat seinen Burnout förmlich vor sich hergetragen wie die französische Marianne ihre Tricolore und ihren Busen auf diesem Bild von Descartes.«

      »Es ist von Delacroix, Max«, korrigierte Adam ihn automatisch.

      »Ach so, ja, kannst recht haben. Aber die barbusige Madame mit der Flagge da drauf ist doch die Marianne, oder?«

      »Kann schon sein. Es heißt ›Die Freiheit führt das Volk‹. Aber zurück zu diesem Hurvinek, bitte.«

      Für Max Leitner war ein Burnout eine neumodische Erfindung mit nicht mehr Sinn, als sich vor der Arbeit zu drücken und unliebsamen Kollegen aus dem Weg zu gehen. Allerdings hatte Max es seinerseits stets geschafft, dem Kollegen Computer aus dem Weg zu gehen und diese Art Stress gar nicht erst aufkommen zu lassen. Als Personenschützer hatte er lieber mitten an der Front gestanden und die lästige Büroarbeit delegiert.

      »Für welche Firma hat er denn gearbeitet?«

      »Irgendein Software-Zulieferer, den Namen hab' ich nicht behalten«, grübelte Max.

      »Tschechisch?«

      »Nein, schon in Deutschland. Ach so, wegen dem Nachnamen, meinst? Wer weiß, der Name kommt auch in Österreich öfter vor.«

      Verstohlen atmete Adam auf. Schon wieder jemand aus dem ehemaligen Ostblock, das hätte ihm echt zu denken geben müssen! Wahrscheinlich war er nach seinen Erfahrungen mit der Russenmafia daheim in Hallerbach immer noch ein wenig paranoid...

      »An was ist er denn gestorben?«, fragte Max.

      »Dem Doc zufolge an einem hypoglykämischen Schock.«

      »Hah?« Hier schienen die Arztromane versagt zu haben.

      »Zuviel Insulin gespritzt - wahrscheinlich, weil er gemeint hat, sich am Büffett noch mehr überfressen zu haben, als es tatsächlich der Fall war.«

      Max runzelte die buschigen grauen Brauen. Ab und zu mit der Schere darüberzugehen, hätte gewiss nicht geschadet. »Komisch, dass er davon nichts erwähnt hat, dass er zuckerkrank ist. Das war nämlich ein Hypochonder, wie er im Buche steht. Und von wegen überfressen: Der hat doch von Grünzeug, gekochtem Gemüse und gedünstetem Fisch gelebt. Und das bei dem Angebot hier an Bord.«

      Daraufhin war es an seinem Neffen, die Brauen zu runzeln. Er kriegte es immer hin, dass die rechte etwas höher hing als die linke, was sehr pfiffig, um nicht zu sagen apart, aussah. Überhaupt war er eine recht fesche Erscheinung mit seinen widerspenstigen blonden Locken, den großen graublauen Augen, der scharf geschnittenen Nase, der kantigen Kinnpartie und den Wangengrübchen. Die älteren Damen an Bord waren allesamt hingerissen, wenn er auf dem Pool-Deck auftauchte, und fingen an, mit der Sonne um die Wette zu strahlen, die leider letztens die meiste Zeit über dem geschlossenen Plexiglas-Verdeck scheinen musste.

      Aber ältere Damen passten sowieso nicht in Adam Asbecks Beuteschema. Junge leider erst recht nicht - nicht mehr. Tatsächlich lebte er seit Jahren im kleinsten Kloster der Welt, sozusagen in einem Ein-Mann-Konvent. Einfach, um sich weitere Seelenpein zu ersparen.

      »Meinst du also, so einer hätt sich nicht mit den Insulineinheiten vertan?«

      »Was?« Diabetes war eindeutig nicht Max' Stärke. Seit er zurückdenken konnte, ging er den Weißkitteln konsequent aus dem Weg, was er sich dank seiner eisernen Konstitution auch in seinem Alter noch leisten konnte.

      »Sieh mal, ein Diabetiker, der Insulin spritzt, muss die Dosis exakt nach den Mahlzeiten berechnen, die er zu sich nimmt. Die meisten haben auch ein Blutzuckermessgerät bei sich, zumindest, wenn keine Arztpraxis in der Nähe ist. Da bringst mich auf eine Idee...«

      »Ich hab doch gar nichts gesagt, Karl.«

      »Adam, Onkel Max! Bitte gewöhn dich doch endlich einmal daran! Du hast schon ein Vierteljahr Zeit gehabt, das zu üben.«

      »Ach geh, Adam - ist das ein blöder Name! Welcher Bayer heißt schon Adam -!«

      »Offiziell bin ich ja auch aus Osnabrück, Mensch!« Das war geflüstert, aber ziemlich energisch geflüstert. »Kannst bitte mein Inkognito endlich einmal respektieren? Oder willst, dass mich die Russenmafia doch noch kalt macht?«

      In gespielter Ratlosigkeit fuchtelte Max in der Luft herum. »Und was ist denn nun mit deiner Idee? Auch wenn ich gar nichts gesagt hab?«

      »Ja, dass ich halt das Zuckermessgerät suchen muss in seiner Kabine. Vielleicht hat es falsch angezeigt, von wegen leerer Batterie oder was.«

      »Langt dir der Insulinschock alleine nicht als Todesursache?«

      »Weißt, ich muss es seinen Leuten zu Hause irgendwie erklären.« Adam seufzte. »Hoffentlich nicht schon wieder eine Nummer, wo keiner drangeht, wie bei dem Litauer!«

      »Was habt ihr denn dann gemacht?«

      »Der Käpten hat mit der Litauischen Botschaft in Deutschland telefoniert. Die wollen sich angeblich darum kümmern.«

      »Ist doch eh am einfachsten so, oder?«

      Adam zuckte die Schultern. Irgendwas gefiel ihm an der Sache nicht. »Ich geh mir dann mal die Kabine von dem Hurvinek anschauen.«

      »Nimmst mich mit?« Max' Augen leuchteten hoffnungsvoll. Der Neffe zögerte.

      »Ich weiß nicht recht, ob meine Vorgesetzten das so gerne sehen...«

      »Die müssen's ja nicht erfahren. Und wenn doch, sagst einfach, ich hätt ihn gekannt. - Außerdem sehen vier Augen mehr als zwei.«

      »Meinetwegen! Aber erzähl's hinterher nicht auf dem ganzen Schiff herum, nicht, dass die mich am Ende noch auf der Osterinsel aussetzen!«

      Es wäre unmenschlich gewesen, dem vor Langeweile halb toten Max diesen Wunsch abzuschlagen. Und tatsächlich sollte er sich als recht nützlich erweisen.

      »Schaut