Pfad des Feuers. Alexander Mosca Spatz. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Alexander Mosca Spatz
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844260304
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Land zu finden, so wie die Vorfahren der Menschen Moréngard gefunden hatten. Nun steckte er hier fest, hatte Angst um das Leben seiner Schwester und versuchte mit seinem Mentor Aaron, den zweitmächtigsten Mann Moréngards eines Mordes zu bezichtigen. In Gedanken versunken hatte er gar nicht gemerkt, dass er schon angekommen war. Das Haus seiner Schwester, oder wohl eher seiner toten Eltern, war etwas breiter als die anderen darum herum und auch der Eingang sah nicht ganz so heruntergekommen aus, wie die der anderen Häuser. Er atmete noch einmal tief durch, bevor er die knirschenden Treppen zu der Tür hinauf stieg, die Hand auf die Klinke legte, sie herunter drückte und eintrat. Das leise Prasseln eines kleinen Feuers, vermischt mit dem Zischen von kochendem Wasser waren die einzigen Geräusche, die er hörte, als er eintrat. Das Feuer brannte in einem alten, staubigen Steinkamin vor sich hin und schenkte nur bedingt Wärme, doch es war genug, um nicht zu frieren. Das Zischen kam von dem mit Wasser gefüllten Kessel, der über eben diesem Feuer hing. Das Mobiliar war kümmerlich, aber ausreichend. Vor dem Kamin stand der alte Sessel seines Vaters und neben dem Kamin erstreckte sich eine Reihe von kleinen Kommoden über die ganze Wand, bis hin zu der Treppe, die in die höheren Etagen des Hauses führte. In der kleinsten Ecke des Hauses hatte ihre Mutter eine kleine, notdürftige Küche eingerichtet, von der aus man leicht die Sachen auf den wackeligen Tisch stellen konnte. Ihre Mutter war eine sehr praktische Frau gewesen …

      Sirian ging zu dem Sessel, legte den Lederharnisch seiner Adeptenrüstung ab und warf die gekauften Kräuter in das nun saubere Wasser. Er wagte es immer noch nicht, in der Hafenstadt seine graue Rüstung eines Adepten zu tragen. Oft genug hatte er gesehen, wie Menschen zusammengeschlagen worden waren, nur weil sie entfernt an ein exekutives Staatsmitglied erinnerten. Das Wasser hatte er heute morgen geholt, gereinigt und über das Feuer gehängt, damit es kochen und somit Viren abtöten konnte, sollten welche in dem Wasser enthalten sein. Das Wasser zischte und brodelte, nahm eine bläuliche Färbung an und der Geruch von Jasmin breitete sich in dem Zimmer aus. Sirian beobachtete eine Weile das nun dunkelblaue Wasser, rieb sich die Stirn.

      Melanie war immer noch der festen Überzeugung, ihr ginge es wieder gut. Sie schwärmte jeden Tag davon, wie bald sie wieder gesund werden und aus der Hafenstadt ausziehen würde – und er musste nun zu ihr gehen und ihr sagen, dass sie sterben würde.

      So weit ist es nun also schon gekommen, dass ich meine Schwester aufgegeben habe, wo sie noch an mich glaubt. Was bin ich nur für ein Bruder?

      Im Herzen kannte er die Antwort bereits seit langem; im Herzen hatte er begriffen, dass er seiner Schwester nicht half, weil er sie als Schwester liebte, sondern weil es ihm sein Pflichtgefühl verbot, sie endlich hinter sich zu lassen. Seit ihr Vater gestorben war, war sie für ihn eine Last gewesen, ein Gewicht, das ihn immer wieder in seine niedere Herkunft hinunter zog.

      Am liebsten hätte Sirian sich für sein Verhalten eine Ohrfeige gegeben, aber er erhob sich zitternd aus dem Sessel und blickte hinauf zur Treppe, wo seine Schwester schon auf ihn wartete.

      Ich kann gehen … in ein paar Tagen ist es sowieso vorbei. Ich kann ihr das Mittel geben und sagen, dass ich gehen muss. Ich weiß, dass sie Verständnis dafür hätte. Ich würde ihr nicht sagen müssen, was geschehen wird. Sie würde alleine sterben, aber in der Hoffnung, dass alles wieder gut wird.

      Er ging auf die Treppe zu, die in das Zimmer seiner Schwester hinauf führte. Die Stufen ächzten laut, als er eine nach der anderen nahm, die eine Hand angespannt auf das Geländer stützend. Von oben hörte er ein Poltern, Schritte auf dem Holzboden über ihm. Staub rieselte herunter und er hustete, als er etwas davon in die Lungen bekam. Er hatte seiner Schwester gesagt, sie solle unbedingt liegen bleiben, aber sie war schon immer sehr … lebhaft gewesen.

      Oben angekommen öffnete er langsam die Tür, in der Hoffnung, seine Melanie würde schlafen.

      Sie saß aufrecht auf dem Bett. Ihr schwarzes Haar klebte ihr in schweißnassen Strähnen im Gesicht, ihre etwas dunklere Haut hatte einen ungesunden blässlichen Ton angenommen. Als Sirian eintrat, sah sie auf und strich sich die klebrigen Strähnen aus dem Gesicht, ein schwaches, aber glückliches Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie war hübsch, wäre da nicht die Krankheit gewesen, die sie auslaugte und schwächte.

      „Sirian! Ich dachte schon du kommst gar nicht mehr!“, rief sie aus und legte das Buch beiseite, das sie in Händen hielt.

      Das dachte ich auch, Schwesterherz; genau das selbe dachte ich auch …

      Sirian fiel es schwer, ihr Lächeln zu erwidern, aber er schaffte es und setzte sich zu ihr auf das Bett.

      „Ich würde dich doch nie im Stich lassen. Wie fühlst du dich?“

      Seine Schwester legte den Kopf schief und dachte einen Moment über die Antwort nach. „Unverändert. Nur irgendwie ist mir etwas wärmer, deswegen bin ich aus der Decke raus, ich wäre fast gestorben vor Hitze!“

      Sofort presste Sirian eine Hand an die Stirn seiner Schwester und seine Mundwinkel zuckten, seine Augen verengten sich einen Moment zu Schlitzen. Die Stirn seiner Schwester war glühend heiß. „Ist es so schlimm? Was ist los, Sirian?“, fragte sie leise, als sie seinen entsetzten Gesichtsausdruck sah und Sirian nahm langsam die Hand von ihrer Stirn.

      Die Eversia holt zu ihrem letzten Schlag aus. Die brennende Haut, der blässliche Teint; es geht los.

      „Es ist … Melanie, wäre es schlimm, wenn ich kurz etwas trinken gehe und wir nachher reden? Die letzten Tage waren verdammt anstrengend und ich brauche dringend eine kleine Pause.“

      Melanie sah an ihm vorbei, hob langsam die Hand und fasste sich an die Stirn. Einen Moment lang herrschte vollkommene Stille; dann zuckte Melanie mit den Achseln und ließ die Hand wieder sinken.

      „Ich fühle mich gut, seit ich wieder aus der Decke raus bin. Geh ruhig etwas trinken, aber komm danach bitte wieder, ja? Ich will nicht alleine sein.“

      Sirian fühlte wie sich sein Magen zusammen zog, sich eine eisige Kälte in ihm ausbreitete. Auf einmal fühlte sich seine Kehle an, als wäre sie ausgetrocknet und er konnte kaum schlucken.

      Ich muss es ihr sagen … unbedingt. Aber erst, wenn ich wieder komme. Erst muss ich etwas trinken gehen …

      „Ich komme so schnell wie möglich wieder, Melanie. Versprochen“, Sirian rang sich ein Zwinkern ab, doch seine Schwester glaubte ihm sofort und lächelte warm.

      „Danke, Sirian. Du bist der Einzige, auf den ich hier zählen kann. Ich bin so froh, dass du da bist.“

      Melanie umarmte ihn erstaunlich fest und er klopfte ihr auf den Rücken, bettete sein Kinn auf ihrer Schulter und versuchte den Augenblick zu verdrängen, der ihn bei seiner Rückkehr erwartete.

      Sirian stand vor dem Haus seiner Schwester, hatte die Hände in die Taschen seines Wamses gesteckt und atmete tief die stinkende Luft des Hafenviertels ein, doch in diesem Moment schien sie ihm nicht so unangenehm. Eine frische Brise schaffte es, sich einen Weg von den Docks durch die dunklen Gassen bis hin zu ihm durch zu bahnen und Sirian schloss genießerisch die Augen.

      Das waren die einzigen schönen Momente in der Hafenstadt, die er hatte.

      Während er sich auf den Weg zur Taverne 'zum stinkenden Fisch' machte, verdrängte er die bevorstehenden Ereignisse und versuchte sich zu beruhigen.

      Die kalte Luft legte sich trocken auf seine Haut und er fühlte sich so ausgedörrt, wie noch nie zuvor, etwas schnürte ihm die Kehle zu.

      Ich wusste schon immer, dass sie sterben würde. Ich hatte ein Leben lang, um mich darauf vorzubereiten und es ihr zu sagen, wenn sie stirbt.

      Wieso fällt es mir jetzt so schwer? Erinnere dich an die ersten Jahre deiner Ausbildung! Distanziere dich!

      Er erinnerte sich an die Lektionen, in denen ihnen eingepaukt wurde, jegliche Bindung zu ihrem alten Leben zu kappen, bevor sie dem Orden endgültig beitraten.

      Alte Rechnungen sollten beglichen oder vergessen werden, aber nichts durfte dem Paladin mehr aus seiner Vergangenheit im Wege stehen.

      Das schlammige Abwasser gluckste, warf stinkende Blasen und Sirian rümpfte