Utz wider die Alben. Rainer Seuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Seuring
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092950
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habe heute eine völlig fremde Welt kennen gelernt. Das hat mich verwirrt und erschöpft. Solche Regeln gibt es bei uns Zwergen nicht. Wir Frauen sind nicht der Besitz unserer Männer. Auch haben wir die gleichen Rechte unsere Stimme zu erheben. Können wir später fortfahren?“, bitte ich und erwache.

      * * * * *

      Wie jeden Abend steige ich auf das Dach unseres Berges und kaum dass ich oben angelangt bin, stehe ich im Hand umdrehen in der Geisterwelt, wo ich bereits erwartet werde. Dieses Mal sind Gilbret Steinschleifer und Lachsfänger gemeinsam da.

      „Hättest du nicht darum gebeten, Waltruda, hätte Lachsfänger selbst dir vorgeschlagen, zu unterbrechen. Heute wird es besonders schwer für dich werden. Wie du gestern schon erahntest, handelt es sich bei dem >schwarzen<, vor dem Stummer Fisch warnte, um einen Alben. Der Stamm von Häuptling Adlerblick wurde in die Irre geleitet und ist auf kurzem Wege auf der Insel angekommen. Es war eine so kalte Zeit damals, dass sogar enge Meeresstellen zu froren und niemand bemerkte, dass man auf dickem Eis über das Wasser wanderte. Während Lachsfänger weiterhin seine Geschichte erzählt, werde ich den ergänzenden Teil der Alben übernehmen. Es soll dir erspart bleiben, in ihren Kreis einzutauchen und ihre abscheulichen Gespräche zu hören. Derlei Unterhaltungen mit allen Streitereien, Beschimpfungen und Beleidigungen lenken dich nur allzu sehr von der eigentlichen Geschichte ab.“, eröffnet mit Gilbret. „Damit ist es also an mir, dir zu berichten, was in der Zeit vor dem Eintreffen auf der Insel geschah.“

      Nach einer Wiedergeburt ist Alamon auf die Insel zurückgekehrt und hat die Ankunft der Menschen angekündigt. Mit glühenden Worten hat er seine Heldentat, den Medewiwin Stummer Fisch auf den Weg geschickt zu haben, zum Besten gegeben. Selbstverständlich gab es nicht den frenetischen Jubel, den er, wider besseres Wissen, erwartet hatte. Getrieben von Missgunst und Neid wird niemals ein Alb zugeben, ein anderer habe etwas besser gemacht. Es ist schon als Fortschritt zu werten, dass Alamon inzwischen unbestritten als Anführer geachtet wurde. Die früher notwendigen schlagkräftigen Argumente unterblieben nun.

      Man akzeptierte und wusste also, dass alsbald leibhaftige Menschen auf der Insel eintreffen würden. Alamon beauftragte Lunarus, er sollte den Neuankömmlingen entgegen gehen und sie erwarten. Seine schwächliche Gestalt würde an wenigsten erschreckend wirken. Mit gehässiger Absicht schickte er ihn Tage früher hinaus. Gemächlich machte sich der wohl Unscheinbarste der Alben in die ihm gewiesene Richtung auf den Weg. Mit dem unvergleichlich leichten, fast schwebenden Gang hinterließ er keine Spuren im Schnee.

      Bald schon hatte er die ihnen allen bekannte Grenze erreicht und lies sich nieder. Mit seinen Sinnen lauschte er im weiten Rund umher, doch fand sich noch kein Lebewesen spürbar. Er wartete geduldig, auch wenn im klar war, dass er geärgert werden sollte. Eine Auseinandersetzung mit Alamon war nicht nach seinem Geschmack. Mochte sich ein anderer mit dem streiten. Er bevorzugte die Stille. Doch darf niemand glauben, Lunarus sei deswegen harmlos. Es gibt keinen harmlosen Alben. Seine Gefährlichkeit liegt in eben dieser Stille und Unergründlichkeit.

      Aus purer Langeweile beschloss der Wartende, doch mal wieder die Grenze auszutesten. Es war ein sonderbares Gefühl, wenn langsam die Lebenskraft aus dem Körper wich. Er machte einen Schritt vor und lauschte in sich hinein. Nichts zu spüren.

      Er ging weiter. Nichts.

      Und weiter. Und als noch nichts.

      Mit Bedacht setzte er einen Fuß vor den anderen, ohne dass er irgendetwas spürte. Er hob seinen Arm und ließ weiter voraus mit seiner Macht den Schnee aufwirbeln. Alles so wie immer. Mutig geworden ging Lunarus immer weiter und vollführte ein wahres Schneegestöber. Er war nach wie vor im Besitz seiner Kräfte. Grade so, als sei er genau neben dem Vulkan. Grübelnd drehte er sich um. Kaum noch konnte er den Berg erkennen, was nicht an seinen Schneewirbeln lag. Trüb hing eine Staubwolke darüber, die sich bis zu ihm hinzog und noch viel weiter. Da erkannte er den Zusammenhang.

      Mit jedem Ausbruch lösten sich offensichtlich kleinste Teile der Albenmacht und wurden mit dem Gestein und Staub und Asche weit hoch in die Luft geschleudert. Dort konnte der Wind sein Werk vollbringen und alles weit in die Welt hinaustragen. So ging das schon seit Urzeiten. Der Verlust in der Masse war so gering, dass er auf der Insel nicht auffiel. Ganz offensichtlich war es aber schon mehr als genug in der Luft, dass die ehemalige Grenze nun ganz unbehelligt überschritten werden konnte.

      Sehr zufrieden mit sich ging Lunarus wieder auf seinen Platz zurück und erwartete die Menschen, die da irgendwann kommen sollten. In der Zwischenzeit malte er sich aus, welche Überraschung das neue Wissen bei den anderen Alben hervorrufen würde. Es erfüllte ihn mit großer Genugtuung nun auch einmal etwas als Erster entdeckt zu haben. Das konnte ihm auch kein Alamon mehr nehmen.“

      Damit beendet Gilbret zunächst seine Erzählung. Schaudern durchfährt mich bei der Vorstellung, dass die Alben nun frei waren. Wie dumm. Natürlich weiß ich, dass die Alben frei sind, waren sie doch bis vor unsere Festungen gekommen. Doch die anfänglichen Erzählungen hatten dieses Wissen förmlich in meinem Kopf gelöscht.

      Ich sehe wieder Bilder, als Lachsfänger fort fährt: „Nachdem die grünen Lichter verloschen waren, lagerten wir uns. Es war zu dunkel um weiter zu gehen. Als es wieder heller wurde, schlugen die Wachen Alarm. Weit vorne stand eine schwarze Gestalt und winkte uns. Ich war mir sicher, am Vorabend war da niemand.

      >Hütet euch vor der schwarzen< hörte ich noch die letzten Worte von Stummer Fisch. Meinte er schwarze Gestalt? Meinte er jenes Wesen, das uns winkte? Adlerblick sah mich an. Er musste doch die Zweifel in meinem Gesicht sehen, oder nicht?

      Auf mit euch. Wir werden erwartet. Es ist, wie unser alter Medewiwin vorausgesagt hat, rief er und übersah mein Kopfschütteln. Mir war absolut nicht wohl in meiner Haut, aber noch war ich nicht so mächtig und anerkannt wie mein Vorgänger. Noch durfte ich keinen Widerspruch wagen. Was hätte ich auch sagen sollen. Die Götter hätten mir eine Warnung zukommen lassen? Das wäre eine Lüge. Was hätte Stummer Fisch getan? Hätte er gelogen? Meine Überlegungen sind zwecklos. Sicherlich war unser Schicksal besiegelt.

      Jeder nahm sein Bündel auf und stapfte hin zu diesem schwarzen Mann. Er kam uns wohl entgegen, denn der Abstand zwischen uns wurde schnell kleiner. Als wir in Rufweite waren hörten wir: Willkommen, ihr müden Wanderer.

      Schließlich standen wir uns gegenüber.

      Ein ganz herzliches Willkommen auf der Insel der gottgleichen Alben, begrüßt uns der Fremde. Der große Alamon freut sich, euch kennen zu lernen.

      Das Wesen ist sichtbar auf uns zu gekommen, doch sehe ich dahinter keinerlei Spuren. Eine Gestalt, die in dieser Kälte nur einen leichten schwarzen Umhang trägt, ohne Spuren über Schnee wandeln kann und sich gottgleich nennt, muss ein Abgesandter Wakan-Tangas sein. Das sagt mir mein Gefühl und ich werfe mich ehrfürchtig in den Schnee. Auch die anderen meines Stammes tun es mir nach.

      Erhebt euch, meine lieben Freunde, schmeichelt uns der Mann.

      Vertrauen und Wärme breitet sich in meinem Körper aus. Mit strahlendem Gesicht blicke ich den Gesandten an. Allen anderen ergeht es ebenso.

      Sicher seid ihr erschöpft und müde von der langen weiten Reise. Lasst mich euch Kraft geben, eure Last leichter zu tragen.

      Kaum, dass er das gesagt hat meine ich, die größten Bäume ausreißen zu können, wären welche in der Nähe.

      Folgt mir. Es ist noch ein gutes Stück Weg bis in unser Dorf.

      Er dreht um und geht uns voraus. Tatsächlich: Keine Spur eines Fußes. Mit neuer Kraft fällt es uns nicht schwer, ihm zu folgen. Er hält genau auf einen großen Berg zu, über dem eine dicke Wolke hängt. Vorbei an seltsamen rundlichen Häusern aus Eis, die sich in großer Zahl um den Fuß des Berges finden, geht es immer näher an den Berg heran.

      Ich sehe eine Gruppe von weiteren schwarz gewandeten Wesen, vor denen unser Führer schließlich halt macht. Die größte Gestalt tritt hervor und sagt:

      Ich grüße euch, Fremde, und heiße euch auf unserer Insel willkommen. Ich bin Alamon, der Große.

      Unverständliches