Utz wider die Alben. Rainer Seuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Seuring
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092950
Скачать книгу
ein Stück von Adlerblicks Hemd zurück behalten. Dies nutze ich nun, um den Stein einzuwickeln und mir um den Leib zu binden. Jetzt schnell hier heraus. Vielleicht zeigt sich Alamon gnädig und lässt uns ziehen, wenn wir viele der glänzenden Steine besorgen. Ein Blick gen Himmel aber sagt mir, dass es für einen Aufbruch nun zu spät ist und so verbringe ich eine weitere Nacht am Boden des Kraters.

      Ich habe keine Ahnung, wie lange ich geschlafen habe. Es ist hier alles sehr merkwürdig. Sonst bin ich mit dem ersten Licht schon wach. Ich habe auch weder Hunger noch Durst. Ob ich vielleicht doch mein Volk hier hinein führen sollte? Wir sähen dann zwar fürchterlich aus, wären aber vor den Alben in Sicherheit. Lebenslang hier unten zu vegetieren erscheint mir aber auch nicht sehr erstrebenswert. Erneut binde ich mir den Stein um und beginne dann mit dem Aufstieg. Fast wie erwartet, verändern sich Haut und Nägel wieder zurück. Wahrscheinlich sieht auch der Rest von mir nun wieder aus wie Lachsfänger auszusehen hat. Durch diese Rückbildung werde ich schlanker und fast wäre mir der Gesteinsbrocken in den Krater zurück gefallen. Fast im letzten Moment erst bemerke ich es. Ausgerechnet hier, wo ich kaum einen Stand habe und selbst dicht an die Wand geschmiegt hinten über kippe, wenn ich nicht mindestens eine Hand zum Halten nutze. Ich kann nur das umgebundene Tuch hoch ziehen und mit einer Hand versuchen, den Knoten fester nachzuziehen. Ungeheuer schwer wird so mein Weg nach oben. Quälend langsam erscheint mir mein Vorwärtskommen.

      Endlich habe ich eine Stelle erreicht, an der ich sicher stehen kann und beide Hände frei habe. Schnell ist der bunte Stein dicht an meinem Körper gesichert. So fällt mir auch das Klettern wieder leichter und schon bald verspüre ich die neugierig tastenden Gedanken Alamons. Schnell ist er über die Geschehnisse, der letzten Tage informiert. Es ist erstaunlich, wie einfach man auf diese Weise Nachrichten austauschen kann. Doch es ist auch so ungemein deprimierend, nicht einen einzigen eigenen Gedanken haben zu können. Man fühlt sich geistig nackt und bloß.

      Ein bekannter Geruch verlangt nach meiner Aufmerksamkeit. Faul! Ich sehe nach unten und erkenne, dass aus einigen der Öffnungen feiner Rauch aufsteigt, der so stinkt. Der wird doch nicht gerade jetzt ausbrechen wollen, schießt es mir mit Entsetzen durch den Kopf.

      Dann solltest du dich beeilen, wenn du mir deinen Stein schenken willst, höre ich Alamons Gedanken.

      So schnell als nur möglich erklimme ich den Kraterrand. Der Rauch hat nicht weiter zugenommen. Glück gehabt.

      Mit zügigen Schritten eile ich den Vulkan hinab. Mein Volk ist auf mich aufmerksam gemacht worden und schleunigst eilen alle vor die Eishütten. Kein Ton kommt über ihre Lippen. Mit unbewegten Minen schauen sie mir nahezu unbeteiligt hinterher, als ich durch ihre Mitte gehe. Beängstigend. Sehen so lebende Tote aus?

      Die Verbannten bilden einen großen Kreis um uns.

      Dann komme ich vor dem Albenfürsten zu stehen. Selbstverständlich in dem gebührenden Abstand. Warum stehen Lieblicher Sonnenstrahl und Morgentau neben ihm? Ich sehe die Angst in ihren Augen. Furchtsam klammern sie sich aneinander. So stolze und starke Frauen waren sie einst; ein kümmerliches Bild sind sie nun. Was ist in diesen zwei Tagen hier geschehen? Leicht schüttelt Lieblicher Sonnenstrahl den Kopf, als wolle sie mir etwas sagen, aber ich verstehe es nicht.

      Umständlich nestle ich bei diesen Gedanken den Stein aus dem Tuch und zeige ihn Alamon mit weit vorgestreckten Armen.

      Dies ist, was ich am Kraterboden fand, Alamon, sage ich.

      Ein Wunder, Lachsfänger. Wirklich, ein großes Wunder. Du findest im Vulkan einen Stein. Und so außergewöhnlich einfach und grau. Dafür brauchtest du zwei Tage? Du enttäuschst mich. Ich glaube, dafür muss ich nun eine deiner beiden Frauen bestrafen. Du darfst wählen, welche für deine Unfähigkeit leiden muss, sagt Alamon höhnisch.

      Voll Entsetzen schaue ich zwischen dem Alben und meinen Frauen hin und her. Dann besehe ich mir den Stein. Tatsächlich, er hat jegliche Farbe verloren. Intuitiv und voller Wut schleudere ich den Stein in Richtung des Albenfürsten. Der hat aber wohl schon diesen Angriff erwartet und hält, augenscheinlich ohne große Anstrengung, die Zwei als Schutzschild vor sich. Dabei schweben sie leicht über dem Boden. Lieblicher Sonnenstrahl wird direkt zwischen den Augen getroffen. Der Schlag ist so heftig, dass sofort ihr Blut spritzt.

      Alamon schleudert die zwei Frauen von sich und während Morgentau den Sturz abfängt und wieder auf die Beine kommt, bleibt Lieblicher Sonnenstahl verkrümmt und leblos mir zu Füßen liegen. Ihre gebrochenen Augen starren mich an. Ich bin wie gelähmt.

      Von meinem Volk ist kein Ton zu hören. Keiner erhebt sich gegen Alamon. Bin ich allein fähig, sich zu bewegen? Was ist mit euch?

      Ergreift ihn, ruft Alamon laut und aus den Reihen der Verbannten eilen zwei Mann heraus und packen mich fest an den Armen. Ich versuche, mich gegen ihren Griff zu wehren, doch es gelingt mir nicht.

      Hört mich an, erhebt Alamon erneut seine Stimme. Von nun an werdet ihr unser Volk sein. Ihr werdet uns bedingungslos dienen, für uns kämpfen und für uns sterben. Und eines Tages wird euch durch uns die Erde gehören.

      Leiser und zu mir gewandt sagt der Alb: Du wirst verstehen, Lachsfänger, dass ich ein Volk mit einem Anführer nicht gebrauchen kann. Auch wenn du nicht den Stein geworfen hättest, würdest du sterben. Ich brauche keinen Grund zu töten. Mit dem heutigen Tag beginnen wir, unser Volk zu erziehen und du wirst die erste Lektion sein, die sie lernen sollen. Wir bestimmen über Leben und Tod.

      Alamon macht eine weitläufige Armbewegung und augenblicklich kommt Leben in die Menschen meines Volkes. Der Alb hat sie aus seinem Bann entlassen. Eng drängen sie sich Schutz suchend aneinander.

      Zu den Verbannten ruft der Albenfürst: Wählt viermal zehn Männer. Bindet Lachsfänger an Armen und Beinen und an jedem Seilende sollen zehn Mann ziehen und ihn in die Höhe heben.

      Wie aufgescheuchtes Federvieh strebt mein Volk auseinander, versucht den Zugriffen der Verbannten zu entkommen. Doch es nutzt nichts. Am Ende liege ich auf dem Boden, die Arme und Beine weit von mir gestreckt und an jedem Seilende stehen zehn starke Männer.

      Zieht an, schreit Alamon. Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, schlagen Verbannte mit Riemen auf die Männer ein. Mit einem Ruck werde ich in die Höhe gerissen und bleibe schwingend über dem Boden schweben.

      Fester! Noch fester. Zieht, denn es geht um euer Leben. Wer nicht aus Leibeskräften zieht, wird erschlagen, brüllt der Alb und die Verbannten schlagen wie wahnsinnig auf die Männer ein.

      Mit vernehmlichem Krachen verlassen meine Knochen die Gelenke. Auch wenn ich es nicht will, der unsägliche Schmerz lässt mich mein Leid in die Welt schreien. Mir schwinden die Sinne, irgendwann zerreißt es mich gänzlich und mein Geist verlässt meinen geschundenen Leib.“

      * * * * *

      Abrupt finde ich mich auf dem Berg unserer Festung wieder. Über mir ein wolkenloser sternenklarer Nachthimmel. Die Erinnerung an das Erlebte ist so frisch in mir, dass sich in meinem Körper unendliche Erschöpfung breit macht. Mit letzter Kraft schleppe ich mich nach unten, um zu ruhen und das Gesehene nieder zu schreiben.

      Auf meinem Weg in meine Kammer, vorbei an den täuschend lebensechten Abbildungen unserer Helden, treffe ich keinen anderen Zwerg. Stille herrscht um mich herum. Nichts stört meine Gedanken. Eigentlich können einem die Nordlinger leidtun. Ursprünglich harmlose Menschen fielen sie in die Fänge der Alben und wurden erst zu dem gemacht, das sehr lange Zeit später vor unseren Festungen auftauchte: Wilde, gefährliche, fast tierische Kämpfer des Bösen, die keinerlei Rücksicht auf das eigene Leben kannten.

      Stärkung und Überleitung

      Ich habe aufgeschrieben, was ich sehen durfte.

      Ich habe ein wenig geruht und kleide mich an, um wieder nach oben auf den Berg zu steigen. Mit Erschrecken muss ich feststellen, dass mein Gewand an mir herum schlabbert. Die Arbeit zehrt gewaltig an mir. Obwohl ich ausreichend esse, wie ich meine, nehme ich zusehends ab. Sei es drum, die da oben werden schon wissen, was sie mir zumuten können. Gott Gabbro hat