Utz wider die Alben. Rainer Seuring. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Rainer Seuring
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783738092950
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meiner Überraschung finde ich diese versperrt. Ich rüttele mit aller Macht am Griff, habe damit aber keinen Erfolg.

      Mir wird heiß und kalt. Was wird sein, wenn ich nicht oben erscheine? Bringe ich das Werk in Gefahr? Wird man mich strafen? Wofür, es ist nicht mein Verschulden.

      „So ist es.“, höre ich in meinem Rücken und fahre erschreckt herum. Es ist Gilbret, der hinter mir steht und mir entgegen lächelt.

      „Es wurde beschlossen, dich nicht mehr immer auf den Berg zu rufen. Du kannst durchaus auch in deiner Kammer vernehmen, was du schreiben sollst.“

      Er winkt mich zu sich und zeigt auf meinen Sitz.

      „Nimm wieder Platz, meine Liebe. Auch wir haben bemerkt, wie sehr dich die Arbeit anstrengt und wie viel du an Stärke brauchst. Darum soll heute alles deutlich ruhiger von Statten gehen. Während du nun erst einmal ausgiebig essen und trinken sollst, werde ich dir berichten, wie es weiter ging. Du wirst erst beim nächsten Male wieder persönlichen Bericht erhalten.“

      Ich setze mich hin und augenblicklich füllt sich mein Tisch aus dem Nichts mit allerlei Leckereien. Ich sehe eine dampfende Schüssel mit Getreidebrei. Daneben einen Krug voll leckeren Honigs. Ein mit einem Deckel verschlossener Topf erregt meine Neugier. Eine heiße Brühe, in der noch ein gekochter Schweinefuß schwimmt. Von einer Platte lacht mich ein knusprig gebratenes Hühnchen an, das neben einer Rinderzunge auf meinen Zugriff wartet. Daneben steht ein Teller mit einer wunderbaren Forelle. Dahinter finde ich dicke Scheiben vom Bärenschinken und einer Schwanenbrust. Ein Korb voll Brot und Schmalz in Hülle und Fülle. In großen Krügen stehen Wein, Bier und Wasser um einen irdenen Pokal, der prächtig mit Malereien verziert ist. Von dem Obst kenne ich nur Apfel und Trauben. Die länglichen grüngelben Früchte oder die blass roten runden Früchte kenne ich nicht

      „Das sind Bananen und dies Orangen. Sie sind sehr gesund. Man muss sie vor dem Verzehr schälen. Wenn du magst, helfe ich dir dabei.“, sagt Gilbret, der meinen zweifelnden Blick bemerkt hat.

      Auch wenn der Duft mich von der Echtheit der Genüsse überzeugen will, so tasten doch meine Finger skeptisch über das maßlose Angebot an Speisen.

      Da sitze ich nun, die Hände auf meinem Brett, auf dem mein Messer liegt, und weiß gar nicht, womit ich beginnen soll. Ich entscheide mich für die Schweinebrühe und fülle mir eine Schale voll. Natürlich angele ich mir auch den Fuß heraus und knabbere ihn ab. Mit vollen Backen probiere ich eine Leckerei nach der anderen. Lecker, lecker, einfach köstlich. Gilbret sitzt neben mir und sieht mir schweigend zu. Ab und an entfette ich meine Hände in der Wasserschüssel neben mir und trockne die Hände am Tuch, bevor ich nach dem Pokal greife, in dem gerade das beste Bier meines Lebens ist.

      „Wollt ihr nicht mit mir essen?“, will ich wissen.

      „Ich denke, wir werden noch so viel Zeit mit einander verbringen, dass du mich ruhig duzen kannst. Einverstanden?“

      „Sehr gerne. Vielen Dank. Magst du nicht mit essen?“, stelle ich meine Frage neu.

      „Nein, Danke. Mein Geist benötigt keinerlei irdische Speisen mehr.“

      „Ach! Du hast keine Ahnung, was dir entgeht. Der Koch ist ein Meister seines Handwerks. Was esst ihr Geister denn eigentlich?“

      „Nun, sofern wir überhaupt etwas benötigen, ist dies geistige Nahrung.“

      „Schmeckt das?“, will ich erstaunt wissen.

      „Wo kein Körper ist, ist auch kein Geschmackssinn. Wie also soll ich dir das beschreiben? Ich denke, du wirst das zu gegebener Zeit besser selbst lernen.“

      Schweigend speise ich weiter. Nahezu gierig stopfe ich von allem reichlich in mich hinein. Auch von Banane und Orange probiere ich. Der Geschmack ist fremd, aber nicht schlecht. Für den Abschluss habe ich mir auch schon einen der Käse ausgesucht.

      Endlich bin ich mehr als satt und lege das Messer aus der Hand. Eine leichte Müdigkeit macht sich in mir breit. Das weckt in mir die Frage: Träume ich nun eigentlich oder bin ich wach. Das frage ich sofort Gilbret.

      Der antwortet: „Es ist nicht mehr nötig, dass du schläfst, um die Gesichte zu sehen. Dein Geist ist inzwischen auf Dauer offen, um mich auch in wachem Zustand sehen und hören zu können. Deine kleine Speise war Wirklichkeit.“

      Bei den Worten kleine Speise grinst er etwas anzüglich. Was soll‘s. Wer gut arbeitet, muss auch gut essen.

      „Warum erzählst du eigentlich nicht?“

      „Ich wollte dir dein Mahl nicht verderben. Zudem habe ich gerne deine ganze Aufmerksamkeit.“

      „Oh, Entschuldige. Jetzt habe ich deine Zeit gestohlen.“

      „Ach, wo. Ich habe alle Zeit der Welt, wenn man so sagen will. Da kommt es nicht auf diese paar dir wohltuenden Minuten an.“

      „Wo wir gerade über Zeit reden, lieber Gilbret. Wie lange sind die Ereignisse denn her, von denen mir berichtet wurde?“

      „Also: Begonnen haben wir mit dem Anbeginn der Welt. Das ist nach deinen Begriffen so lange her, dass es noch keine Zahl für die Jahre gibt. Bis zu der Verfehlung Alamons und seiner Gefährten gab es keinen Sommer und keinen Winter, also gibt es da auch nichts zu zählen. Ein völlig zeitloses Dasein.

      Die Geschichte der Nordlinger ist auch schon lange her. Es war die Zeit, in der die großen Erdmassen auf der Erde langsam ihre heutige Stelle eingenommen haben. Auch dafür kennst du keine Zahl. Durch die Wanderung der Erdmassen konnten sich die Tiere und die Menschen überall verteilen. Nicht zuletzt durch die gewaltige Kältezeit, in der sogar ganze Meere gefroren, kam es zu großen Wanderungen unter den Menschen. Darum erst konnten die Nordlinger zu den Alben gelangen. Sie gingen über eine dicke Eisschicht auf dem Meer.

      Ich werde dir jetzt erzählen, was daran anschließend geschah.

      Die Alben haben also erkannt, dass durch den Staub, den der Vulkan mit jedem Ausbruch auswirft, ganz kleine Teile ihrer Macht hoch in die Luft geschleudert und durch den Wind immer weiter getragen wurden. Sie waren so leicht, dass sie niemals auf die Erde sinken würden. Damit aber war ihnen zu diesem Zeitpunkt fast keine Grenze mehr gesetzt. Erhalten durch diese Teilchen der Macht und durch die Eisschicht über den Meeren konnten sie nun überall hin gelangen.

      Getrieben von Alamon und seinen Rachegelüsten gegen die Götter strebten sie, die neue Welt zu erkunden und alles was darinnen lebte. Aber drei mussten auf der Insel bleiben. Lunarus wurde damit betraut, die Nordlinger zu erziehen. Tagein Tagaus ließ der die Verbannten die Menschen mit Hasstiraden überziehen und schlagen und misshandeln. Die Götter sind schuld, wurde immer wieder gerufen. Wahres Leben bieten nur die Alben und ähnliches mussten die Nordlinger sagen, bis sie es glaubten. Die Säuglinge nahmen das schon mit der Muttermilch auf. So veränderte sich ihr Wesen immer mehr. Ihre Gottesfürchtigkeit ging gänzlich verloren.

      Elrone und Guggeri mussten sich um die Vermehrung des Volkes kümmern. Die beiden Wollüstigen gewannen dieser Aufgabe sogar noch erregendes Vergnügen für ihre eigenen Lustspiele ab. Jeder zeugungsfähige Mann musste mindestens einmal am Tag zu einer gebärfähigen Frau und diese begatten. Waren alle Frauen schwanger, leisteten die Männer Frondienste und bauten das Dorf mit den Eishütten rund um den Vulkan immer weiter aus.

      Wie Lachsfänger sich dachte, so kam es auch. Durch den ständigen Einfluss der bösen Albenmacht veränderten sich die Menschen und sahen letztlich so aus, wie er den Häuptling unten im Krater sah. Kaum etwas Menschliches war ihnen geblieben. Sie jagten und dienten den Alben. Mit Vorliebe kleideten sie sich in das Fell des großen weißen Bären, der dort zu Hause ist. Oftmals nahmen sie den Schädel des Tieres als Kopfbedeckung, was ihnen den Anschein gab, ein Untier mit zwei Mäulern zu sein. Krieger, die sie zum ersten Male sahen, nahmen auch schon mal Reißaus, nur wegen ihres Aussehens.

      Einher gehend mit dieser Veränderung, hingen die Nordlinger immer mehr den Alben an. Alamon sah dies und vertraute seinem Volk fast uneingeschränkt. Dann kam die Zeit, da die Verbannten unter den Menschtieren litten. Nun durften