Zwanzig Fässer westwärts. Thomas Staack. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Thomas Staack
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783844265491
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Erasmus den Mund ab.

       „Rum“, entgegnete er schnippisch. Offenbar wurde er ungern unterbrochen. „Rum ist es, kein Schnaps. Der beste weit und breit. Deshalb brauche ich zuverlässige Leute, welche die Ware für mich ausliefern. Ich zahle gut, sehr gut sogar, schließlich habe ich einen Ruf zu verlieren.“

       „Verstehe.“ Nachdenklich knetete Lucas sein Kinn. „Welchen Lohn nennt ihr denn sehr gut?“

       „400 Dukaten“, sagte der Händler unwirsch, „und kein bisschen mehr.“

       Er schien beleidigt zu sein, weil er seine Ware nicht angemessen hatte anpreisen dürfen. Martins Augen leuchteten sichtbar, als der Händler die Summe nannte, doch Lucas erhob sich umgehend.

       „Dann wird nichts aus unserem Geschäft. Ihr werdet euch andere Leute suchen müssen.“

       „Aber…aber…wartet doch!“, rief Erasmus entsetzt, während Martin Lucas mit großen Augen anstarrte. „Geht nicht! Einen Moment! Setzt euch bitte!“

       Lucas verzog den Mund, schüttelte den Kopf und nahm wieder Platz. „Schön. Lasst hören, ob ihr noch mehr zu bieten habt. Ich bin kein geduldiger Mensch.“

       „Das merkt man“, murrte der Händler. „400 Dukaten für zwei Leute ist ein gutes Angebot.“

       Martin nickte hektisch, doch Lucas übersah es. „Das mag sein, aber es ist mir nicht gut genug. Die Fahrt nach Falkenberg ist gefahrvoll, wie ihr selbst zugegeben habt. Und gute Fuhrleute sind schwer zu bekommen.“

       „Das ist leider wahr“, brummte Erasmus. „Wie wäre es mit 500 Dukaten?“

       Bedächtig knete Lucas seine Oberlippe. „Ihr wollt, dass wir euren besten Rum den weiten Weg nach Falkenberg bringen? Für 500 Dukaten? Die Fässer sollen doch unversehrt ankommen, nehme ich an?“

       Der Händler rieb sich die feuchten Hände. Mit verkniffenem Gesicht blickte er von Martin, der inzwischen bleich geworden war, zu Lucas und zurück.

       „Wie viel verlangt ihr?“

       Lächelnd reichte Lucas dem Händler seine Hand. „700 Dukaten und kein bisschen weniger.“

       Erasmus schluckte und zögerte eine Weile. Die angespannte Stille zwischen den Männern legte sich erst, als der Händler einschlug und Lucas' Hand kräftig schüttelte.

       „Das ist viel Geld“, knurrte er. „Seid ihr wirklich so gut, wie ihr behauptet?“

       Lucas grinste breit. „Verlasst euch darauf. Gebt uns die Hälfte als Anzahlung und…“

       „Oh nein“, unterbrach ihn Erasmus. „Einhundert als Anzahlung. Mehr habe ich nicht bei mir. Ihr erhaltet sie, wenn ihr mit dem Wagen aufbrecht. Den Rest bekommt ihr in Falkenberg von meinem Unterhändler Sewolt. Ich führe ein kleines Geschäft in der Hauptstadt, das er für mich verwaltet. Ihr findet es im Kaufmannsviertel.“

       Erasmus kramte in einer Ledertasche an seinem Stuhl, zog eine Pergamentrolle, Feder und Tintenfässchen hervor. Er tunkte die Feder in die Tinte und kritzelte auf das Pergament. Dann beträufelte er es mit Kerzenwachs und drückte ein Siegel hinein.

       „Ich gebe euch ein Schreiben mit und setze die Anzahlung und die restliche Summe hier ein. 600 Dukaten, nicht wahr?“

       „700 Dukaten“, widersprach Lucas. „Wir mögen einfache Fuhrmänner sein, aber wir können zählen.“

       Erasmus verzog das Gesicht. „Gut, 700 Dukaten“, brummte er missgelaunt und schrieb erneut auf das Pergament. „Außerdem weist euch das Schreiben als meine Fuhrleute aus. Das könnte euch nützlich sein.“

       „Wir sehen uns morgen früh im Stall“, ergänzte Erasmus. „Dann übergebe ich euch meinen Wagen und die Anzahlung. Jetzt entschuldigt mich, ich will mich zurückziehen und von den Verhandlungen erholen.“

       „Selbstverständlich“, sagte Lucas. Er und Martin erhoben sich mit dem Händler und verbeugten sich zum Abschied.

       Martin wartete, bis der Händler das Gasthaus verlassen hatte, dann packte er Lucas am Kragen und schüttelte ihn. „Bei allen Geistern! Bist du wahnsinnig geworden!“

       Anschließend umarmte er seinen Jugendfreund und rief: „Wir sind reich!“

       „Übertreib nicht.“ Lucas lächelte milde. „Das ist gutes, wenngleich nicht leicht verdientes Geld. Die meisten Fuhrmänner, die ich kenne, hätten die Fuhre vermutlich für 400 Dukaten gemacht.“

       Er deutete mit dem Finger auf das Pergament. „Steht da die richtige Summe? Wirklich 700 Dukaten?“

       Martins Augen weiteten sich. „Lucas, kannst du immer noch nicht lesen?“

       „Nein, ich hatte keine Zeit, es zu lernen. Stimmt die Summe? Und ist das Schreiben in Ordnung?“

       „Äh, ich denke doch.“ Martins Wangen nahmen eine leichte Röte an.

       Lucas verengte die Augen. „Du kannst auch nicht lesen, nicht wahr? Warte mal.“

       „Josef!“, rief er und ging zum Wirt hinüber. Er legte das Pergament auf den Tresen und schien einige Fragen zu stellen, die Martin wegen des Lärms im Wirtshaus nicht verstehen konnte. Josef nickte und erwiderte etwas Unverständliches, anschließend kam Lucas zurück an den Tisch.

       „Alles in Ordnung.“

       Die beiden Männer mussten lachen. Martin lief zur Theke, ließ sich von Josef zwei neue Metkrüge geben und bestellte zwei üppige Abendessen.

       „Wie hast du das nur gemacht?“, wollte er wissen, als er zurück war. „Ich könnte das nicht.“

       „Das habe ich gemerkt.“ Lucas nahm einen kräftigen Schluck. Seine Kehle fühlte sich ungewöhnlich trocken an und wollte befeuchtet werden. „Du hast die ganze Zeit kein Wort gesagt. Wie früher, da musste ich auch alles machen.“

       Martin winkte ab. „Solche Verhandlungen sind nichts für mich. Ich habe andere Talente. Du wirst schon sehen.“

       „Hört, hört.“ Lucas legte die Stirn in Falten. „Ich hoffe nur, das Ganze ist kein Schwindel. Wenn Erasmus bereit ist, so viel Geld zu zahlen, ist er entweder wirklich in Nöten oder die Sache hat einen Haken.“

       „Ich glaube nicht, dass es ein Schwindel ist“, war Martin überzeugt. „Außerdem kann es uns gleichgültig sein, solange wir gut dafür bezahlt werden. Vor allem bin ich froh, dich an meiner Seite zu haben. Es ist gut, wenn man sich beim Wagenlenken mit jemandem abwechseln kann.“

       Lucas seufzte und sah Martin betrübt an. „Ich hoffe, ich komme mit dem Gespann zurecht. Ich habe seit Kindertagen nicht mehr auf einem Pferdewagen gesessen.“

       An der Theke des Wirtshauses stand ein kleiner dicker Mann in einem weiten grauen Gewand und trank Josefs Hauswein von eher zweifelhafter Qualität. Vor ihm stapelte sich eine Vielzahl von Weinbechern. Angetrunken beobachtete er einen Tisch in seiner Nähe, an dem wie jeden Abend Ulf der Unbesiegbare seinem Tagewerk nachging. Es bestand darin, alle Menschen im Armdrücken zu schlagen, die bereit waren, es mit ihm aufzunehmen. Für einen Einsatz von zwei Dukaten erhielt man die Chance, Ulf den Unbesiegbaren seines Beinamens zu berauben und zwanzig Dukaten zu gewinnen. Dass es noch niemandem gelungen war, lag nicht nur an Ulfs Oberarmen, deren Muskelpakete kaum ein guter Zugochse aufbieten konnte, sondern auch an seiner Technik, die sich Ulf über Jahre angeeignet hatte und auf die er sehr stolz war. Inzwischen hatte der mäßige Wein dem kleinen dicken Mann an der Theke das Gesicht gerötet. Sein kurzes schwarzes Haar und der schwarze Bart wurden dadurch besonders hervorgehoben. Mit funkelnden Augen beobachtete er, wie Ulf der Unbesiegbare den Arm seines Gegners auf die Tischplatte knallte. Das Opfer schrie vor Schmerz, hielt sich den verletzten Arm und verließ das Gasthaus unter dem Jubel der Menge. Ulf erhob sich und wischte den Schweiß von seiner Glatze. Er reckte die muskulösen Arme und ließ sich von den Gästen feiern.

       „Wer wagt es noch?“, rief er nach einem kräftigen Zug aus dem Metkrug. „Ulf der Unbesiegbare fordert euch alle heraus! Nur zwei Dukaten Einsatz!“

       Der kleine dicke Mann ließ seine letzten beiden Dukaten durch die Finger gleiten. Zwanzig würden seine Sorgen lindern. Bis hierher