Timeflyer. Doris Bühler. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Doris Bühler
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847660262
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keine Angst zu haben.”

       Er lehnte sich zurück und seufzte tief. “Ich sehe ein, daß Sie mir jetzt noch keine Zusage machen können, deshalb bitte ich Sie vorerst nur, darüber nachzudenken. Wir haben einen detaillierten Plan über den Verlauf der vorgesehenen Versuche aufgestellt. Überprüfen Sie ihn, hören Sie sich an, was wir dazu zu sagen haben. Sagen Sie uns, was Ihnen unklar oder gefährlich erscheint, was Ihnen Angst macht. Wir werden darüber reden. Stellen Sie sich zunächst nur einmal vor, wie es sein könnte... Ich flehe Sie an, Karin, bitte denken Sie wenigstens darüber nach.”

       Ich dachte darüber nach, - ich konnte an gar nichts anderes mehr denken. Und war ich mir in einem Augenblick fast schon sicher, daß ich es vielleich doch tun könnte, weil ich begriff, welche wunderbaren Chancen der Menschheit dadurch in Zukunft offenstünden, so packte mich schon im nächsten wieder panische Angst. Angst davor, was passieren könnte.

       Was wäre beispielsweise, wenn es mir nicht mehr gelänge, zurückzukehren? Ich wollte nicht den Rest meines Lebens irgendwo in einer fremden Zeit verbringen müssen, unter Menschen, die es so für mich eigentlich gar nicht geben durfte. Ich hatte auch Angst davor, zu sterben. Woher sollte man wissen, daß der menschliche Organismus genauso reagieren würde, wie der eines Kaninchens? Und wußte man überhaupt, ob das Häschen nicht einen Schaden davongetragen hatte, der noch gar nicht bemerkt worden war? Der sich vielleicht erst später zeigen würde?

       Dennoch ertappte ich mich immer häufiger dabei, daß ich mir vorstellte, eines Tags durch das Berlin der Jahrhundertwende zu spazieren, den Kaiser in seiner Kutsche durch das Brandenburger Tor fahren zu sehen, die Pferdedroschken und die Brauereiwagen, die ich von alten Bildern her kannte... Oder ich dachte an die alten Ägypter, die in ihren Barken auf dem Nil segelten, in reich verzierten Gewändern durch Theben schritten und dem Pharao zujubelten, - und ich mitten unter ihnen!

       Es war ein Wagnis, - es war aber auch eine Herausforderung. Und nicht zuletzt war es eine große Ehre für mich, dabei zu sein, wenn die Menschheit diesen gewaltigen Schritt tat. Ähnlich wie Armstrong, der 1969 als erster Mensch den Mond betreten hatte, wäre ich die erste, die ihren Fuß in die Vergangenheit setzt. Konnte ich da überhaupt nein sagen? War nicht auch Armstrong für seinen Mut und seine Risikobereitschaft tausendfach belohnt worden, indem er die Welt aus einem ganz anderen Blickwinkel sah? Ich mußte es tun, und ja, dreimal ja, - ich wollte es tun!

       Ich hatte Klaus nicht kommen hören, ich sah nur plötzlich, daß sich die Tür öffnete und er den Kopf hereinsteckte. "Mein Gott, du sitzt ja im Dunkeln,” wunderte er sich. “Darf ich reinkommen?”

       Ich nahm die Kopfhörer ab. “Sicher, setz dich doch.” Ich rutschte zur Seite, um ihm neben mir auf der Couch Platz zu machen. "Es ist schon spät, gibt es etwas Besonderes...?"

       “Nein, nicht direkt. Ich habe nur seit einer Ewigkeit nichts mehr von dir gehört.” Ein leiser Vorwurf lag in seiner Stimme. “Was war denn nur los?”

       Sein Anorak war naß vom Regen. Er zog ihn aus, hängte ihn über die Lehne des Stuhles vor dem Schreibtisch und rieb sich die feuchten Hände. “Ein paarmal habe ich versucht, dich anzurufen, doch entweder warst du noch nicht zu Hause oder du hast bereits geschlafen.”

       Er setzte sich nicht, sondern beugte sich zu mir herunter, gab mir einen Kuß und strich mir über die Wange. "Karin, du weißt, daß ich mir Sorgen um dich mache.”

       “Das ist völlig unnötig, mir geht es gut," antwortete ich. Dabei war mir bewußt, daß seine Sorgen nicht unberechtigt waren, nur daß er den Grund dafür in einer ganz anderen Richtung suchte. Hatte er mich nicht vor zu vielen Überstunden gewarnt? Hatte er nicht befürchtet, daß ich ausgenutzt werden würde?

       Aber nein, ich fühlte mich nicht ausgenutzt. Im Gegenteil. Ich war dazu ausersehen, an einem einzigartigen Experiment teilzunehmen. War es in den Wochen zuvor schon aufregend genug gewesen, bei den ersten Tests dabei gewesen zu sein, so übertraf das, was das Timeflyer-Team nun mit mir vor hatte, bei weitem alles bisher Vorstellbare.

       Doch das konnte ich Klaus nicht sagen.

       Er seufzte, lief zum Fenster und schaute hinaus. Im Schein der Straßenlaterne konnte ich sein Profil erkennen. "Du arbeitest weit mehr, als nur die übliche Stundenzahl, hast kaum mehr Freizeit. Gibt es denn nur noch das Institut für dich? Du kannst nicht dein Privatleben dafür aufgeben und deine Freunde vergessen."

       "Dr. Weißgerber leitet zur Zeit ein überaus wichtiges Projekt, und dabei braucht er meine Hilfe und meine Unterstützung," verteidigte ich mich kleinlaut.

       Was hätte ich ihm denn anderes sagen sollen?

       Kopfschüttelnd schaute er mich von der Seite an. “Du machst es doch nicht nur des Geldes wegen, oder?”

       “Nein, natürlich nicht.”

       “Aber weshalb dann? Ich sehe doch, daß es dich belastet. Wie lange soll denn das noch so weitergehen?"

       Ich wußte, daß er glaubte, es ginge nur um Schreib- und kleine Hilfsarbeiten, die ich für den Doktor übernommen hatte. "Bis dieses Projekt abgeschlossen ist."

       "Könnte das jetzt nicht mal eine andere machen? Sprich doch mal mit Gaby, vielleicht würde sie sich auch gern ein paar Mark dazuverdienen. Zumindest könntet ihr euch die Arbeit teilen.”

       "Nein, das geht nicht.”

       "Und warum nicht?”

       "Weil Dr. Weißgerber möchte, daß ich diese Arbeit erledige. Hätte er Gaby gewollt, hätte er sie gefragt."

       "Dr. Weißgerber! Dr. Weißgerber! Wenn ich diesen Namen schon höre.” Ich konnte sehen, wie er mit den Augen rollte. “Manchmal würde ich ihn am liebsten umbringen, deinen Doktor.”

       Ich stöpselte die Kopfhörer aus und startete die Platte über die Lautsprecher-Boxen. "Er ist nicht mein Doktor!"

       "Zuweilen könnte man es aber meinen."

       Ich drehte die Lautstärke weiter auf, als könnte ich damit das leidige Thema beenden. Blackhead-Charlys Stimme nahm den ganzen Raum ein. Sie veränderte ihn, erfüllte ihn mit Wärme und Zärtlichkeit. Doch Klaus hörte gar nicht hin. "Mensch, Karin! Schmeiß doch den ganzen langweiligen Kram hin," schlug er vor. "Sag ihm: 'Ich mag nicht mehr.' Soll er sich doch eine andere Dumme suchen.”

       Ich stand auf und knipste das Licht an. Die plötzliche Helligkeit tat den Augen weh. “Es ist nicht so, wie du denkst, Klaus. Ich mag diesen ‘langweiligen Kram’, wie du es nennst. In Wirklichkeit sind die Dinge, mit denen sich der Doktor beschäftigt, alles andere als langweilig."

       "Du tust gerade so, als verstündest du etwas davon," antwortete er spitz und drehte die Musik leiser. Ärgerlich drehte ich wieder auf.

       "Du hast auch bloß die Mittlere Reife," fuhr er fort. "und vom Abtippen allein wirst du noch lange keine Gelehrte. - Dreh die Musik leiser!”

       "Nein!”

       Mit zornigem Funkeln trafen sich unsere Blicke.

       Er streckte die Hand nach dem Regler aus, ich griff nach seinem Handgelenk und hielt ihn zurück, - und plötzlich erschien mir das ganze Theater so sinnlos. "Müssen wir uns denn immer nur streiten, wenn wir uns sehen?” fragte ich leise. "Komm, hör dir diesen Song an, er ist wunderschön."

       "Aber ein bißchen leiser, okay?”

       Ich drehte den Knopf um einen Millimeter zurück. “Besser?”

       Er hatte mich durchschaut und mußte