Eolanee. Michael H. Schenk. Читать онлайн. Newlib. NEWLIB.NET

Автор: Michael H. Schenk
Издательство: Bookwire
Серия:
Жанр произведения: Языкознание
Год издания: 0
isbn: 9783847688563
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eigentlich keinen Zweifel hatte. Beide Frauen lächelten Eolanee an und legten ihr die Hände auf die Schultern. Es war beschlossen.

      Eolanee würde in den Kreis der Baumhüterinnen aufgenommen werden.

      Eine von ihnen prüfte den Stand der Sonne. „Wir haben Zeit genug für die Vorbereitungen. Wenn es dir recht ist, Neredia Ma´ededat´than, werden wir die Zeremonie in zwei Wochen vornehmen. Dann können die meisten der anderen Hüterinnen aus den Tälern anreisen und daran teilnehmen. Es ist ein Grund zur Freude für alle Enoderi und besonders für Ayanteal. Es wird Geselligkeit und Tanz geben.“

      Die Freude war groß, vor allem bei Bergos Ma´ara´than, der sich darin bestätigt sah, dass Eolanee über bemerkenswerte Gaben verfügte. An diesem Abend saßen die drei zusammen und der Führer der Auraträger gestattete der jungen Frau zum ersten Mal den Genuss von gegorenem Beerensaft.

      „Trink nur wenig und trink langsam“, riet Bergos. „Wer den Saft nicht gewöhnt ist, der verliert schnell seine Sinne und die aufrechte Haltung. Du bist jetzt bald eine richtige Baumhüterin und die Bewohner von Ayanteal sollen keinen falschen Eindruck von ihrer künftigen Ma´ededat bekommen.“

      Eolanee stieß mit ihnen an und verzog freudig das Gesicht, als sie den Saft kostete. „Das schmeckt gut. Es ist sehr süß. Ein Nektar der Göttin.“

      „Warte bis zum kommenden Morgen“, lachte Bergos auf. „Dann wirst du es für ein Gebräu der Finsternis halten. Wenn man zu viel davon trinkt, dann wird einem übel und der Kopf fängt an zu schlagen. Glaube mir, mein Kind, das ist kein angenehmes Gefühl.“

      „Dennoch, es schmeckt.“ Eolanee lächelte und leerte ihren Becher.

      Bergos seufzte und schenkte ihr nach. „Nun ja, gegen ein gelegentliches Hämmern im Kopf ist wohl nichts zu sagen und wir haben wirklich einen Grund zum feiern. Ich freue mich schon auf die Zeremonie. Unsere kleine Eolanee wird eine richtige Baumhütern.“

      Neredia lächelte sanft. „An jenem Abend wird es Musik und Gesang geben. Es wird höchste Zeit, dass Eolanee ein paar Tanzschritte lernt.“

      Eolanees Augen hatten bereits einen verdächtigen Schimmer. „Oh, die hat Bergos mir bereits beigebracht.“

      „So, hat er das?“ Neredia sah den alten Auraträger forschend an. Dann lachte sie auf und musterte Eolanee zärtlich. „Deine armen Füße. Er wird sie ordentlich platt getreten haben. Ich kann mich erinnern, wie er vor drei Jahren mit mir tanzte. Ein unvergessliches Erlebnis. Vor allem für meine Zehen. Sie haben noch Wochen später an ihn gedacht.“

      Jetzt musste auch Eolanee lachen und Bergos, der ein wenig errötet war, stimmte schließlich von Herzen ein.

      Am Morgen hatte die junge Frau üble Kopfschmerzen und schwor sich, nie wieder gegorenen Beerensaft zu trinken. Bergos erging es nicht besser, aber er war aus Erfahrung vorsichtiger mit seinem Schwur.

      Die Tage bis zur Zeremonie vergingen wie im Fluge.

      Inmitten des Waldes aus Kegelbäumen wurde mit den Vorbereitungen begonnen.

      Der große Versammlungsplatz bot vielen hundert Menschen Raum, aber die Weihe der neuen Baumhüterin würde auch Bewohner der anderen Täler anlocken. Die Menschen wussten Geselligkeit und Tanz zu schätzen. Bei der Anzahl der Gäste würde man auch den Raum zwischen und unter den Kegelbäumen nutzen müssen. Wenn die Zeit gekommen war, mussten die Bäume einen guten Teil ihrer Fangwurzeln schrumpfen, um genug Raum zu geben. An Speise und Trank würde es nicht fehlen, da die Ernte gut gewesen war.

      Am frühen Morgen des Weihetages begannen die Veränderungen auf dem Versammlungsplatz. Wurzeln wuchsen in einem weiten Ring aus dem Boden. Immer höher und höher und sie begannen sich aufeinander zuzuneigen. Als sich die Spitzen berührten, begannen Blätter zu sprießen. So entstand zunehmend ein luftiger und grüner Baldachin. Frauen eilten umher und banden bunte Tücher und Stoffstreifen an die Zweige. Andere stellten Schalen auf, in denen am Abend die Glühkäfer ihr Licht spenden würden. Die Männer brachten Tische und Bänke und stellten sie in weitem Kreis auf. Ihre Beine verbanden sich mit dem Wurzelwerk des Waldbodens und die Möbel wurden zunehmend von wundervollen Mustern und Farben überzogen.

      Steinplatten wurden gebracht, damit man die großen Feuerstellen herrichten konnte, über denen man Gemüse und Fleisch zubereiten würde. Die Enoderi schätzten Fleisch, auch wenn sie selbst nicht töteten. Ihre Jagdtrupps waren oft unterwegs und versuchten, die frisch geschlagene Beute eines Raubtieres zu ergattern oder warteten ab, bis ein altes oder verletztes Tier verendete. Meist wurde ein Bär oder anderer Räuber durch den Lärm der Jäger so erschreckt, dass er die Beute freiwillig hergab. Manchmal griff das Tier an und dann musste der Auraträger der Jagdgruppe seine Fähigkeiten einsetzen.

      Abgestorbenes Holz und Torf wurden bereit gelegt. Die Jagdgruppen hatten in den letzten Tagen Erfolg gehabt und einige Tiere gefunden, die sich zum Braten verwenden ließen. Die Jäger nahmen die Tiere aus und würzten das Fleisch mit Kräutern. Gegorener Beerensaft und Gerstentrank wurden bereitgestellt und aus einigen Häusern vernahm man die gelegentlichen Klänge von Musikinstrumenten, die für den Abend gestimmt wurden.

      Inmitten des grünen Pavillons erhob sich ein Podest, auf dem die Führerin der Baumhüterinnen und die Weise Prophetin die neue Hüterin weihen würden. Es sollte eine feierliche Zeremonie sein, die man mit Respekt begehen wollte. Danach konnte das bunte Treiben beginnen, dem viele schon entgegen fieberten.

      Mit dem ersten Abendrot füllte sich der Platz.

      Die Spieße über der Feuerstelle drehten sich und begannen die Lichtung inmitten der Kegelbäume mit dem verlockenden Duft gebratenen Fleisches zu erfüllen. Die meisten Ankömmlinge brachten Schüsseln mit Brot, Salat, Käse, Pilzen oder anderen Nahrungsmitteln. Einige Männer und Frauen fanden sich zusammen und begannen zu musizieren. Gelächter war zu hören und die Vorfreude auf den gemeinsamen Abend war überall spürbar.

      Eine Gruppe von Frauen ragte deutlich aus den anderen heraus. Das waren die Baumhüterinnen, die keine besonderen Gewänder angelegt hatten, aber nun, als Zeichen ihres Standes, einen Kranz aus geflochtenen Blättern um den Kopf trugen. Eine von ihnen hielt die Umhängetasche mit dem Zubehör einer Hüterin bereit. Obwohl Eolanee längst eine benutzte, würde sie ihr erst an diesem Abend offiziell überantwortet werden.

      Auch die Auraträger waren erschienen, so fern sie nicht zur Wache in den Siedlungen benötigt wurden. Fast die Hälfte von ihnen war versammelt und sie sahen eindrucksvoll aus in ihrer einheitlichen Kleidung mit den blauen Umhängen und goldenen Stirnreifen. Von den blauen Steinen, dem Symbol ihrer Macht, schien ein sanfter Schimmer auszugehen.

      Bergos trug ebenfalls die Bekleidung eines Auraträgers, verzichtete aber auf den goldenen Stirnreif mit dem Zeichen seines Ranges. Er stand bei den anderen und blickte nervös in die Richtung, aus der die Hauptpersonen des Abends kommen mussten.

      Schließlich war es so weit und als die Prophetin sichtbar wurde, verstummten Musik und Gespräche. Ehrfurchtsvolles Schweigen begleitete die Weise Frau, die durch die Menge ging und das Podest unter dem grünen Baldachin betrat.

      Dann folgten Neredia und Eolanee. Sie trugen Gewänder ohne Zierrat. Trotz ihres unterschiedlichen Alters waren sie von unvergleichlicher Schönheit und die Schlichtheit ihrer Kleidung unterstrich dies noch. Sie folgten der Prophetin die Stufen hinauf, die nun die Arme hob. Auch das letzte Raunen verstummte. Jemand hüstelte aufgeregt und erntete sofort ein paar kritische Blicke.

      „Wir sind die Enoderi“, sagte die Weise feierlich. „Das Volk des Baumes. Wir leben durch den Baum und für den Baum. Er gewährt uns Schutz und Leben, so wie wir ihm Schutz und Leben gewähren. An diesem Tag will eine junge Frau den Kreislauf des Lebens beitreten und sich seinem Schutz verschreiben. Welche Hüterin wird für Eolanee sprechen?“

      „Ich, Neredia Ma´ededat´than, werde für Eolanee sprechen.“

      „Neredia Ma´ededat´than, Führerin der Baumhüterinnen, wurde Eolanee im Kreislauf des Lebens unterwiesen?“

      „Ja, Weise Frau, das wurde sie.“

      „Neredia Ma´ededat´than,